Fröhliches Morden überall. Margit Kruse

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Fröhliches Morden überall - Margit Kruse

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war froh, dass die beiden Frauen sich besser verstanden und sich keine Gemeinheiten mehr an den Kopf knallten wie am Vortag. Am späten Abend hatte Waltraud Eleonore die ganze Sepp-Lovestory haarklein erzählt, was ihr wohl Pluspunkte eingebracht hatte. Doch keine fromme Kirchenmaus, die gute Eleonore? Margareta musste schmunzeln. Hatte sie sich tatsächlich schon einen Kerl aufgerissen?

      Arm in Arm schoben die beiden älteren Damen wenig später dick vermummt ab, was Margareta vom Wohnzimmerfenster aus beobachtete. Eleonores lautes Gemecker konnte sie durch die Scheibe hören.

      »Hätte uns mit dem Auto mal nach Winterberg fahren können, mein lieber Sohn.«

      Dem stimmte Margareta zu. Irgendwie war Thomas schon wie ein bequemer Opa, fand sie. Und das mit 42 Jahren. Trotzdem lächelte sie ihn an, als er sich ihr von hinten näherte.

      »Haben wir uns überhaupt schon frohe Weihnachten gewünscht?«, fragte er mit sanfter Stimme und nahm sie in die Arme.

      3.

      Eleonore war missgelaunt. Sie fühle sich leer. Das Jahr ging zu Ende. Das neue konnte nur besser werden. Nun war Robert schon fast ein halbes Jahr tot. Einen qualvollen Tod hatte er gehabt. Zum Schluss hatte er sich die Lunge aus dem Hals gehustet und nur noch Blut gespuckt, bevor er endlich in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer in Herten für immer die Augen schloss. Es war seinem Bergmannsposten unter Tage geschuldet, dass der Krebs seine Lunge aufgefressen hatte. Eine schlimme Zeit, ihn mithilfe des Pflegedienstes zu versorgen. Wie oft hatte sie daran gedacht, einfach das Weite zu suchen und abzuhauen, egal wohin, Hauptsache weg. Doch wäre das christlich gewesen? Er hatte ein Leben lang für sie gesorgt, da war es das Mindeste gewesen, ihn zu pflegen.

      Letztendlich war sie froh, bis zum Schluss ausgeharrt und die liebende, sich kümmernde Ehefrau gespielt zu haben. Das hatte ihr besonders bei Pfarrer Ansgar Morgenrot der St.-Johannes-Gemeinde in Herten enorm viele Pluspunkte eingebracht. Voller Hochachtung lobte er sie in der gesamten Gemeinde, in der sie sich vor Roberts Erkrankung kaum hatte sehen lassen. Kirche und das ganze Drumherum gingen ihr am Allerwertesten vorbei, hatte sie jedem erzählt, der sie gefragt hatte, wieso sie nicht am Gemeindeleben teilnahm.

      Wie rührend sich der Pfarrer trotzdem nach Roberts Tod um sie gekümmert hatte und es noch tat, verwunderte sie. Er hatte bei den zahlreichen Hausbesuchen in ihre verweinten Kuhaugen gestarrt und sich – wieso auch immer – verpflichtet gefühlt, genau diesem Schäfchen seine volle Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Diese beschränkte sich nach der Beisetzung zunächst auf die Vorbereitung des sonntäglichen Gottesdienstes am Samstagnachmittag. Nicht gerade nett von ihm, Ursula Kaminski diesen Posten zu entziehen und ihn Eleonore aufs Auge zu drücken. Besondere Umstände veranlassen ihn dazu, hatte er versucht, der Kaminski einzureden, die oft sehr zudringlich wurde. Kerzenständer polieren, Altarblumen dekorieren, Gesangsbücher ordnen, Messwein auffüllen und seinen Talar abbürsten zählten zu den Aufgaben einer Samstagnachmittagshelferin. An Eleonore war eine Schauspielerin verloren gegangen, so gut spielte sie ihre unterwürfige Rolle.

      Wenig später hatte er sie in die Seniorenstube eingeführt. Da biss er bei dem alteingesessenen Stamm allerdings auf Granit. Vier Frauen der ungefähr 20 Mitglieder waren seit vielen Jahren befreundet und trafen sich auch privat. Dazu zählte Ursula Kaminski, was die Sache nicht leichter machte. Carola Blasius, Angelika Thomas und Petra Halstenbach empfand Pfarrer Morgenrot auch als aufdringlich, jedoch längst nicht so unerträglich wie die Kaminski. Eleonore hatte sich mächtig ins Zeug gelegt, um von dieser kleinen Gruppe wahrgenommen zu werden und sich ihr anschließen zu dürfen.

      Nach Roberts Tod hatte sich Eleonore einer aufwendigen Rundumerneuerung unterzogen, wozu eine neue Frisur gehörte, die diese altbackene Haarpracht abgelöst hatte. Die gesamte Omagarderobe war in Säcken zum Roten Kreuz gewandert, die riesigen hautfarbigen Baumwollschlüpfer mit Bein hatte sie durch tolle Dessous in den schönsten Farben ersetzt. Sie hatte ein stattliches Sümmchen vom Sparkonto abgehoben und sich neu eingekleidet. Thomas und seine Margareta hatten Bauklötze über die Verwandlung gestaunt, jedoch nichts gesagt.

