Bauchgefühl & Gottvertrauen. Guido Cantz
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Es war zermürbend! Jeden Tag neue Tests, die keine eindeutigen Ergebnisse erbrachten und dazu die andauernden, heftigen Schmerzen. Die Erleichterung darüber, dass mein Fieber nicht mehr lebensbedrohlich war, geriet allmählich in den Hintergrund. Mein Zustand war schließlich nach wie vor schlecht. Jede Bewegung schmerzte und eine Besserung schien nicht in Sicht.
Ich wollte endlich Klarheit, ich wollte die Nachricht hören: „Ja, Sie kommen wieder in Ordnung, Sie stehen bald wieder auf dem Fußballplatz und auf der Bühne.“
Die Stimme ist mein wunder Punkt
Dass mein Körper nicht mehr mitspielen und meine Pläne durchkreuzen könnte, war mir seit zwei Stimmband-OPs in den Jahren 1991 und 1992 durchaus bewusst. Durch viele Auftritte und die Parodien hatte ich meine Stimmbänder überanstrengt und es hatten sich sogenannte Sängerknötchen gebildet. Im Zuge der beiden Operationen wurden sie abgeschält, erst auf der linken, dann auf der rechten Seite. Ein Eingriff, den man nicht unbegrenzt oft wiederholen kann.
Als meine Stimme das erste Mal den Dienst versagte, war ich noch bei der Bundeswehr. Beim zweiten Mal bekam ich meine Heiserkeit bei einem Karnevalsauftritt auf einer Radiositzung des Westdeutschen Rundfunks (WDR) an Weiberfastnacht nicht mehr richtig in den Griff.
In den beiden Aufklärungsgesprächen wurde ich über die Risiken des Eingriffs informiert, dass bei der Operation meine Stimmbänder schlimmstenfalls dauerhaft beschädigt werden könnten. Was wäre also, wenn ich meinen ersten Satz sprechen würde und mir meine Stimme nicht mehr gehorchte? Dann wäre alles, was ich mir gerade aufgebaut hatte, mit einem Schlag wieder vorbei.
Nach den Eingriffen durfte ich jeweils fünf Tage lang nicht reden, ich habe nur schriftlich kommuniziert und war hochnervös. Ist alles in Ordnung? Ich versuchte, optimistisch zu bleiben und den Gedanken an den in diesem Moment größtmöglichen Albtraum wegzuschieben, aber die Wartezeit war trotzdem schwer auszuhalten. Ich konnte nur abwarten, hoffen und beten.
In meine junge Karnevalskarriere war ich damals voller Elan gestartet. Ich hatte ja keine Ahnung, dass so etwas wie schonendere Sprechtechniken überhaupt existierten. Hinzu kam, dass es damals in den Sälen noch kein Rauchverbot gab. Ich erinnere mich an Wochenenden, an denen ich am Sonntagvormittag – nach sieben Auftritten am Samstag – noch recht heiser auf der Bühne stand und in der ersten Reihe direkt unter mir jemand Zigarre rauchte. Zigarren waren bei Herrensitzungen damals ähnlich angesagt wie heute Smartwatches, die ihre Träger als fitte Leistungssportler auszeichnen sollen. Andere Zeiten, andere Statussymbole. Mit dem kalten Rauch in der Nase und einem Kratzen im Hals kämpfte ich mich durch die zwanzig Minuten meines Programms und freute mich auf die frische Luft draußen.
Abends im Bett fühlte ich mich dann manchmal selbst wie ein starker Raucher. Ich spürte einen Druck auf der Brust, als hätte jemand eine steinerne Gehwegplatte darauf abgelegt. Und das, obwohl ich die erste Zigarette meines Lebens erst im Alter von über vierzig Jahren probiert habe und nach übereinstimmender Meinung meiner Frau und meiner Managerin dabei peinlich aussah.
Bei einer Atem-, Stimm- und Sprechtherapeutin lernte ich nach den beiden Operationen meine Stimme ökonomischer einzusetzen. Seitdem inhaliere ich auch während einer Tournee oder der Session regelmäßig mit Salzwasser und absolviere vor dem ersten Auftritt ein paar Aufwärmübungen für die Stimmbänder. Bis heute ist die Stimme allerdings meine Schwachstelle, wenn ich krank werde, beginnt es immer mit Halsschmerzen und Heiserkeit.
Plötzlich hilflos
Die Stimmbandoperationen hatten mir meine Verletzlichkeit vor Augen geführt, doch dieser Krankenhausaufenthalt war von einer ganz anderen Qualität. Zwar versuchten alle Beteiligten, sich nicht anmerken zu lassen, wie besorgt sie in Wirklichkeit um mich waren, doch da sie keine professionellen Schauspieler waren, blieb mir das nicht verborgen.
