Fröhliches Morden überall. Margit Kruse

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Fröhliches Morden überall - Margit Kruse

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wichtigen Fälle. Dabei schaute sie gelegentlich auf den TV-Bildschirm, um ja keinen Silvesterklassiker zu versäumen: »Dinner for one« oder Ekel Alfred, der sich total hacke Punsch kochte.

      Der gewichtige Pfarrer begrüßte die große Gemeinde. Pfarrer Ansgar Morgenrot gefiel ihr besser.

      Die Predigt zog sich wie Kaugummi. Immer wieder wurden Lieder gesungen, der Chor kam zum Einsatz und Passagen aus der Bibel wurden vorgelesen.

      Nach fast zwei Stunden hatte sie keine Lust mehr, fühlte sich unwohl und durchgefroren. Fritz war sie hier keinen Zentimeter gedanklich nähergekommen. Ob sie die heilige Stätte verlassen und Thomas anrufen sollte, dass er sie abholen möge? Keine gute Idee, fand sie. Er würde ausrasten.

      Endlich erklangen die Glocken, die den Schluss der Messe verkündeten. Eleonore freute sich. Nun aber heim an den warmen Kaminofen.

      4.

      Lothar Voss-Grobe sah sich die Fotos, die er von seinem abgebrannten Stall gemacht hatte, noch einmal genau an, eines nach dem anderen. Seufzend griff er sich mit der rechten Hand in die dunklen Locken. Dann schlug er den Ordner, der vor ihm lag, auf und holte die Zeitungsberichte heraus, um sie erneut zu lesen. Ebenso die Briefe von der Versicherung. Ein gutes halbes Jahr war der Brand jetzt her. Er schaufelte den Kartoffelsalat und die Würstchen, die Mahlzeit, die Ellen ihm hingestellt hatte, in sich hinein. Dazu gönnte er sich ein kühles Bier. Mit seiner Familie im Esszimmer am schön gedeckten Tisch neben dem voluminösen Tannenbaum zu essen, dazu verspürte er keine Lust. Er hörte sie lachen, seine drei erwachsenen Töchter, deren Partner, und dazwischen die ruhige Stimme seiner Frau. Seine Mutter Brigitte, die das kleine Haus auf der Anhöhe hinter dem Hof bewohnte, hatte ihm soeben telefonisch mitgeteilt, dass sie sich auf den Weg zur Kirche machen wollte. Er schaute aus dem Küchenfenster. Dichtes Schneetreiben, einige Flocken blieben an der Scheibe kleben. Bei dem Wetter jagte man keinen Hund vor die Tür, dachte er. Aber er musste gleich in den kalten Stall zum Melken.

      Der Zeitungsbericht der »Westfalenpost« für Schmallenberg verursachte ihm noch immer eine Gänsehaut. Zum Glück waren alle seine Tiere gerettet worden. Noch bevor die Feuerwehr vor Ort gewesen war, hatten die hilfsbereiten Nachbarn Milchkühe, Kälbchen und Kaninchen aus den Ställen gebracht und sie mit Hängern abtransportiert, um sie auf Höfen in der Umgebung unterzubringen. Das Übergreifen des Feuers auf das Wohnhaus hatte verhindert werden können. Der Stall jedoch war lichterloh niedergebrannt. Nur ein Gerippe war übrig geblieben. Der Regen hatte die Löscharbeiten erleichtert. Brandursache war ein Blitzeinschlag.

      Eigentlich sollte Lothar glücklich sein, dass weder Mensch noch Tier Schaden genommen hatten und das Wohnhaus unversehrt war. Die Versicherung hatte gezahlt, doch die Summe reichte nicht aus, um alles wieder so aufzubauen, wie es vorher gewesen war. Ein weiterer Kredit musste her. Schon vor dem Brand hatte es nicht besonders gut um den Hof gestanden, was Lothar sich nicht hatte eingestehen wollen. Die neue Melkanlage war teurer geworden als geplant und musste nachfinanziert werden. Darüber hinaus waren die beiden letzten Sommer viel zu trocken gewesen, sodass noch viel Winter am Ende des Futters übrig war. Kühe waren keine Kostverächter. 50 Kilo Futter pro Tag und Tier und 80 Liter Wasser dazu. Milchkühe zu füttern hatte zur Folge, nicht in kleinen Dimensionen zu denken. 50 hungrige Kühe im Stall bedeuteten, tief in die Tasche zu greifen, wenn man Futter kaufen musste. Also produzierten die Landwirte das Futter selbst. Reichlich Felder, um welches anzubauen, gehörten zum Besitz des Bauern Lothar Voss-Grobe. Leider hatte es in den letzten zwei Jahren dieses gravierende Problem gegeben: das Wetter! Die wahnsinnigen Dürren hatten seine Planung zusammenbrechen lassen. Lothar hatte sich von etlichen Kühen getrennt, was zwar eine kurzzeitige Einnahme bedeutet hatte, jedoch letztendlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen war. Weniger Kühe, weniger Milch, weniger Geld von der Molkerei, mit der er seit Monaten im Clinch lag. Alle zwei Tage wurden 1.700 Liter Milch von der Molkerei abgeholt. 31 Cent bekam er pro Liter. Das war nicht die Welt. Und die Kälbchen, die in regelmäßigen Abständen geboren wurden, brachten beim Verkauf auch nicht mehr so viel ein wie noch vor Jahren. Er war definitiv pleite, wollte es jedoch nicht wahrhaben. Sollte er wie seine Frau Ellen den Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass alles gut werden würde? Oder war es eher so, dass sie diejenige war, die einen kühlen Kopf behielt, wie so oft? Ellen, sein ruhender Pol!