      Trotz ihres Alters von 72 Jahren, war Eleonore eine schöne Frau, fand sie. Das Leben als Hausfrau und Mutter hatte ihr viel abgefordert in den vergangenen Jahren. Sie hatte regelrecht gespürt, wie dieses Leben tagtäglich Unze für Unze ihres Sex-Appeals auffraß. Was war zum Schluss von ihr geblieben? Ein einsames, übel aussehendes, verkümmertes Mütterlein, das seine Zeit am Herd verbracht hatte.

      Nun erwachte wieder Leben in ihr. Nach der äußerlichen Veränderung fühlte sie sich mindestens zehn Jahre jünger. Grund für die Veränderung war jedoch nicht das hinterlistige Frauenquartett aus der Seniorenstube, das ging Eleonore sonst wo vorbei. Interessant war für sie einzig und allein das männliche fünfte Rad am Wagen: nämlich Fritz. Fritz brachte Saiten in ihr zum Klingen, die sie längst vergessen geglaubt hatte. Die vier Weiber betrachteten diesen Mann als ihr Eigentum und umgarnten ihn. Komischerweise waren sie dennoch nicht eifersüchtig aufeinander.

      Fritz genoss das. Bei jedem Kompliment, das aus einem der Frauenmünder kam, schwoll ihm der Kamm. Fritz Wennemann war 72 Jahre alt, groß und schlank, dunkelhaarig mit grauen Strähnen. Stets modisch gekleidet und wunderbar duftend. Unter seinen markanten Augenbrauen wachten braune Augen, die wie eine Überwachungskamera hin und her wanderten und denen nichts entging. Sein äußerst charmantes Lächeln setzte er ein, wo immer er es für angebracht hielt, dazu ein flotter Spruch, den er aus seinen schönen Lippen fallen ließ, und die Frauen schmolzen dahin. Er wusste, was weibliche Wesen, besonders die älteren grauen Mäuse, hören wollten. Das hatte er wahrscheinlich in seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Kneipenwirt zigmal getestet. Doch er besaß noch etwas, auf das die Damen scharf waren, und zwar einen silbernen Volvo V70, mit dem er die pfundige Carola Blasius regelmäßig zum Wochenmarkt fuhr, obwohl sie selbst einen fahrbaren Untersatz hatte. Außerdem half er ihr beim Marmelade-Einkochen, die sie anschließend bei Veranstaltungen zugunsten benachteiligter Leute verscherbelte.

      Allein vom Äußeren her war die stets hilfsbereite Carola kein Frauentyp, der zu Fritz passte. Mit ihrem grauen fettigen Haarknoten im Nacken und der verwaschenen Trachtenkleidung am Leib passte sie eher in den Schwarzwald auf einen maroden Bauernhof als in den Kohlenpott.

      Die mollige Angelika Thomas, ebenfalls Trägerin einer Knotenfrisur, erkochte sich das Herz von Fritz mit Rindsrouladen und Stielkottelets. Ihr gehörten der Dienstag und der Donnerstag. Fritz kutschierte sie zum Einkaufen und zum Friseur, der ihr den gefärbten Wischmopp im Nacken aufbrezelte. Eleonores Vorstellungsvermögen reichte nicht aus, um sich Fritz vorzustellen, wie er die biedere Angelika über ihre geblümte Tagesdecke zog und dabei das Haarkunstwerk in Unordnung brachte.

      Die streitsüchtige Petra Halstenbach, die Mineralwasser soff, als bekäme sie dafür einen Preis, fuhr er zum Getränkemarkt und zum Tennis. Auf dem Tennisplatz war Fritz allerdings nur Zuschauer. Er durfte der tollen Petra zusehen, wie sie mit ihrer raspelkurzen grauen Kerlsfrisur altersschwache, sabbernde, arg zitternde Männer zum Match herausforderte. Warum Fritz sich das antat, erschloss sich Eleonore auch nach Monaten nicht.

      Dann wäre da noch die langnasige Ursula Kaminski, die Fritz einmal die Woche zu ihrer Tochter nach Dortmund fuhr. Als Belohnung lud sie ihn auf eine Bottroper Schlemmerplatte in der angeblich besten Pommesbude im Ruhrgebiet ein, in den Distel-Grill in Herten.

      Fritz tat das alles, ohne zu murren, man hatte tatsächlich das Gefühl, er mache das gern. Mit wem er sich heimlich, zu was auch immer, traf, blieb sein Geheimnis. Eleonore musste sich schwer zusammenreißen, um bei den Cafébesuchen, zu denen sie Fritz einlud, nicht über die vier Frauen abzulästern und Hass zu schüren. Kommt Zeit, kommt Hetzen, sagte sie sich. Also lächelte sie nur, starrte auf Fritz’ sehnige Hände mit den gepflegten Fingernägeln und sprach stets Gutes, wenn Fritz sie auszuhorchen versuchte. Immerhin gehörte ihr der Sonntag, was eine große Auszeichnung und den vier Gegnerinnen ein Dorn im Auge war. Stolz ließ sie sich

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