Der Pontifex. Karla Weigand
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Also auch kein Pardon für Geschiedene und Wiederverheiratete, was den Empfang der Sakramente anbelangt, keinerlei wie auch immer geartete Geburtenkontrolle (außer der Enthaltsamkeit, was verständlicherweise nicht so gut bei den Gläubigen ankommt) und unter gar keinen Umständen einen Schwangerschaftsabbruch – gleichgültig, wie die Zeugung des neuen Lebens zustande kam.
Selbst eine Vergewaltigung kann, nach seiner Ansicht, eine Abtreibung niemals rechtfertigen. Die Gefühle und das Elend der betroffenen Frau interessieren ihn dabei nicht.
Das vorgeburtliche menschliche Leben gilt es unter allen Umständen zu schützen; was „nachher“ mit ihm passiert, darum schert der gestrenge Purpurträger sich weniger. Falls die Lebensumstände, in die das „schützenswerte Leben“ hineingeboren wird, es bedingen, dass es beispielsweise den allzu frühen Hungertod erleidet, dann ist das eben Gottes Wille gewesen.
Zusammengenommen alles Standpunkte, die verhindern, dass sich erneut Menschen für die Kirche interessieren.
„Damit gewinnt man heute keinen Zulauf und die noch Verbliebenen drohen auch noch davonzurennen.“ „Die katholische Kirche wird irgendwann zu einer x-beliebigen Sekte mutieren.“
Bis zum Überdruss hat sich di Gasparini diese Argumente von renommierten Theologen bereits anhören müssen, was allerdings seine harte Haltung um kein Jota verändert hat.
KYRIE ELEISON! CHRISTE ELEISON!
KYRIE ELEISON!
„Gott, unser Herr, erbarme dich unser! Christus, erbarme dich unser!
Herr, erbarme dich unser!“
Wenn’s nach Carlo di Gasparini ginge, würde während der Messe wieder wie einst das alte Latein seinen über viele Jahrhunderte angestammten Platz einnehmen und der Priester mit dem Rücken zur Gemeinde den Dienst am Altar verrichten …
„Warum soll es von Vorteil sein, wenn die ungebildete Masse versteht, was der Geistliche sagt und warum soll er sich von den Laien so genau auf die Finger schauen lassen?“, fragt er seinen Adlatus Barillo.
‚Und womöglich den Überdruss von deinem Gesicht ablesen!’, denkt sich dieser insgeheim. Einer der von Gasparini wegen des Wahlausgangs zur Rede gestellten Kollegen, Kardinal Paolo Piccolomini, aus dem Erzbistum Mailand, erklärt ihm rundweg, unter seinem Pontifikat habe man befürchten müssen, die Kirchenaustritte würden noch weiter ansteigen. „Und das haben wir Kirchenväter keinesfalls riskieren können!“, sagt er ihm eiskalt ins Gesicht.
Diese Auskunft schmerzt Carlo di Gasparini zutiefst; überrascht ihn allerdings nicht wirklich. Sein bester Freund, Ewald Klausmann, der Kardinal von Köln, behauptet ja auch, die Zeit sei einfach reif, ja, sozusagen überreif gewesen, für einen Papst der schwarzen oder gelben Rasse.
„Sogar eine ehemalige Sklavenhalternation, nämlich die USA, haben sich schon vor beinah dreißig Jahren zwei Wahlperioden lang einen schwarzen Präsidenten geleistet. Allzu viel konnte der zwar nicht ausrichten oder gar verändern – dafür haben schon die erzkonservativen weißen Republikaner durch ihr stereotypes Veto gesorgt!
Aber immerhin hat Barack Obama es damals vermocht, einiges Gute anzustoßen, was man zum Teil erst heute nach der langen Zeit erkennen kann, obwohl sein höchst umstrittener republikanischer Nachfolger Donald Trump alles Mögliche unternommen hat, um die sozialen Reformen seines Vorgängers, wie etwa eine Krankenversicherung für alle Bürger, erneut auszuhebeln.