Ich war völlig hilflos. Mit gerade mal 25 Jahren war ich auf einmal darauf angewiesen, dass mich Schwestern und Pfleger in meinem Alter oder sogar jünger wuschen. Ich lag da wie ein nasser Lappen, hatte einen Blasenkatheter und obwohl ich mich nicht so schnell geniere, war mit das unendlich peinlich.
Ich arbeitete selbstständig, verdiente mein Geld selbstständig, doch plötzlich war von meiner Selbständigkeit nichts mehr übrig. Mir das einzugestehen, fiel mir zunächst nicht leicht. Hilflos zu sein, widersprach zutiefst dem Bild, das ich von mir selbst hatte. Ich war der „Mann für alle Fälle“ und der Sportler, der vor zwei Wochen noch in der Landesliga gekickt hatte. Wie war ich nur in diese Lage geraten?
Nachts konnte ich kaum schlafen, nicht nur weil sich das Gedankenkarussell im Kopf unaufhörlich drehte. Hinzu kam, dass in meinem Fünfbettzimmer niemals wirklich Ruhe einkehrte. Ein Mitpatient stöhnte fast ununterbrochen, ein anderer riss sich immer wieder die Zugänge aus dem Arm und eines Nachts erlitt wieder ein anderer einen Herzinfarkt. Wäre ich nicht tagsüber in meinen Erschöpfungsschlaf versunken, hätte ich die Zeit nur schwer durchgestanden.
Immer wieder gingen mir quälende Fragen durch den Kopf: Was ist, wenn das alles nie mehr wieder in Ordnung kommt? Wenn du nicht zurück auf die Bühne kommst? Nie wieder Fußball spielen kannst? Wenn die Dinge, die dir am meisten Freude machen in deinem Leben für immer passé sind?
Ich neige nicht zur Schwarzmalerei, aber mein Zustand begann mir Angst zu machen. Ich war ins Krankenhaus gegangen mit der Aussicht, nach einem simplen Routineeingriff unbeschwert in mein altes Leben zurückzukehren, nun aber war mein Leben an sich infrage gestellt. Wollte der liebe Gott mich etwas auf die Probe stellen? Wollte er vielleicht testen, ob diese Krankheit mein Vertrauen in ihn erschüttern könnte? – Nein, das entsprach nicht meinem Gottesbild.
Irgendwann wich meine Verzweiflung und verwandelte sich Schritt für Schritt in Trotz. Da war es auf einmal wieder, dieses: „Guido, du schaffst das schon!“ Und ich weigerte mich, einen Plan B für mein Leben zu entwickeln. Nicht nur für die Zeit im Krankenhaus, sondern auch für danach. Nein, sagte ich mir, wenn ich hier raus und wieder auf die Beine käme, dann würde ich das machen, wofür ich am meisten brannte. Keine faulen Kompromisse oder halbherzigen Versuche, in irgendeinem Beruf zu landen, der nur dazu diente, meine Verwandtschaft zu beruhigen. Ich wollte auf die Bühne und in Zukunft Entertainer sein.
ich weigerte mich, einen Plan B für mein Leben zu entwickeln.
Blicke ich heute auf mein bisheriges Leben zurück, dann hatte sich dieser Wunsch eigentlich schon immer abgezeichnet. Egal ob ich in einer Band Schlagzeug spielte, Hauptrollen im Schultheater übernahm oder bei Familienfeiern die Erwachsenen unterhielt: Ich stand einfach gern im Mittelpunkt und genoss dieses Gefühl, dass andere Spaß an dem haben, was ich tat.
Allerdings hinkte mein körperlicher Zustand meiner inneren Aufbruchstimmung erst mal noch weit hinterher, was folglich wieder meine Ängste schürte, dass ich nicht vollständig genesen könnte. Allein das Aufstehen war immer noch streng verboten. Ich habe dann irgendwann die Schwestern und Pfleger fast angefleht, mich doch wenigstens mit dem Rollstuhl zur Toilette fahren zu lassen, damit ich nicht auch noch die Bettpfanne benötigte. Sie waren so nett, mir das zu ermöglichen, auch wenn das für sie sehr viel mehr Arbeit bedeutete.
Als es mir dann ein bisschen besser ging, hatte ich plötzlich das Bedürfnis, endlich mal wieder ein Getränk mit Geschmack zu genießen. Meine Versorgung mit Flüssigkeit regelte eigentlich der Tropf. Plötzlich bildete ich mir ein, unglaublich