Der Pontifex. Karla Weigand

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Der Pontifex - Karla Weigand

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seligmachende heilige Kirche zu vergießen und zu opfern!“

      Da zuckten einige regelrecht zusammen. Was meinte der Heilige Vater damit? Redete er etwa einem neuen Kreuzzug das Wort, bei dem das Blut der Ungläubigen vergossen werden soll?

      Aber bereits der nächste Satz aus Leos Mund ließ die meisten Aufgeschreckten ziemlich beruhigt auf ihre Sitze zurücksinken. Hatte der Papst, (der allerdings ein fantastisches Italienisch spricht), in heiligem Eifer womöglich nur die falschen Begriffe gewählt, als er so pathetisch die Floskel vom „Blutvergießen“ in den Mund nahm?

      „Nur wer den eigenen Tod nicht fürchtet und sich Jesus, den Sohn Gottes zum Vorbild nimmt, wird am Ende die Siegespalme erringen und kann den Teufelskreis der Gottlosigkeit durchbrechen, der sich mittlerweile auf dem Erdkreis ausbreitet; und er wird letztlich dafür sorgen, dass nicht irgendwelche ‚Ersatzgötter’ das Sagen haben werden, oder schließlich gar der Islam das Rennen macht!“

      Also ein edler Wettstreit der Religionen und nichts mehr von „Leben opfern“ und „Blut vergießen“ …?

      Die markigen Worte fallen bei einigen der anfangs geschockten geistlichen Zuhörer erstaunlicherweise auf fruchtbaren Boden. Angesteckt und überwältigt von den kraftvollen Einlassungen des charismatisch wirkenden Papstes würden diese wenigen alles, wirklich alles, dafür tun, um seine Botschaft zu verbreiten.

      So in etwa hören sich zumindest ihre allerersten Kommentare an. Genau das nehmen sich diese wenigen kirchlichen Würdenträger vor, getragen von einer nie gekannten Euphorie, die der frisch gekürte Heilige Vater in ihnen geweckt hat. Allerdings gibt es auch zahlreiche Kenner des menschlichen Herzens, das man in aller Regel zu Recht geschlagen weiß mit Trägheit, Klein- und Wankelmut; und diese Kenner ahnen, dass die Wirkung dieser päpstlichen Ansprache mehr oder weniger im Sande verlaufen wird.

      Ob „der Neue“ sein Pulver etwa schon verschossen hat?

      EHRFURCHTSVOLLER ALTARKUSS

      „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hilfe kommt.“

      (Psalm 121)

      „Ecclesia semper reformanda!“

      „Dass die Kirche immerfort reformiert werden müsse, ist eine Binsenweisheit, aber was Leo XIV. in seiner Predigt einfordert, ist kein Fortschritt, sondern das genaue Gegenteil!“, behaupten die Gegner. Und überhaupt:

      „Tatsächlich würde es einer übermenschlichen Anstrengung bedürfen, um das schwerfällige Rad der Geschichte kraftvoll zurückzudrehen, um damit den schleichenden, sich neuerdings zunehmend beschleunigenden Niedergang der Kirche aufzuhalten.

      Eine einzige Ansprache, und sei sie noch so aufrüttelnd, vermag solches nicht zu leisten. Da müsste schon Gewichtigeres hinzukommen …“, meinen die Skeptiker.

      „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.“

      (Matthäus, 11, 28–30)

      Es ist kein Geheimnis: Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist der Mitgliederschwund der katholischen Kirche geradezu beängstigend. Und er hält noch immer an, ja, er scheint derzeit noch an Popularität zu gewinnen.

      Die „Vernünftigen“, jene Leute, die sich dafür halten und nicht bereit sind, sich „intellektuell gängeln“ zu lassen, ja, die es sich verbitten, wie Kleinkinder behandelt zu werden, indem man sie mit Märchen von „vaterloser Zeugung“, Jungfrauengeburt, Auferstehung von den Toten, dubiosen „Himmelfahrten“, der „Dreifaltigkeit(?) Gottes“ und fragwürdigen „Wundertaten“ abspeisen möchte, treten in Scharen aus der kirchlichen Gemeinschaft aus, wollen diesen Schritt demnächst vollziehen – oder werden erst gar nicht Mitglied.

