Der Pontifex. Karla Weigand

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Der Pontifex - Karla Weigand

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immer noch – als kurz nach seinem Amtsantritt zwei ausnehmend gut aussehende schwarze Damen in den Gemächern des Pontifex auftauchten; zweiundvierzig Jahre alt die eine, erst vierundzwanzig die andere.

      Zur Erinnerung: Es handelt sich um zwei schlanke, hoch gewachsene und bildschöne Nonnen im schwarzweißen Habit, wovon die ältere angeblich seine leibliche Schwester ist und es sich bei der jüngeren um ihrer beider Nichte handeln soll …

      Mit großer Selbstverständlichkeit stellte der Heilige Vater persönlich die beiden Frauen als seine nahen Verwandten vor; wobei er betonte, überaus glücklich zu sein, sie erneut und auf Dauer um sich zu haben. Erinnerten sie ihn doch an seine geliebte Heimat Afrika, nach der er sich zuweilen schmerzlich zurücksehne.

      „Bereits als Pfarrer in einem Urwalddorf und später als Bischof in Ghanumbia hat mir beispielsweise Schwester Monique – in Wahrheit immer schon meine Lieblingsschwester aus der Schar meiner Geschwister – zur Seite gestanden; während meine liebe Nichte, Schwester Angélique, mir zusätzlich in den letzten Jahren als Kardinal bei meinen zahlreichen Aufgaben geholfen hat.“

      Selbstverständlich gibt es niemanden, der laut die Angaben Seiner Heiligkeit, den engen Verwandtschaftsgrad der frommen Damen betreffend, infrage stellen würde … Und das ist auch gut so.

      Dass beide Nonnen denselben Familiennamen wie Seine Heiligkeit führen, erleichtert das Arrangement, besitzt allerdings keine große Aussagekraft: „Obembe“ entspricht in Ghanumbia etwa dem deutschen Meier, Müller, Schulze …

      Seine engste Umgebung besteht nur noch, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, aus Schwarzafrikanern. Auf ihre Anwesenheit legt der Heilige Vater großen Wert. So stammen beispielsweise sein Camerlengo, Monsignore Gustave Marengo, sowie die übrigen vertrauten männlichen Diener und sogar sein Beichtvater, Monsignore Pierre Katanga, aus seinem Heimatland Ghanumbia, das im Augenblick dank seines illustren Sohnes einen Touristenboom ohnegleichen erlebt.

      Selbst Schwester Monique stellt unumwunden fest: „Schlaue Reiseveranstalter in aller Welt haben unverzüglich den lukrativen Braten gerochen und sowohl Studienreisen als auch Badeferien in kleinen, mückenverseuchten Dörfern am Indischen Ozean, die bisher kein Mensch freiwillig aufgesucht hätte, in ihr Touristikprogramm aufgenommen.

      Dass es in Ghanumbia so gut wie keine Hotels gibt, die auch nur andeutungsweise den gehobenen Ansprüchen europäischer oder amerikanischer Reisender gerecht werden, bildet dabei kein Hindernis.“

      Es stimmt: „Romantische“, „authentische“ und selbstverständlich mit dem Zauberwort „nachhaltig“ versehene Lehmhütten mit Palmblätterdächern für zwei bis sechs Personen, sind schnell aus dem Boden gestampft und kosten zudem nicht viel, weil man, natürlich wiederum nur aus Gründen der „Authentizität, Originalität und Nachhaltigkeit“, auf europäisch dekadentes Mobiliar wie gepolsterte Stühle, Kleiderschränke und stromfressende Kinkerlitzchen weitgehend verzichtet.

      Der schlaue Werbeslogan „Wer wäre nicht glücklich, ein paar Wochen so zu leben, wie es der Heilige Vater in seiner Jugend getan hat und wie es heute noch seine zahlreichen Verwandten praktizieren?“ tut erstaunlicherweise seine Wirkung.

      Wobei das Letztere mit Fug und Recht bezweifelt werden darf. Der weit verzweigte Obembe-Clan ist längst saturiert und noch der letzte schlichte, um zehn Ecken herum mit Leo XIV. Verwandte, hat sich längst seinen Anteil am riesigen Kuchen gesichert. Und Leo Africanus hat seine Jugendjahre bestimmt auch nicht in einer primitiven Lehmhütte verbracht.

