Sehnsucht nach Glück - im Gestern, im Morgen, im Jetzt!. Ilona M. Fudali
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Sie fühlte sich beschämt, denn nun wurde ihr klar, er hat an der Tür alles mitgekriegt. Er dachte jetzt bestimmt von ihr, sie sei völlig übergeschnappt so wie sie da vor sich hin heulte. Sie hatte Angst, er würde sie auslachen, sie verspotten und nicht verstehen. Jetzt nur noch nach Hause gehen, dachte sie sich und wurde nur noch schneller im Gang bis sie rannte.
„Jule!!!“, rief er ihr nach, „Jule, warum rennst Du weg? Warte doch, ich möchte Dir etwas sagen!“ Sie sah sich hastig um, er lief ihr tatsächlich nach. „Warum machte er das?“, fragte sie sich, warum stellte er ihr das Leben auf dem Kopf und machte alles nur noch komplizierter als es schon selber war? Warum verschwand er nicht einfach und ließ sie nicht in Ruhe? Sie hatte doch keine Kraft mehr und nun, wie verteufelt, kriegte sie auch noch die riesige Ausgangstür der Schule nach draußen nicht auf. Schnell, dachte sie sich, bevor er mich einholt. Sie drückte und stemmte die Tür, sie schob und stieß diese. Doch die Tür rührte sich nicht von der Stelle. Die Kraft verließ sie, so dass sie schließlich der Kraftlosigkeit nachgab. Resigniert sanken ihre Hände nach unten. Gleich würde er sie einholen. Wie in eine Ecke gedrängt, wie gefangen fühlte sie sich. Gleich wird sie die riesige Welle überrollen und sie wird vor Scham und Angst untergehen. Sie fühlte sich hilflos und wie ein Opfer ihrem Täter ausgeliefert. Sie kniff die Augen fest zusammen.
„Warte, ich helfe Dir“, klang es nun sanft hinter ihrem Rücken. Er hat sie eingeholt und nun legte er seine Hand auf ihre Schulter und drehte sie zu sich um. Er hob ihr Kinn hoch und lächelte ihr aufmunternd zu. Vorsichtig machte sie die Augen auf und sah in seine leuchtenden Augen. Sie waren so strahlend und tief blickend. Er streichelte zart ihr Gesicht und drückte sodann die vorhin so schwere und klemmende Tür mit einem Ruck nach vorne weg. Mit prüfendem und fragendem Blick schaute sie ihn an und fragte verwundert, nachdem sie ihre Stimme wieder gefunden hat: „Woher kennst Du eigentlich meinen Namen?“ Sie standen noch immer im Eingang. Der Junge schwieg. Seine Augen umarmten ihr Antlitz. Er nahm vorsichtig ihre Hand und sagte nur: „Komm, lass uns gehen.“ Sie zögerte, gab ihm aber ihre Hand. Sie gingen langsam ein paar Schritte vor die Tür. Doch ein Gefühl des Unbehagens breitete sich in ihr aus, so dass sie seine Hand losließ und sich gezwungen sah zu sagen: „Ich kann nicht mit dir weitergehen.“ Sie blieben stehen. Die Stille und die Ratlosigkeit, Worte zu finden machten beide verlegen. Sie klammerte sich mit beiden Händen an ihre mit Butter beschmierte Tasche, während er schnell seine Hände in den Hosentaschen verschwinden ließ. Ihre Blicke wanderten zwischen Boden und Ihren Gesichtern. Nach einer Weile fingen sie plötzlich ohne Vorahnung den gleichen Satz an: „Ich … ähh … schon gut.“ und fingen erleichtert an zu lachen. Nach einer Weile sagte sie schließlich: „Ich muss gehen.“ „Ja“, antwortete er. Sie schwankte noch vom rechten Fuß auf den linken, drehte sich um und ging dann los. Bevor sie um die Ecke einbog, drehte sie sich noch einmal um und rief zu ihm hinüber: „Wie ist denn eigentlich dein Name?!“
„Ferdinand!“, rief er zurück.
Er stand immer noch wie angewurzelt da, mit den Händen in den Hosentaschen. Er sah noch, wie sie ihn anlächelte, bevor sie ganz um die Ecke verschwand.
Wird er sie nach den Ferien wieder sehen?
