Der Pontifex. Karla Weigand
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Maurice Obembe und seine Brüder fallen seinen Lehrern auf als intelligente und strebsame Schüler. Speziell von Maurices tiefer Abneigung gegen sie – betrachtet er doch nach wie vor jeden Weißen als Mörder seines Vaters – bemerken sie allerdings nichts.
Nur einer der Mönche, ein gewisser Pater Bernhard Weingartner, der ihn in Geschichte unterrichtet, scheint ein bisschen weniger naiv als seine Mitbrüder zu sein. Eines Tages spricht er seinen Schüler Maurice, der mittlerweile das Alter von vierzehn Jahren erreicht hat, darauf an:
„Mir ist natürlich klar, dass dein und deiner Brüder Fleiß und Eifer nur wenig mit einem plötzlich erwachten Verlangen nach dem Christentum und weißer Lebensart zu tun hat! Mir scheint vielmehr, euch ist klar geworden, dass ihr in den Kolonien durch gute Schulbildung aus eurem traditionellen Stammesverband ausscheren könnt und im Übrigen auch der Zwangsarbeit für eure weißen Herren zu entgehen vermögt.
Stattdessen kann jeder von euch, der das Zeug dazu hat, bei uns Deutschen Karriere machen. Entweder in Afrika oder vielleicht sogar im fernen Deutschland.“
Maurice Obembe, ein sehr stolzer Heranwachsender, fände es albern, sich dumm zu stellen und vorzutäuschen, der Pater habe Unrecht mit dieser messerscharfen Einschätzung.
„So ist es, Pater Bernhard! Ich, als Sohn eines großen Häuptlings, habe keine Lust, mir später auf den Feldern irgendeines Weißen, der sein Ackerland einem meiner schwarzen Onkel gestohlen hat, den Buckel krumm zu schuften und noch dankbar sein zu müssen, dass der Kerl mich nicht verhungern lässt oder wegen einer geringen Verfehlung totschlägt!
Ich will studieren und dann ein kluger Mann sein, der weitgehend unabhängig leben und arbeiten kann, der Ansehen genießt und seine Familie anständig zu ernähren vermag!“ Davon, dass er plant, die Deutschen eines Tages aus seinem Land zu werfen, lässt er natürlich kein Wort verlauten.
Pater Bernhard Weingartner ist zu dieser Zeit auch der neue Prior des Missionsklosters. Pater Hilarius Hilreiner, der den Flüchtigen seinerzeit Zuflucht gewährt hat, ist kürzlich einem Herzschlag erlegen. Er verspricht Maurice, sich nach dem Erreichen der Hochschulreife für seinen Zögling stark zu machen, auf dass dieser nach Deutschland oder Frankreich gehen und dort studieren könne.
Am besten, wie er meint, eigne sich für einen wie ihn, der logisch zu denken vermöge und ordentlich und fleißig sei, das Studium der Rechtswissenschaften.
Dieser Mönch, dessen Heimatkloster Sankt Ottilien in Bayern ist, nach dem er zugegebenermaßen schreckliches Heimweh empfindet, steigt dadurch ungemein in der Achtung seines schwarzen Musterschülers Maurice. In Zukunft nimmt er den Prior ausdrücklich aus von seiner üblichen, gebetsmühlenartig wiederholten, stillen aber inbrünstigen Verwünschung sämtlicher Weißer.
Elisa sieht die Entwicklung ihres Lieblingssohnes mit großer Erleichterung. Es wäre schrecklich für sie und würde sie todunglücklich machen, falls die Zukunft ihres Ältesten darin bestünde, Zuckerrohr zu schneiden, Kaffee zu pflücken oder Kautschuk zu zapfen für einen weißen Sklavenhalter und sich von „seinem Herrn“, falls diesem danach war, bis aufs Blut auspeitschen zu lassen.
Auch ihre anderen Kinder Henri, Andi sowie die kleine Tochter Greta werden von Elisa zum Lernen angehalten. Alle erzielen gute Zensuren, aber an Maurice reichen sie nicht heran.
Er lässt selbst ältere Schüler weit hinter sich und bekommt zu guter Letzt von den entsprechenden Mönchen „Spezialunterricht“ in den Fächern Deutsch, deutsche Geschichte, Französisch und Mathematik. So ist es ihm möglich, eine Klasse zu überspringen.
