Bauchgefühl & Gottvertrauen. Guido Cantz
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Ich habe nicht ernsthaft damit gerechnet, dass sich daraus etwas ergibt. Typisches Kneipengespräch, dachte ich, vielleicht wollte er ja nur nett sein. Ich konnte ohnehin nicht zu Hause um das Telefon herumschleichen und bei jedem Klingeln hoffen, dass endlich Peter Raddatz anruft, um mir mitzuteilen, dass ihn noch nie zuvor ein Video so begeistert habe. Zu dieser Zeit war ich nämlich noch beim Bund, mein Wehrdienst ging in die Endphase und ich musste schon morgen zurück in die Kaserne.
Ein paar Wochen später, an einem Freitagnachmittag, weckte mich dann aber meine Mutter und streckte mir das Telefon entgegen. Ich war zwei Stunden zuvor von meiner Woche beim Bund zurückgekehrt und hatte mich wie jedes Mal kurz hingelegt.
„Ja, hier Raddatz, ich habe doch gesagt, ich melde mich mal. Ich würde dich gerne mal in Köln vorstellen beim Stammtisch Kölner Karnevalisten. Da bin ich Mitglied und die suchen immer Nachwuchs. Hättest du Lust dazu?“
Natürlich hatte ich Lust. Ich fuhr also zu dieser Versammlung, die an einem Samstag in einem Lokal namens „Zum Jan“ stattfand. Ich ging die Treppen hinab ins Kasino des Reiterkorps „Jan von Werth“ im Keller, in dem auch heute noch regelmäßig das Tanzkorps trainiert und einmal im Monat die Karnevalisten tagen. Dort saßen die Karnevalsprofis an einer langen Tischreihe und hinten im Eck entdeckte ich eine kleine Bühne, auf der ich gleich mein Können zeigen durfte.
Erstaunlicherweise war ich vor meinem Auftritt wenig nervös. Ich hatte nicht das Gefühl, dass von der kommenden Viertelstunde meine Zukunft abhängen würde. Im Nachhinein wundere ich mich, wie unbedarft ich diesen Auftritt anging, aber vielleicht lag genau darin das Geheimnis. Ich tat einfach, was ich immer tat und war gespannt, was die Experten hinterher dazu sagen würden.
Heute wäre ich wahrscheinlich aufgeregter als damals, denn mittlerweile verunsichern mich nur dreißig Menschen im Publikum mehr als 3.000.
Die Reaktionen der Karnevalisten waren nicht enthusiastisch, aber doch sehr positiv. Menschen, die selbst seit Jahrzehnten auf der Bühne stehen, wird man selten komplett überrascht erleben, dafür haben sie einfach über die Zeit schon zu viel gesehen. Mein Auftritt hatte nur einen einzigen Fehler: Er geschah eindeutig zu spät. Für den großen Vorstellabend im Oktober, bei dem sich neugierige Karnevalsjecken und die Literaten der unterschiedlichen Gesellschaften versammelten, um die neuen Talente unter die Lupe zu nehmen, war der Zug bereits abgefahren. Das Programm war fix und fertig und es gab beim besten Willen keine Lücke mehr. Man verabschiedete mich daher mit den Worten: „Du musst nächstes Jahr noch mal wiederkommen.“
Heute verunsichern mich dreißig Menschen mehr als 3.000.
Peter Raddatz hat mich nicht vergessen
Für mich war die Sache erst mal abgehakt, aber Peter Raddatz hatte mich zum Glück weiter auf dem Schirm. Als 1991 der Karneval aufgrund des Golfkriegs abgesagt wurde und damit ein Großteil der Sitzungen, der Straßenkarneval und die Züge ausfielen, beschloss der amtierende Karnevalsprinz von Porz, im wahren Leben Gastronom, an Karnevalsdienstag zum Abschluss der Session in seiner eigenen Kneipe ein Programm auf die Beine zu stellen. Raddatz brachte mich dort ins Gespräch und vermittelte mir den Auftritt. Als Versicherungsagent wusste er bestens Bescheid, wie man anderen etwas verkauft. Und ich war froh zu sehen, dass er mich nicht vergessen hatte und ganz offensichtlich immer noch fördern wollte. Seine Verlässlichkeit, die er als mein Fürsprecher an den Tag legte, ist der wichtigste Grund, warum ich diesen Weg einschlagen konnte. Er ist mein „karnevalistischer Ziehvater“, dem ich sehr dankbar bin, auch wenn er selbst sein Engagement immer ein bisschen runterspielt und sagt: „Das, was du da im Fernsehen machst, hab ich doch alles gar nicht erlebt. Für mich war die Bühne immer nur ein Nebenjob neben meinen Versicherungen.“
Im Frühjahr erinnerte Raddatz seine Vereinskollegen vom Stammtisch Kölner Karnevalisten an ihr Versprechen, mir in diesem Jahr noch mal eine Chance zu geben. Im Juni 1991 hatte ich also meinen zweiten Auftritt vor den Profis und wurde hospitierend in den Verein aufgenommen. Insgesamt dauert so eine Hospitanz zwei Jahre, letztlich ist das nur ein etwas blumigerer Ausdruck für eine schlichte Probezeit. Man möchte eben sicherstellen, dass ein neues Mitglied weder silberne Löffel klaut noch nach seinen Auftritten marodierend durch die Kneipen und Säle zieht. Doch im ersten Schritt ging es darum, mich als würdig zu erweisen für die Vorstellabende im Oktober.
