Der Pontifex. Karla Weigand

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Der Pontifex - Karla Weigand

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(die hört man schon seit Jahrzehnten, wenn auch vergeblich) und noch weniger die damit verbundene Erwartung, die wahlberechtigten Kardinäle würden dieses Mal keinen Europäer, sondern einen Asiaten zum „Brückenbauer“ wählen.

      ‚Und das auch nur, weil man den Europäern nicht mehr die nötige Kraft und Entschlussfreudigkeit zutraute, die dringend notwendige Erneuerung der Kirche effektiv anzupacken! Dabei wäre ich doch der am besten geeignete Kandidat gewesen!’, stellt er im Stillen verdrießlich fest.

      ‚Aber die Überlegung: ‚Falls es wiederum – erwartungsgemäß – schiefgeht, trifft’s wenigstens keinen von uns!’, ist auch nicht völlig von der Hand zu weisen …’, meint er dann zynisch. ‚Es ist doch allemal leichter, einem Farbigen die Schuld zuzuweisen, wenn’s mit der Kirche weiter abwärts geht.’

      Was im Vorfeld so alles gemunkelt worden war, war Kardinal Gasparinis Meinung nach nur mehr oder weniger substanzloses Gerede gewesen und, wie er geglaubt hatte, nicht wirklich ernst zu nehmen.

      „Ich bin immerhin ein bekannter Kirchenmann, ein berühmter Moraltheologe, habe etliche kluge Bücher über den Glauben im Katholizismus verfasst, bin Italiener, zudem Vorsitzender der ‚Glaubenskongregation’, eine direkte Nachfolgerin der Heiligen Inquisition, und verfüge über ein äußerst solides Netzwerk innerhalb der Kirche“, hatte er sich gegenüber Freunden geäußert, die ihn vor allzu großer Sorglosigkeit gewarnt hatten.

      Wobei es einigen vielleicht nicht so sehr als Empfehlung erscheinen mochte, dass er so penetrant auf die berüchtigte, entsetzliche, sogenannte „heilige“ Inquisition abgehoben hatte …

      Jedenfalls hat es für ihn so ausgesehen, dass sein Einfluss im Konklave allemal ausreichen werde, um zum Papst gekürt zu werden. Seine geistlichen Gesprächspartner, die er bereits einige Zeit vor der Wahl nach und nach einzeln beiseite genommen hatte, um sie in seinem Sinne zu instruieren, haben auch alle brav genickt, sobald er „zum Punkt gekommen“ ist und ihm zugesichert, die nächste Papstwahl in seinem Sinne zu entscheiden.

      Obembes Name ist übrigens, wie er sich schmerzlich erinnert, bereits kurz nach dem Ableben des bisherigen Oberhaupts der katholischen Kirche auf den Fluren des Vatikans herumgegeistert. Aber nur ganz leise und in der Konsistenz am ehesten vergleichbar mit einer wabernden Nebelschwade, die sich gleich darauf wieder verflüchtigte.

      Nichts weiter als eine interessante Vorstellung, die nicht eines gewissen Charmes entbehrte. Aber mehr auch nicht. Wer hatte denn ernsthaft den gut aussehenden Sonnyboy aus Afrika als papabile auf dem Schirm gehabt?

      Nicht wenige haben ihm in die Hand hinein versprochen, mit allen möglichen Farbigen leicht fertig zu werden. „Im Vatikan bestimmen immer noch wir Alteingesessenen!“, hatten sie vollmundig behauptet. Selbstverständlich hatte er sich darauf verlassen.

      Und nun dieses ebenso lächerliche wie schandbare Ergebnis. Der erboste Kardinal vermag es nach etlichen Wochen immer noch nicht zu fassen. „Verräter sind meine Kardinalskollegen allesamt und elende Feiglinge dazu! Vor dem katholischen Fußvolk und dessen dubiosem Verlangen nach einem Exoten sind sie eingeknickt!“

      Flüchtig geht dem Kardinal durch den Sinn, dass der Einzige, auf den er seit Jahren bedingungslos vertrauen kann, sein Adlatus Giuseppe Barillo ist. Ausgerechnet der Mann, den er oft ziemlich mies behandelt …

      Ja, einen kurzen Augenblick lang empfindet di Gasparini sogar so etwas wie Reue darüber, den Monsignore schon mehrmals als „Watschenmann aus dem Wiener Prater“ missbraucht zu haben.

