Der Pontifex. Karla Weigand

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Pontifex - Karla Weigand страница 9

Der Pontifex - Karla Weigand

Скачать книгу

hatte in Maurice, dessen Namen – nomen est omen? – der neue Papst im zivilen Leben trägt, das lodernde Feuer der Rachsucht entflammt. Allerdings sollte sich ihm die Gelegenheit, die Feinde für diese ruchlose Tat und ihre anderen Verbrechen gegen sein Volk büßen zu lassen, niemals bieten.

      Schweratmend unterbricht der Heilige Vater seine Wanderung durch das Zimmer.

      „Aber er hat Elisas Auftrag getreulich erfüllt und an seinen Sohn Charles, meinen Großvater, weitergegeben. Der wiederum sah sich gleichfalls außerstande, Rache zu nehmen und übergab folglich die Verpflichtung dazu meinem Vater Patrice. Der seinerseits hat die Last aus politischem Kalkül auf meinen Schultern abgeladen, als ich gerade einmal zwölf Jahre alt gewesen bin. So ist schließlich nach etlichen Generationen der Vergeltungsschwur bis zu meiner Person gelangt.“

      Leo muss lachen. „Ausgerechnet zu mir, dem höchsten Mann der Kirche! Einer Person, der man am allerwenigsten die Befriedigung von Rachegelüsten zutrauen wird …

      Auf wie vieles habe ich verzichtet“, sinniert der Heilige Vater zum wohl hundertsten Mal, „zuvorderst auf eine Lebensaufgabe, die mir wirklich zugesagt hätte! Priester bin ich nicht etwa geworden aus Berufung, sondern um meine ganz persönliche Vergeltung zu üben, die längst überfällig ist!“

      In der Tat hat er sich bis zum heutigen Tag peu à peu ein paar potente Mitstreiter gesucht und soweit es ihm möglich war, diplomatische, kirchliche Kanäle genutzt, um insgeheim in aller Stille jahrzehntelang stetig und mit allen Mitteln, auch denen der Heuchelei, Bestechung und Erpressung, auf diesen einen großen, erhebenden Augenblick einer für ihn günstig ausgehenden Papstwahl hinzuarbeiten.

      Und beileibe nicht nur er allein: Hinter ihm steht ein kleines, aber recht solides Netzwerk: eine nicht ganz einflusslose Gruppierung, die die Anonymität über alles schätzt und die keinen Wert darauf legt, öffentlich in Erscheinung zu treten. Der erste Schritt ist getan: Maurice Obembe ist Papst!

      * * *

      „Ausgerechnet diesen starken und durchsetzungsfreudigen Papst Leo XIII. möchte der ‚Neue’ nachahmen!“, spötteln viele altgediente Prälaten in Rom und anderswo. Es ist deutlich herauszuhören, dass sie förmlich danach gieren, das Scheitern dieses Mannes aus Schwarzafrika mitzuerleben.

      Wer würde denn schon hinter ihm stehen und ihn unterstützen? Der Ausgewogenheit stehen in erster Linie Egoismus und Habgier der Besitzenden entgegen, die keineswegs bereit sind, freiwillig auch nur auf ein Jota ihres angeblichen „Rechts“ auf Anhäufung geradezu grotesk anmutender Reichtümer auf Kosten der weniger Privilegierten oder gar der Besitzlosen, zu verzichten (bestes Beispiel bietet die Kirche selbst!).

      Die Last der Verantwortung, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, wird schwer auf den Schultern des Papstes ruhen.

      „Und er wird jede Träne abwischen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch wird Trauer noch Geschrei noch Schmerz mehr sein. Die früheren Dinge sind vergangen.“

      (Johannes, Offenbarung 21, 4)

      Wer könnte das Offensichtliche leugnen? Der endgültige Niedergang der Sancta Ecclesia scheint absehbar. Die Kirchenaustritte sind alarmierend, und nicht nur in den „reichen“ Staaten, auch in den sogenannten Entwicklungsländern; die Anzahl der Eltern, die für ihren Nachwuchs auf die Taufe verzichten, wächst unaufhörlich.

      „Kaum zum Kardinal ernannt, hatte der um die Menschheit und ihr Wohlergehen zutiefst besorgte Geistliche Maurice Obembe längst ein ausgearbeitetes Konzept in der Schublade liegen, worin er fein säuberlich ausgearbeitet hatte, wie es mit unserer heiligen katholischen Kirche weitergehen müsse.“

      Das behauptet zumindest der Sprecher des Vatikans, ein hoher Prälat der „alten Garde“ unmittelbar nach der Papstwahl. Womit er natürlich die Neugier beträchtlich anheizt. Noch wimmelt es im Vatikan von Altgedienten. Mit dem Auswechseln des vatikanischen Personals würde der Heilige Vater in Kürze beginnen.