Ich bestand diesen Test und nun nahte der besagte Auftritt, den ich heute als meinen offiziellen Start im Karneval betrachte. Der unvergessene Freitagabend im Saaltheater Geulen in Aachen-Eilendorf. Mein Einstand vor 1.000 Zuschauern.
Eine Woche später dann die Steigerung: Im ausverkauften Sartory-Saal in Köln stand ich am Samstag- und Sonntagabend jeweils 1.200 Zuschauern gegenüber. Der „Mann für alle Fälle“ konnte auch in seiner Heimatstadt überzeugen.
Was nach diesen Auftritten passierte, erscheint mir auch heute noch unwirklich, fast wie aus einem amerikanischen B-Movie. Genauer gesagt meine ich diese fünfminütige Szene, in der alle den Außenseiter, der vorher 85 Minuten lang nur rumgeschubst wurde, plötzlich als Held feiern, weil ihm irgendwas Besonderes gelungen ist. Das entsprach zwar nicht meiner Geschichte, aber das Gedränge vor meiner Garderobentür schien mir direkt aus einem solchen Film zu stammen. Literaten der unterschiedlichen Karnevalsgesellschaften hatten sich dort versammelt und fragten aufgeregt: „Wie können wir Sie denn engagieren, wo können wir Sie denn buchen?“
Ich war mit der Situation überfordert, doch zum Glück behielt Peter Raddatz einen kühlen Kopf und sagte ganz entspannt: „Du lässt dich jetzt gar nicht buchen, die Leute sollen dich anrufen.“
Und das taten sie. In den folgenden drei Tagen stand das Telefon nicht still. Mein Bruder war schon genervt, weil der Rest der Familie nicht mehr telefonieren konnte. Ich wurde von den Terminanfragen tatsächlich überrollt. Die positiven Kritiken in den Kölner Zeitungen dürften ihren Teil dazu beigetragen haben. Der Kölner Stadt-Anzeiger schrieb:
„,Super, ey, echt super!‘, tönte es am Samstagabend im großen Sartory-Saal. War da etwa schon wieder der neue Star am Kölner Kabaretthimmel Tom Gerhardt zugange? Falsch getippt. Guido Cantz heißt der Ulkvogel, der als ‚Mann für alle Fälle‘ 1.200 Zuschauern Tränen in die Augen trieb. Der größte Wunsch des jungen Büttenredners und Parodisten auf den traditionellen Karnevalssitzungen ist, das verwöhnte Publikum in Stimmung zu bringen. Dazu hat er am Samstag beim Vorstellabend den Grundstein gelegt.“2
Tom Gerhardt war zu dieser Zeit mein neuer Held unter den Komikern. Später sollte er als „Hausmeister Krause“ eine der ersten und mit achtzig Folgen auch eine der am längsten laufenden deutschen Sitcoms auf den Fernsehschirm bringen.
Ich hatte 1988 gleich zu Beginn seiner Karriere sein Programm „Dackel mit Sekt“ gesehen, in einem Bürgerhaus bei uns in der Nähe. Ich bin schier ausgerastet. Das was der Mann da auf der Bühne tat, seine Figur des Proleten Tommie, das war neu und anders. Ich dachte: „Wie toll ist das denn? So was will ich auch machen!“ Ich hatte allerdings ein schlechtes Gewissen, wenn ich meinerseits einfach so Passagen im Stil von Tommie auf der Bühne präsentierte. Also schrieb ich Tom Gerhardt einen Brief und fragte ihn, ob er damit einverstanden sei, dass ich ihn parodierte.
Als Antwort bekam ich eine Postkarte, auf der stand: „Es ist mir eine Ehre.“ Darüber war ich wirklich glücklich, denn während Otto Waalkes in jüngeren Jahren meine