      „Dazu kommt, dass ‚der moderne Mensch’ es heute nicht mehr hinnimmt, in seiner ganz privaten Lebensführung eingeengt und bevormundet zu werden, indem man ihm beispielsweise außereheliche sexuelle Beziehungen verbietet, ihm aber gleichzeitig Scheidung und spätere Wiederverheiratung als ‚schwere Sünde’ ankreiden will und ihn obendrein ‚zur Strafe’ von allen Sakramenten ausschließt“, moniert sogar ein als erzkonservativ angesehener Erzbischof aus Palermo, von dem gleichzeitig bekannt ist, dass er beste Beziehungen zur Mafia, der „Ehrenwerten Gesellschaft“, unterhält …

      „Irren ist menschlich! Das weitere Zusammenleben mit einem im Verlauf der Ehe sich als unpassend erweisenden Partner sowie der Verzicht auf eine Verbindung mit einem anderen geliebten Menschen, darf nicht verlangt werden, weil es die Betreffenden nur unglücklich macht. Und“, doziert Vincente Camilleri mit erhobenem, von der Gicht verkrümmtem Zeigefinger, „es gilt vor allem, das Unglücklichsein während der begrenzten Lebenszeit zu vermeiden!“

      Damit bestätigt der hohe geistliche Herr die Maxime der säkular eingestellten Menschheit: „Jeder hat das Recht, glücklich zu sein!“ Sogar vom letzten Dalai Lama ist überliefert, er glaube, „der einzige Sinn des Menschen auf Erden ist, glücklich zu sein!“

      Das Gleiche behaupten mittlerweile selbst viele katholische Geistliche – allerdings vornehmlich die aus den unteren Rängen. Die aus den oberen tragen im Allgemeinen ganz selbstverständlich selbst Sorge für ihr eigenes Wohlergehen und ihre persönliche Zufriedenheit.

      Ein weiterer Gemeinplatz lautet: Für die Kirche ist es, profan ausgedrückt, „fünf Minuten vor zwölf“. Dem lässt sich mit gutem Gewissen zustimmen.

      Weil dies kein Geheimnis ist, kennt auch jeder kirchliche Würdenträger, selbst die hohe Geistlichkeit im Vatikan, das Dilemma. Ein wirksames Gegenmittel gegen den beängstigenden Mitgliederschwund hat allerdings noch niemand gefunden.

      Von den Vielen, die zwar nicht austreten, sich aber innerlich längst von Mutter Kirche abgewandt haben, die sogenannten „Taufscheinkatholiken“, möchte man gar nicht erst reden.

      „Jahrelang hat man gerätselt, woran es liegt, hat aufwändige Analysen erstellt und kluge theologische Bücher darüber verfasst, was die Gründe dafür sein könnten, dass offenbar die ‚modernen’ Menschen die Angst vor dem Teufel und den Höllenstrafen verloren haben“, bedauert ein anderer hoher Kirchenmann. „Verbunden damit ist die große Skepsis gegenüber einer ‚Belohnung im Himmel’ und dem sogenannten ‚Ewigen Leben’, im Sinne eines Bewusstseins nach dem körperlichen Tod, wo man doch weiß, dass mit dem Absterben der Gehirnzellen auch das Bewusstsein, und damit die sogenannte ‚Seele’, unwiderruflich dahin ist …“

      „Wie leicht war es früher, die Gutgläubigen im Beichtstuhl zur Räson zu bringen und es für alle am Sonntag durch die Predigt von der Kanzel herab ein bisschen Schwefel regnen zu lassen, quasi als Vorgeschmack auf die gute alte Hölle!“, überlegt ein weiterer älterer Kleriker, ebenfalls Teilnehmer am kürzlich zu Ende gegangenen Konklave. Daran mag sich manch einer der älteren Seelenhirten mit Bedauern erinnern.

      Im Avvenire, dem Hausblatt der Italienischen Bischofskonferenz, liest sich das folgendermaßen:

      „Eine ständig sich ausbreitende Enttäuschung über die ‚unzeitgemäße Lehre’ der Kirche sei an der Abkehr von ihr schuld, meinen viele ‚moderne’ Theologen, weil die Kirche ganz offensichtlich nichts bewirkt, was zur Verbesserung der Lebensumstände der gesamten Erdbevölkerung beiträgt und auch keineswegs erreicht, dass das einzelne

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