      Aber der Moment der Einsicht verfliegt ebenso schnell wieder, wie er aufgetaucht ist. Schlechtes Gewissen und Gefühle des Bedauerns über eigene Verfehlungen gehören nicht unbedingt zum Repertoire des Kardinals.

      Di Gasparini beschließt, mit zwei befreundeten hohen Geistlichen, einem Deutschen und einem Italiener, ernsthaft darüber zu sprechen, wie es überhaupt zu dem Debakel hat kommen können. Seit der Papstwahl sind inzwischen beinahe vier Monate vergangen und eigentlich müsste es jetzt möglich sein, sine ira et studio darüber zu debattieren.

      Mit aller gebotenen Vorsicht natürlich, denn eigentlich ist es nicht gestattet, überhaupt Interna des Konklaves zu besprechen, auch nicht mit Betroffenen und noch viel weniger mit Nichtteilnehmern. Wenngleich das Verbot nicht mehr ganz so streng gesehen wird.

      Er selbst hegt die Vermutung, man habe seinen enormen Einfluss auf italienische Politiker und sein politisches Gewicht als schwerreicher und mächtiger Industriellenabkömmling befürchtet und damit natürlich eine enge Verflechtung mit dem Großkapital.

      Definitiv kennt er sogar die Namen derjenigen, die auch ihm eine allzu große Nähe zur immer noch und wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit existierenden italienischen Mafia zur Last legen.

      Dio mio! Natürlich kennt er etliche Paten der „Ehrenwerten Gesellschaft“, die sehr viel Gutes in ihrem Leben getan haben. Zum Beispiel reichlich Geld spenden für die Ärmsten der Armen …

      Unwillkürlich muss er bei dem Gedanken grinsen. Das zugunsten der Mafia zu gewichten, ist ungefähr so bizarr, als würde man Adolf Hitler von seinen Verbrechen exkulpieren, weil er doch immer so rührend liebevoll zu „Blondie“, seiner Schäferhündin, gewesen ist.

      Aber das hauptsächliche Hemmnis für seine Wahl zum Pontifex, was er selbst allerdings als pure Verleumdung weit von sich weist, ist in Wahrheit seinem zugegebenermaßen erzkonservativen und kompromissunfähigen Charakter geschuldet.

      Die große Mehrheit des ebenfalls nicht gerade als „modern“ verschrienen Kardinalskollegiums hält ihn insgeheim, oder auch ganz offen, für extrem konservativ, für traditionalistisch und hartherzig; ja, für geradezu fanatisch rückwärtsgewandt und unbarmherzig streng in seinen Ansichten, was die Lebensführung katholischer Gläubiger und die Ausrichtung der Kirche insgesamt anbelangt.

      „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“

      (Psalm 103, 2)

      Damit geht der Kardinal konform mit dem Malteserorden, der seinen Sitz in Rom hat, in einer malerisch auf dem Aventin, einem der sieben Hügel Roms, gelegenen, vornehmen Villa. Die Malteser sind in erster Linie bekannt als ersthelfende Sanitäter, die mit Blaulicht zu Unfallorten rasen.

      Doch von humanitären Einsätzen für andere oder von kultivierten Umgangsformen ist bei ihm – im 11. Jahrhundert in Jerusalem als „Johanniter Ritterorden“ gegründet und ab 1530, als man sich auf Malta ansiedelte, zu „Malteser Orden“ umbenannt – durchaus nicht immer die Rede.

      In der jüngsten Vergangenheit flammten immer mal wieder Machtkämpfe auf, bei denen nicht selten sogar die Autorität des jeweils amtierenden Papstes infrage gestellt worden war. Besonders rieben sich die Ordensoberen an Papst Franziskus, einem Argentinier und ehemaligen Jesuitenmönch. Immer ging es dabei um Souveränität, Gehorsam, um Ernennungen von Kardinälen und unter anderem um – Kondome.

      Deren Verwendung stieß bei den Maltesern auf heftigen Widerstand, selbst zur Verhinderung von HI-Viren; und das päpstliche Schreiben „Amoris Laetitia“ über Ehe und Familie von eben diesem Franziskus fand absolut nicht ihr Wohlgefallen.

      Befürchteten sie doch auch eine Aufweichtendenz bezüglich der strikten Sanktionierung von katholischen Scheidungswilligen. Papst Franziskus, von ihnen verächtlich „argentinischer Sozialarbeiter“ betitelt, hatte immerhin einen nachsichtigeren Umgang mit Geschiedenen signalisiert. Ein absolutes No-Go in den Augen des Malteserordens.

      Kardinal

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