      Die Sippe zeigt ihren Reichtum auch mit ihren Villen an den exklusivsten Orten der Welt, in denen sie, ähnlich den arabischen Ölscheichs, wie Fürsten residieren, mit den Automobilen, Yachten und Privatflugzeugen, die sich ihre Mitglieder leisten, mit den mondänen Hotels und verschwiegenen Clubs, in denen sie sich verwöhnen lassen.

      Aber vor allem erweist es sich an den, in der Regel weißen, topgestylten „Hostessen“ und „Models“, mit denen sich der männliche Teil der Familie in aller Öffentlichkeit schmückt.

      Lange vorbei und weitgehend vergessen sind die bitteren Jahre der Unterjochung und der schmachvollen Ausbeutung während der Zeit der Kolonisation. Von der jetzigen Generation der Obembes wissen nur noch die wenigsten über die einstigen Vorgänge genau Bescheid. Die Jüngeren interessieren sich auch mehrheitlich nicht mehr dafür. Die schmähliche Vergangenheit ist für sie längst passé und besitzt mittlerweile eher einen romantischen Touch.

      Eine der wenigen Ausnahmen bildet Schwester Monique, die sich immer schon von den Alten in der Familie von jenen längst vergangenen düsteren Kapiteln afrikanischer Historie hat erzählen lassen. Auch sie gehört einem entfernten Zweig der Obembe-Sippe an. Für Mädchen ist diese Art von Geschichtsunterricht auch heute noch gar nicht vorgesehen, ja, nicht einmal für die jüngeren Söhne.

      Nur der jeweils älteste wird nach wie vor von seinem Vater während der Jahre seines Heranwachsens darüber aufgeklärt, damit jene schmachvolle Periode nicht ganz in Vergessenheit gerät – und um ihm am Tage seiner Volljährigkeit den gleichen Schwur abzunehmen, und zwar Wort für Wort, den einst der kleine Wahehe-Knabe Mauritz, genannt Maurice, getan hat, nachdem er sich mit Mutter und Geschwistern durch Flucht vor einem brutalen Sklavenhalter hatte retten können.

      „Wem sollte ich in Bezug auf Gott eher glauben – als Gott?“

      (Ausspruch des heiligen Ambrosius)

      „Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt.“

      (Ausspruch von Mahatma Ghandi)

      Ein weiterer Tag neigt sich dem Ende zu. Für Seine Heiligkeit war er ein wenig ermüdend, denn heute musste er zwei Priestern, der eine aus Polen, der andere aus Mexiko, die bischöflichen Weihen erteilen. Stattgefunden hat das aufwändige Spektakel in San Giovanni in Laterano, einer von drei exterritorialen Kirchen auf italienischem Staatsgebiet.

      Er fühlt sich etwas erschöpft und hat sich nach dem gemeinsamen Abendessen mit den Schwestern Monique und Angélique sowie seinem Beichtvater sehr bald in sein Schlafgemach zurückgezogen.

      Moniques Blicke verdüsterten sich, als klar war, dass er auch dieses Mal darauf verzichten würde, seiner Geliebten einen diskreten Wink zu geben, ihn später alleine aufzusuchen, um mit ihm die Nacht zu verbringen.

      Leo Africanus wird sich stattdessen zur Entspannung erneut seiner momentanen Lieblingslektüre, dem Tagebuch seines Ururgroßvaters widmen.

      Anfangs hatte der deutsche Reichskanzler, Otto von Bismarck, wenig Neigung gezeigt, sich militärisch in Afrika zu engagieren: „Die Möglichkeit militärischer Expeditionen ist meiner Ansicht nach absolut ausgeschlossen“, lautete sein Statement. Ja, der Kanzler äußerte noch Folgendes: „Lieber würde ich alle ostafrikanischen Kolonialversuche aufgeben, als militärischen Unternehmungen im Landesinneren zuzustimmen!“

      Er zeigte sich über das Versagen der DOAG (Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft) und über den sich daraus ergebenden Aufstand der Einheimischen sehr ungehalten. Aber mit großer Selbstverständlichkeit nahm der Reichskanzler an: „Der Sultan von Sansibar wird die Kastanien schon aus dem Feuer holen und die Ordnung wiederherstellen!“

      Das sollte sich als großer Irrtum erweisen.

      Was Bismarck übersah, war das Faktum, dass der Sultan auf dem afrikanischen Festland über keinerlei Einfluss mehr verfügte. Was nach seiner Kungelei mit den Deutschen auch nicht verwunderlich war … Für das Deutsche Reich wäre ein tatsächlicher Rückzug

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