      Die einzige und einfachste Lösung, die er sah, war eine Finanzspritze seiner Mutter Brigitte, mit der er eigentlich ein gutes Verhältnis hatte. Eine gut aussehende, taffe Frau von 75 Jahren, die mit beiden Beinen im Leben stand und äußerst klug war. Deshalb konnte Lothar sie nicht verstehen. Seit fast einem Jahr führte er unendliche Diskussionen mit ihr. Die alte Frau blieb jedoch hart und unerbittlich. Lothar, der große Hitzkopf, war oft kurz davor, sie kräftig an den Schultern zu packen und durchzuschütteln oder ihren Schal, den sie zu Hause ständig um den Hals trug, ordentlich strammzuziehen. Sie hatte vor fünf Jahren von ihrer Tante eine stattliche Summe und zwei Immobilen geerbt, eine davon lag direkt am Bodensee. Sybille war nicht ihre richtige Tante gewesen. Aber da sie kinderlos geblieben war, hatte seine Mutter die nicht vorhandene Tochter ersetzt. Schon als junges Mädchen hatte Brigitte viel Zeit bei der Frau verbracht und das auch beibehalten, als sie geheiratet und Kinder zur Welt gebracht hatte. Lothar hatte diese knochige, äußert geizige Sybille gehasst.

      Als vor drei Jahren Lothars Vater verstarb und der Hof endlich auch auf dem Papier an den Sohn ging – seine Schwester war in jungen Jahren verstorben –, hatte Brigitte ihm unmissverständlich klargemacht, dass das Erbe ihrer Tante einzig und allein ihr gehörte. Lothar war davon überzeugt, dass es Mittel und Wege gab, um an dem Geldsegen teilhaben zu können. Er scheute jedoch den Gang zum Anwalt und hoffte immer noch, dass seine Mutter zur Vernunft kommen würde. Obwohl sie ihm, als er ihr vermittelt hatte, dass es schlecht um den Hof stand, kein Geld geben, nicht einmal leihen wollte. Sie war stur geblieben, hatte sich stattdessen erst einmal einen neuen Golf gekauft. Sie strotzte nur so vor Gesundheit und lebte mit Sicherheit noch lange, was Lothar ihr ja gönnte. Doch ihr fettes Erbe, wenigstens ein Teil davon, würde dem Hof guttun. Wie er sie kannte, hatte sie im Testament eine seiner Töchter bedacht, er würde nur seinen Pflichtteil bekommen. Das war besser als nichts, sagte er sich. Wieso blieb sie nur so stur? Ihr müsste doch auch am Erhalt des Hofes gelegen sein. Der Hof war seit Generationen im Familienbesitz.

      Er brauchte eine Finanzspritze, so viel stand fest. Und zwar bald, sehr bald! Möglichst gestern. Er war froh, dass die Weihnachtstage vorbei waren. Diese Schöntuerei, diese Rennerei für nichts. Mutter Brigitte war mit ihrer Cousine Klara aus Meschede bei ihm aufgekreuzt und hatte sich an beiden Tagen durchgefressen. Ellen war mit hochrotem Kopf durch die Gegend gehetzt, um köstliche Mahlzeiten auf den Tisch zu bringen. Die Grazien hatten die Kinder samt Partner, Ellen und ihn mehr als großzügig beschenkt. Seine Töchter hatten richtig abkassiert und obendrauf noch je 500 Euro von der Oma bekommen, die sie natürlich gut gebrauchen konnten. Dagegen waren seine 200 Penunzen nichts. Die retteten den Hof nicht. Okay, ein Schlafanzug von Tchibo hatte für ihn noch unter dem Tannenbaum gelegen. Blau mit breiten weißen Streifen. Darin würde er wie ein Trottel aussehen. War sie denn so blind? Oder gar blöd? Er glaubte eher an Letzteres. Oder wollte sie die Tatsachen nicht sehen? Oder ihn ärgern?

      Am Heiligen Abend hatte sie sich morgens einen Streit mit Michael Vogt geliefert. Er fuhr gelegentlich den Molkereiwagen, der Lothars Milch abholte. Eigentlich ein verträglicher Zeitgenosse, dieser Michael. Er lebte in Bödefeld und betrieb eine kleine Landwirtschaft im Nebenerwerb. Ein großer stabiler Kerl von 1,90 Meter und mindestens drei Zentner Lebendgewicht. Seine Ländereien grenzten am Voss-Grobe-Anwesen, an einem Stück Land, das Mutter Brigitte gehörte und nicht genutzt wurde, weil sie sich nicht entscheiden konnte.

      Michael würde es ihr gerne abkaufen, um das Land für seine Pferde zu nutzen. Jahrelang schon war er scharf darauf. Er wollte eine Reitbahn anlegen, das war sein Traum und würde ihm zusätzliche Einnahmen bringen. Wie oft hatte er sich in der gemeinsamen Stammkneipe an Lothar gewandt, der nur mit den Schultern zuckte. In der Sache waren ihm die Hände gebunden. Dieses Stückchen Erde gehörte seiner Mutter. Weshalb das so war, wusste

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