Und unsere verehrte Mutter Kirche, mein lieber Freund Carlo“, fügt er mit erhobenem Zeigerfinger belehrend hinzu, „rechnet bekanntlich nicht nach Jahren oder Jahrzehnten, sondern denkt in Jahrhunderten! Je nachdem, wie schnell der Neue die Probleme anpackt und wie lange Leo XIV. am Ruder sein wird, desto stärker wird sich das in der ferneren Zukunft auswirken. Wenn auch vielleicht erst in hundert oder mehr Jahren.“
„Na, wenn du Recht hast, Verehrtester“, trompetet di Gasparini, „wollen wir hoffen, dass der neue Heilige Vater die Probleme nicht wiederum wird schleifen lassen. Falls es wirklich so lange dauern sollte, bis sich etwas ändert, gibt es nämlich keine nennenswerte Ecclesia mehr, die davon profitieren könnte. Bestenfalls wird sie dann noch eine x-beliebige Glaubensgemeinschaft unter vielen sein, vergleichbar einer Sekte wie den Sieben-Tage-Adventisten.
Erinnere dich, bitte, an seine erste zündende Rede im Petersdom, Ewald! Was ist dem bisher gefolgt? Na? Gar nichts! Als ich ihn vor einiger Zeit so habe reden gehört, war ich fast geneigt, mich mit seiner Wahl anzufreunden. Aber seitdem herrscht sozusagen Ruhe im Schiff, nachdem die heiße Luft draußen ist“, drückt der Kardinal aus Padua sich wie immer reichlich salopp aus.
Ehe di Gasparini jedoch weitersprechen kann, flicht der deutsche Kardinal, Ewald Klausmann, schnell ein: „Schau, Carlo! Seien wir doch ehrlich: Wenn wir heute eine Kirche noch mit Leuten füllen wollen, bedarf es keiner Heiligen Messe, sondern wir müssen weltliche Konzerte anbieten, eine Lesung eines beim Publikum beliebten Autors oder die Aufführung eines modernen Theaterstücks!“
„Ja, Ewald, das ist mir durchaus bewusst!“
Kardinal di Gasparinis Gesicht ist mittlerweile rot angelaufen; er leidet unter hohem Blutdruck und sobald er sich auch nur im Geringsten aufregt, ähnelt sein üblicherweise blasser Teint dem Aussehen einer reifen Tomate.
„Und ihr alle habt tatsächlich geglaubt, diese Fehlentwicklung ausgerechnet durch die Wahl Obembes bremsen oder gar verhindern zu können? Welch unglaubliche Naivität! Sobald das erste Überraschungsmoment vorüber und die anfängliche Euphorie über den ‚Exoten im Vatikan’ verflogen ist, wird alles so weitergehen wie bisher, Ewald. Das jetzige Verhalten dieses Papstes weist doch genau in diese Richtung. Er wird um kein Jota von der Linie seiner kreuzlahmen Vorgänger abweichen.
Aber die Kirche wird nicht dadurch attraktiver werden, indem man die göttlichen Gebote aufweicht oder die kirchlichen Vorschriften außer Kraft setzt und Schlagersänger, Musiker und Schauspieler in den Kirchen agieren lässt, sondern indem Priester mit Autorität die sündigen Menschen beherzt an die Hand nehmen und sie – und sei’s auch oftmals gegen deren Willen – unbeirrt auf den rechten Pfad führen.
An die Brust soll er sich schlagen, der reuige Sünder, und bekennen, gesündigt zu haben: ‚Herr, erbarme dich unser, Christus erbarme dich unser, Herr erbarme dich unser!’ Erst nach Reue, Bußfertigkeit und Vergebung darf er den Herrn lobpreisen.“
Di Gasparini redet sich jetzt förmlich in Rage.
„Dazu bedarf es als wirksamer Hilfsmittel nicht weichgespülter, psychologieverseuchter Verständnisbekundungen für verwundete Seelchen von sogenannten ‚modernen’ Seelsorgern, sondern strenger Anweisungen des Klerus, deutlicher Verbote, klar verständlicher kirchlicher Anweisungen ‚von oben’.
Nicht zu vergessen die Verheißung der Vergebung für den reuigen Sünder, der umkehrt und Buße tut, sowie der Ankündigung empfindlicher Strafen im Falle von Zuwiderhandlungen. Der gute alte Teufel und die Hölle dürfen nämlich keineswegs ausgedient haben.“
Sein Freund, Kardinal Ewald Klausmann versucht, seinen Wortschwall ihn zu bremsen. „Dann muss dich doch das neueste Statement unseres Kirchenoberhaupts bezüglich der Kinderschändungen durch Geistliche sehr erfreut haben! Da war nichts mehr von ‚Weichspülung’ oder gar ‚Verständnis’ für die Sexualstraftäter zu spüren.“
Schwer atmend muss Carlo di Gasparini sich setzen, ehe