Es war ziemlich ruhig um Jule herum. Ab und zu fuhren nur irgendwelche Autos oder Busse vorbei. Sie war auf dem Weg nach Hause. Dieses Mal zu Fuß, da sie doch ihre Monatskarte für den Bus nicht bei sich hatte. Aber im Nachhinein kam ihr das wie gelegen. All die Dinge, die sie momentan tief berührten, konnte sie jetzt in Ruhe für sich verarbeiten. Hier gab es keine Glubschaugen mehr, wie heute Morgen und keine Überraschungen, wie den Ferdinand, jedenfalls hoffte sie das zumindest. Jeden Tag fuhr sie diesen Weg entlang, doch musste sie feststellen, vieles war ihr vorher nicht aufgefallen. Sie nahm nicht wahr, welche Gebäude, Menschen, Geschäfte und welche Gewohnheiten diese Straßen, die zu ihrem Haus führten, zu erzählen hatten. Die Sonne strahlte sie an; machte das Gehen etwas schwerfälliger. Kaum vorstellbar, dass es erst Frühling war. Aber Jule fühlte nicht die Wärme, sondern vielmehr die immer noch so große Leere in sich, und irgendwo ganz tief Trauer. Sie setzte sich auf eine Bank und holte erst einmal ganz tief Atem, der immer zu knapp zu sein schien. Sie dachte über Ferdinand nach. So war doch sein Name, nicht wahr? Er war ganz nett, aber sie wusste nicht so recht welchen Platz er in ihrem Leben einnehmen sollte. Sie hatte etwas Angst, ihn näher kennenzulernen. Es tat nämlich weh, wenn man Menschen an sein Herz ließ. Es schmerzte zu sehr, wenn sie dann wieder plötzlich aus dem eigenen Leben verschwanden und nicht mehr auftauchten. So wie ihre Oma. Sie musste ganz oft an sie denken. Ihre geliebte Oma. Seit ihrem Tod fehlte etwas Entscheidendes in Jules Leben, was nie mehr zu ersetzen war. Alles ging ganz schnell, damals, vor einem Jahr. Die plötzliche Nachricht vom Krebs, die Diagnose Endstadium, die kurze Therapie, bei der jeder wusste, es gibt keine Hoffnung mehr. Es war eine schwere Zeit für alle. Jule konnte es trotz ihrer 15 Jahre immer noch nicht begreifen. Ihre Oma ist verstorben. Sie war ein ganz besonderer Mensch, eine verwandte Seele, immer ein leuchtender Stern am Horizont, der mit einem Mal verloschen war und nie mehr zurückkommen würde. Tränen quirlten in ihren Augen auf. Sie wusste keinen Trost für sich. Sie fühlte sich so einsam. Ihre unerfüllte Sehnsucht nach dem, was sie mit ihrer Oma teilte, machte sie schwach und antriebslos. Sie würde nie wieder die gleiche Freude erlangen wie zuvor. Ihre Schultern hingen herab und sie hatte keine Lust jetzt in die leere Wohnung zu gehen. Ihre Mutter würde erst abends von der Arbeit kommen und die Schularbeiten mussten auch nicht dringend erledigt werden, da am folgenden Tag das Wochenende kam. Während Menschen von links und rechts an ihr vorbeigingen, saß sie auf der Bank, wie hinter einem Nebelschleier abwesend. Sie beachtete wieder nicht den alten gebeugten Mann mit der Einkaufstasche, der sich jetzt neben sie setzte, eine Zeitung aufschlug und begann in ihr zu lesen.
Erst nach einer Weile räusperte sich der Mann und fragte Jule: „Entschuldigen sie junge Frau, könnten sie mir sagen, wie spät es ist?“
Jule schaute überrascht auf, sah auf ihre Uhr und antwortete dann nur unbekümmert: „Es ist gerade zwanzig Minuten nach eins.“
„Danke“, gab der alte Mann zurück und vertiefte sich wieder in seiner Zeitung. Unbeteiligt fiel Jules Blick auf das aufgeschlagene Zeitungsblatt und wanderte über die großen Schlagzeilen. „Die Arbeitslosigkeit steigt!“, „Hilfe für Opfer im Erdbebengebiet“, „Mutter zweier Kinder wurde entführt“ … Jule schüttete nur den Kopf, schaute den Mann von der Seite an und konnte sich auf einmal eine Frage nicht verkneifen: „Entschuldigen sie, aber entsetzen sie diese vielen negativen Schlagzeilen nicht?“
„Wie bitte?“
„Ich möchte sie fragen, wie sie so ruhig die Zeitung lesen können, wenn die eine Nachricht schlimmer klingt als die andere. Wie schaffen sie es gelassen zu sitzen und nicht zu verzweifeln? Packt sie nicht die Hoffnungslosigkeit?“
Der Mann lachte kurz auf.
„Haha. Aber nein. Nicht doch. Dafür lebe ich schon zu lange, um zu wissen, dass das nicht alles im Leben ist. Auch wenn mich die düsteren Nachrichten oft treffen, verzweifle ich nicht. Ich weiß, dass alles einen Sinn hat. Ich glaube an das Leben. Ich glaube daran, dass alles sich zum Guten wendet.“
Jule war nicht zufrieden mit der Antwort.
„Aber schauen sie, diese vielen Leute verlieren Arbeitsplätze, geliebte Menschen oder auch Sachen, an die sie gebunden waren. Bei diesen Leuten entsteht Unsicherheit und Angst um die eigene Existenz. Sie haben keine Kraft, um weiter zu leben. Wenn sie selbst das erleben würden, würden sie dann immer noch so optimistisch daher reden und ihres Lebens froh sein?“
Der Mann machte ein nachdenkliches Gesicht, kniff die Augen zusammen und schaute Jule durchdringend an.
„Ich will ihnen nicht zu nahe treten, junge Lady, aber ich sehe, sie nehmen das