Sein Verhalten ist stets tadelsfrei und er duldet auch bei seinen jüngeren Geschwistern weder Faulheit, vorlautes Geschwätz noch irgendwelche Frechheiten gegen die Klosterbrüder.
Greta wächst wie ihre Mutter zu einer schwarzen Schönheit heran und einer der jungen deutschen Kolonialoffiziere verliebt sich unsterblich in sie. „Ich möchte dich unbedingt heiraten, Liebes, und dich mit nach Deutschland nehmen!“
Ein Vorhaben, das dem klugen, bildhübschen Mädchen, das ihn ihrerseits liebt und sehr attraktiv findet, zwar ungeheuer schmeichelt, das jedoch seine militärische Karriere unwiderruflich zerstören würde; ebenso sein gesellschaftliches Ansehen in der Heimat – und daher von der vernünftigen Greta rundweg abgelehnt wird.
„Jetzt, in Afrika, magst du mich zwar aufrichtig lieben, aber in Deutschland würdest du mich unweigerlich nach einiger Zeit hassen, mein Liebster. Du würdest nämlich mir die Schuld dafür geben, dass deine Vorgesetzten, deine Familie und deine Freunde sich von dir abwenden, weil du eine nach ihren Maßstäben ‚Minderrassige’ geheiratet hast!“, gibt sie ihrem Geliebten zu bedenken.
„Unsere Kinder wären Mischlinge – und hätten in Europa vermutlich nicht viel Gutes zu erwarten. Selbst hier in Afrika haben es Gemischtrassige oft sehr schwer. Aber ich danke dir für dein Angebot, denn es zeigt mir, dass du mich zumindest im Augenblick sehr lieb hast!“
Selbst als der junge Mann immer wieder versucht, sie von ihrer Haltung abzubringen, ja, ihr versichert, seine Familie sei überaus aufgeschlossen und habe andere Vorstellungen als die üblichen kleinkarierten, schüttelt Greta nur den Kopf.
„Außerdem liegt mir an einer weiteren militärischen Karriere sowieso nichts!“, versucht der Offizier beinah verzweifelt, ihre ablehnende Haltung zu ändern. Greta bleibt dabei: Eine Ehe zwischen ihnen beiden würde sowohl ihn als auch sie ins Unglück stürzen.
Endlich gibt der verliebte junge Leutnant auf und bittet um seine Zurückversetzung nach Preußen.
Elisa ist unheimlich stolz auf ihre kluge starke Tochter, die sich schweren Herzens gegen ihre eigenen Gefühle entschieden hat und sehr unter dem Verlust ihres Geliebten leidet. Dieser kehrt auch kurz darauf in seine deutsche Heimat, nach Potsdam, zurück.
ORATIO; TAGESGEBET
„Oremus!“ „Lasset uns beten!“
Der allergrößte Wirbel um „den Afrikaner“ im Vatikan ist mittlerweile abgeebbt. Ein Wirbel, wozu der leicht hysterische Jubel über den „Neuen“ und die, von den katholischen Laien verteilten, völlig ungerechtfertigten Vorschusslorbeeren, Leos Pontifikat betreffend, kräftig beigetragen haben.
Als Kardinal ist der Heilige Vater keineswegs durch besondere Leistungen oder Ideen aufgefallen, wie die Lage der Kirche verbessert werden könne. Und jetzt, da er als Oberhaupt des Ganzen eigentlich in der Pflicht stünde, lassen diesbezügliche kluge Einfälle immer noch auf sich warten.
Aber vermutlich ist das einfach so bei jeder göttlichen Inspiration: Sie kommt meist unverhofft … Längst ist wieder eine gewisse Normalität in der katholischen Welt eingezogen, es herrscht Business as usual vor.
Bloß die Altgedienten im Inneren des Vatikan haben sich zähneknirschend damit abfinden müssen, dass neuerdings ein anderer Wind weht, denn Papst Leo hat eine ganze Reihe von teilweise befremdlichen Änderungen durchgesetzt.
Und zwar nicht peu á peu, wie das die meisten seiner Vorgänger mehr oder weniger diplomatisch gehandhabt haben, sondern ganz kurzfristig, sozusagen über Nacht und beileibe nicht immer schmerzlos für die Betroffenen, die