Der Pontifex. Karla Weigand

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Der Pontifex - Karla Weigand

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gut; der andere, ein etwas gebückt gehender Franzose, gilt allgemein als streng und verschlossen, ein Hardliner, wie er im Buche steht.

      Was die Herren von ihm wissen möchten, erfüllt den Geistlichen aus Ghanumbia mit stiller Genugtuung und lässt sein Herz insgeheim höherschlagen.

      „Verehrter Bruder in Christo, nur mal so zu unserer Information“, beginnt der französische Kirchenmann betont lässig, während der spanische sein farbiges Gegenüber wohlwollend mustert: „Einmal angenommen, die verehrte Wählergemeinde wäre des Patts zwischen den beiden asiatischen Kandidaten müde und zeigte sich bereit, ihre Gunst möglicherweise einem schwarzen Mitbruder zu gewähren: Wären Sie in diesem Falle bereit, die Wahl zum Heiligen Vater anzunehmen?“

      „Falls dem nicht so wäre, zögern Sie bitte nicht, uns das mitzuteilen, damit wir nicht noch mehr unnütze Zeit vergeuden!“, fügt der Spanier, ein hochgewachsener, sich betont aufrecht haltender Andalusier mit unleugbar maurischem Einschlag, mit einem gewinnenden Lächeln hinzu.

      Der Angesprochene verfügt über genügend schauspielerisches Talent und hat keine Mühe, sein Triumphgefühl zu verbergen. Ehrfurchtsvoll neigt er seinen glattrasierten Schädel vor den älteren Kardinälen.

      „Es wäre mir eine überaus große Ehre, von meinen hochverehrten Brüdern in Christo für würdig erachtet zu werden, Mutter Kirche als Oberhaupt der Gläubigen in Demut und größter Verantwortung zu dienen. Selbstverständlich würde ich mich in diesem Fall dem Votum des erlauchten Gremiums nicht verweigern!“

      Mit Erfolg bemüht Obembe sich, den zwei hohen Geistlichen nicht mit triumphierender Miene hinterherzuschauen, als sie sich zu den anderen Konklave-Teilnehmern zurückbegeben. Für ihn besteht in diesem Moment nicht mehr der geringste Zweifel: Er hat es geschafft! Natürlich weiß er auch, dass unangenehme Überraschungen nie ausgeschlossen sind; dennoch fühlt er sich so gut wie am Ziel.

      Im Laufe der Zeit haben sich die Wahlmodalitäten stark verändert. Anders als früher muss nicht mehr krampfhaft wochen- oder gar monatelang nach einem Kompromisskandidaten gesucht werden. Hat nach dreißig Wahlgängen immer noch kein Kandidat die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht, kann die absolute Mehrheit die Entscheidung bringen.

      ‚Und die wird dann auf alle Fälle mit meinem Namen verbunden sein!’ Freilich hofft er insgeheim, dass es etwas schneller gehen wird. Es würde sein Ansehen erhöhen …

      Nach längerer Zeit schweifen seine Gedanken ab zu seiner Geliebten Monique, die sicher schon ungeduldig auf sein Startzeichen wartet, den Flug nach Rom antreten zu können. Natürlich freut er sich auf ihr Kommen – obwohl er sich zu seiner eigenen Verblüffung eingestehen muss, sie bisher nicht allzu sehr vermisst zu haben.

      ‚Sollte ich mich ihr womöglich ein wenig entfremdet haben?’, fragt sich der Kardinal insgeheim. Allerdings verwirft er den Gedanken sofort als völlig absurd. Er mag viele Fehler haben – Untreue gehört definitiv nicht dazu. Seit er mit der schönen Monique zusammen ist, hat er keine andere Frau mehr angesehen, geschweige denn angerührt.

      „Die Zeit kommt aus der Zukunft, die nicht existiert, in die Gegenwart, die keine Dauer hat und geht in die Vergangenheit, die aufgehört hat, zu bestehen.“

      (Kirchenvater Augustinus)

      Im siebzehnten Wahlgang taucht tatsächlich erstmals ein „Kardinal Maurice Obembe“ mit einer stattlichen Anzahl von Unterstützerstimmen auf, während die Nominierungen der beiden asiatischen Kandidaten drastisch schrumpfen. Auch die weißen Anwärter, in der Hauptsache Italiener aus Mailand, Venedig, Padua und Palermo, haben Stimmanteile eingebüßt.