      Jetzt ist man erst einmal gespannt auf das, was Leo XIV. aus der Schublade hervorzaubern wird. Etliches sickert bereits durch. In der Hauptsache das, was diejenigen, die dem Heiligen Vater vorgreifen, sich vermutlich selbst am meisten wünschen. Was zur Folge hat, dass es zweifelhaft ist, ob sich die hochgespannten Erwartungen auch erfüllen werden …

      * * *

      Leo XIV. ist immer noch wie im Rausch. Seit Jahrzehnten hat er auf diesen Augenblick mit wahrer Inbrunst hingearbeitet. Aber als es dann Wirklichkeit ist und er tatsächlich als Papst Einzug gehalten hat im Vatikan, tut er sich noch schwer, das Ganze auch für wahr zu halten. Eine ganze Nacht lang hat er über seiner „Antrittsrede“ gebrütet, die unter anderem bei seiner ersten Predigt im Petersdom weltweit sein „Konzept“ sowohl den Gläubigen wie den Ungläubigen verkünden soll.

      Der Heilige Vater ist nervös und fahrig. Beim Anlegen der Prunkgewänder will er sich nicht helfen lassen, verheddert sich in den weiten Ärmeln und muss dann doch die Hilfe seines Dieners Paddy Lumboa, den er, was sehr selten vorkommt, barsch anfährt, in Anspruch nehmen.

      Betroffenheit, zumindest Verwunderung, macht sich nach seiner Predigt bei vielen seiner Zuhörer breit.

      Dieser Heilige Vater mit dem Ruf des sozial Engagierten, des Besonnenen und um Ausgleich Besorgten, verfolgt anscheinend ganz andere Ziele. Strebt er in Wahrheit nicht nach Balance? An Versöhnung scheint ihm auch nicht besonders viel zu liegen; dafür umso mehr an Kampf und Auseinandersetzung!

      Wie war das noch gleich? Er werde sich nicht davor scheuen, echte Streiter des Glaubens, wahre Krieger für den Katholizismus heranzuziehen und ausbilden zu lassen, kündigte er an. Vokabeln, die nicht gerade für Sanftmut und Güte zu sprechen scheinen …

      „Die Welt muss endlich aufgerüttelt werden! Schluss muss sein mit erbärmlicher Weinerlichkeit und ratlosem Gewährenlassen!“, verrät Leo der staunenden Zuhörerschaft im Petersdom. Nicht den Forderungen der „Lauen“ dürfe die Kirche derzeit nachgeben, sondern sie müsse beherzt zu ihren allzeit gültigen Anforderungen stehen, falls sie überleben wolle! Christsein, ein Auserwählter sein, das gäbe es nicht zum Nulltarif, sondern müsse zumeist mühsam errungen werden.

      „Auf in den Kampf für Christus und seine heilige Kirche! Opfere notfalls freudig dein Leben für den Herrn Jesus und dein ewiges Heil!“, lautet einer der Schlusssätze von Leos erster Predigt als frischgewählter Pontifex.

      Dies wird in Kürze als Botschaft vom Vatikan aus rund um den Globus gehen. Für sehr viele eine veritable Enttäuschung. Auch das Folgende wird nicht bei allen so schnell dem Vergessen anheimfallen:

      „Zur Hölle mit dem verweichlichten Gesäusel von Frieden und Ausgleich! Das andauernde Zurückweichen, die berechtigten Ansprüche an die Gläubigen betreffend, hat die Kirche nicht gestärkt, sondern sie im Gegenteil an den Rand des Abgrunds geführt! Es lebe die harte Konfrontation mit Irrglauben und Unglauben!“

      ‚O je’, mögen sich viele kopfschüttelnd denken. ‚Gegen die Ungläubigen, die es vorziehen, zu wissen, anstatt zu glauben, ist er ohnehin machtlos; aber der Heilige Vater sucht offenbar die Konfrontation mit dem Islam und anderen nichtkatholischen Religionsgemeinschaften! Und gewiss auch mit den Lauen, die der Herr ausspeien wird aus seinem Munde, weil deren Rede nicht auf kraftvolles und überzeugtes ‚ja, ja’ oder ‚nein, nein’ hinausläuft, sondern nur hilfloses Gestammel zuwege bringt: ‚Herr, Herr!’’

      So steht es ja auch in der Heiligen Schrift. Und der Heilige Vater legte noch einiges an Leidenschaftlichkeit

Скачать книгу