      Der Kirchenmann aus Ostafrika mag ja bisher ein relativ unbeschriebenes Blatt sein – aber immerhin hat er dadurch auch noch keine Möglichkeit gehabt, sich im Kardinalskollegium unbeliebt zu machen oder sich im Vatikan persönliche Feinde zu schaffen.

      Dass ihn einige auch weiterhin ablehnen werden, wird also hauptsächlich seiner dunklen Hautfarbe geschuldet sein – aber damit kann er mittlerweile gut leben. In seinem Inneren weiß er es: „Da ist sie, die von mir erhoffte und sehnlichst erwartete Wende!“

      Ursprünglich rechneten die meisten Teilnehmer mit einem nur kurz andauernden Konklave; hatten doch im Voraus „gut unterrichtete Kreise“ in Rom verlauten lassen, dieses Mal werde man sehr schnell zu einer Einigung gelangen, weil man sich einig sei, einen Asiaten, den Kardinal von Manila, zum Pontifex zu küren. Was sich dann allerdings als Irrtum herausstellt. Von „Einigkeit“ unter den Wahlberechtigten kann keine Rede sein.

      Plötzlich werden immer mehr von ihnen auf den bisher kaum in Erscheinung getretenen Schwarzafrikaner aufmerksam.

      „Warum eigentlich nicht?“, mag sich manch einer der hohen geistlichen Herren fragen. „Ein farbiger Papst wird dieses Mal sowieso von aller Welt gewünscht. Und dieses Kriterium erfüllt der Mann aus Afrika ja nun weiß Gott!“

      Einige, Neider und Missgünstige, werden später zwar, bar jeder Logik und entgegen der Wahrheit, behaupten, die „geheime“ Wahl dieses Kandidaten sei von Anfang an mehr oder weniger eine Farce gewesen, weil das gewünschte Ergebnis im Grunde von Anfang an festgestanden habe.

      Richtig ist zwar, dass dieser Kardinal, der die Wahl, so sie denn auf ihn fiele, auch anzunehmen versprach, die „richtige“ Hautfarbe besaß, jedoch keinesfalls als glücklicher Zufall anzusehen war, sondern es ist quasi eine Art conditio sine qua non gewesen. Galt es doch längst als überfällig, endlich einem Farbigen das höchste Amt, das die Kirchenhierarchie zu vergeben hat, zuteilwerden zu lassen. Aber über Obembes Person waren im Vorfeld nun wirklich keinerlei Festlegungen getroffen worden.

      Zweifellos war es wichtig, die Kirche aus ihrer bedrohlichen Schieflage zu befreien. Wobei man allerdings stillschweigend davon ausgegangen war, einen Ostasiaten zum Pontifex zu küren. Aber ein Schwarzer war letztendlich auch nicht schlecht.

      * * *

      „Und dass die Kirche gerettet werden muss, das sehen die Gläubigen anscheinend – der Himmel mag wissen warum! – durch einen Papst der Dritten Welt am ehesten gewährleistet“, soll sich später in kleinem Kreis einer der enttäuschten italienischen Papstanwärter spöttisch geäußert haben; wofür er mehr oder weniger verärgerte Zustimmung erntete.

      Diejenigen, die sich über das Wahlergebnis mokierten, ließen dabei, ob bewusst oder unbewusst, ganz außer Acht, dass sie damit ja den Heiligen Geist desavouierten, der doch angeblich jede Papstwahl dominierte …

      Das Häuflein weißer Kardinäle, allesamt Italiener, die sich selbst Chancen auf den Papstthron ausgerechnet haben, begründen ihren Standpunkt folgendermaßen: „Gerade weil Mutter Kirche sich in großer Not befindet, hätte man im jetzigen Augenblick Kontinuität bewahren müssen!“

      Offenbar trauen sie einem Schwarzen die Herkulesaufgabe nicht zu, der Kirche ein Revival zu ermöglichen. Was allerdings nach der Wahl keiner mehr laut ausspricht – zumindest nicht, wenn einer mithören kann, der mit Sicherheit „den Neger“ gewählt hat.

      „Mimikama!“soll der neue Heilige Vater leise auf Suaheli gemurmelt haben, was „Gefällt mir!“ bedeutet, nachdem die Stimmen nach dem neunzehnten und letzten Wahlgang ausgezählt waren und das positive Ergebnis – immerhin fünfundachtzig Prozent! – den wahlberechtigten Kardinälen bekannt gegeben wurde. Das will zumindest ein kenianischer, etwas geschwätziger Teilnehmer gehört und sofort ausgeplaudert haben.

      Natürlich nahm der Gewählte ohne das geringste Zögern das schwere Amt an.

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