Wüsten. Wolf Dieter Blümel

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Wüsten - Wolf Dieter Blümel

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hoher Verdunstung ist hier Wärmemangel ein entscheidender Grund für wüstenhafte Vegetationsbedingungen. Ist die Vegetationsperiode so kühl und/oder kurz, dass sich keine oder nur wenige Pflanzen ansiedeln können, hat man eine Schutt- oder Felswüste vor sich. Es sind vor allem Flechten und Moose sowie wenige Phanaerogamen (Blütenpflanzen), die als Pionierpflanzen den geringsten Wärmeanspruch haben und am weitesten in hochpolare oder in die obersten Gebirgsregionen vordringen können. Sie sind gut gerüstet gegen Kälte- sowie häufig auch gegen Trockenstress. Trockenheit oder mangelnde Erreichbarkeit flüssigen Wassers sind Standortfaktoren, die sowohl in schnee- und regenarmen Polarregionen wie auch in den obersten Stufen von Hochgebirgen weltweit vergleichbar anzutreffen sind.

      Als Kältewüste werden arktische und antarktische Bereiche (= Polare Wüsten) sowie Hochgebirgsregionen definiert, deren Bewuchsdichte durch baumlose Tundrenpflanzen und Gebirgspflanzen weniger als 10 % der Fläche ausmacht. Sie ist mit dem geomorphologischen Begriff der Frostschuttzone identisch. Polare Wüsten liegen oberhalb des Polarkreises. Ihr klimatischer Jahresgang wird geprägt durch extreme Beleuchtungsjahreszeiten (Polartag/Polarnacht) und damit auch durch ein extremes Temperaturregime mit sehr tiefen Wintertemperaturen (ausgeprägtes Jahreszeitenklima). Die Niederschläge fallen vornehmlich als Schnee. Regional werden weniger als 100 mm/Jahr gemessen (Wasseräquivalent). Das entspricht der Größenordnung vieler heißer Wüstenregionen. Jedoch ist aufgrund der sommerlichen kühlen Temperaturverhältnisse die Verdunstungsrate um ein Vielfaches geringer und damit der Grad der Wasserknappheit für Pflanzen nicht vergleichbar. Andererseits wirkt regional ein heftiges Wind- oder Sturmregime, das zusätzliche Verdunstung und Abkühlung bewirkt mit dem Effekt, dass dort auch echter Trockenstress auftritt. Die polare Wüste mit ihrem Mangel an (Gefäß-)Pflanzen ist aber in erster Linie eine Kältewüste – so die gängige Bezeichnung. Treffender wäre aber der Begriff Wärmemangelwüste: Verantwortlich ist das relative Einstrahlungsdefizit in den höchsten polaren Breiten. Der Polarsommer erlaubt nur eine sehr kurze Vegetationsperiode. Im Sommer steigen die Temperaturen einige Grad über den Nullpunkt und lassen den oberflächennahen Untergrund auftauen, die Wärmesumme des Sommers reicht aber trotz durchgehender Einstrahlung für die meisten Blütenpflanzen nicht mehr zum Wachstum und zur Reproduktion aus. Wo die Mitteltemperatur des wärmsten Monats unter 6 °C bleibt, können meist nur noch Kryptogamen und wenige Gefäßpflanzen überdauern. Von Kältewüste spricht man, wenn weniger als 10 % der Fläche von Pflanzen besetzt sind.

      4.6.1 Polare Kältewüsten

      Kältewüsten finden sich in der Arktis in den Pol-nächsten Bereichen von Grönland, Spitzbergen sowie kanadischen und russischen Inseln (Abb. 63). Sie sind Teil des übergeordneten Periglazialgebietes (unvergletschertes, baumloses Polargebiet). Der Untergrund wird von kontinuierlichem Permafrost eingenommen; der wenige Dezimeter tiefe sommerliche Auftauboden trägt Tundrengesellschaften (Nieder- und Hocharktische Tundra). Wo diese enden, schließt sich die klimageomorphologische Frostschuttzone an; sie ist mit der botanisch assoziierten Kältewüste identisch (Foto 6). Deren Fläche umfasst etwa 1 Mio. km2. Die saisonalen Frostwechselereignisse zwischen Sommer und Winter sowie die diurnalen Frostwechsel in den Übergangsjahreszeiten erzeugen die typischen Frostmusterstrukturen der polaren Kältewüste: Auf flachen Standorten entstehen Steinpolygone unterschiedlichen Durchmessers (meist 1,5 – 20 m Durchmesser); an Hängen bis 15° Neigung finden sich Steinstreifen und Feinerdebeete als Ausdruck ungebundener Solifluktionsprozesse.

      Foto 6

      Kältewüste (Frostschuttzone) an der NW-Küste Spitzbergens (Kvaadehuksletta). Bei der Verwitterung dominiert die Frostsprengung, daher wird die Polarwüste als Frostschuttzone bezeichnet. Insbesondere klüftige und poröse Gesteine zerfallen leicht und bilden typische Sturzkegel oder Schutthalden.

      Im Südpolargebiet zählen nahezu alle unvergletscherten Bereiche zur Kältewüste. Eine Ausnahme macht die Spitze der unterhalb des Polarkreises liegenden Antarktischen Halbinsel, wo kleinräumig der hocharktischen Tundra nahekommenden Tundrenflecken auftreten (Blümel 1999). Auch diese maritim beeinflussten Areale sind von kontinuierlichem Permafrost unterlagert. In der Antarktis sind zwei sehr unterschiedliche Typen der Kältewüste entwickelt – eine zwar ozeanisch gemilderte und feuchte, aber äußerst sommerkühle Westantarktis (Antarktische Halbinsel) und der Typ der extrem trocken-kalten (kontinentalen) Wüste der Ost-Antarktis. Zu letzterer gehören v. a. die unvergletscherten Dry Valleys und das Victoria-Land. Hier handelt es sich um die Folgen einer extremen Trockenheit, die trotz stärkerer Insolation pflanzliches Wachstum verhindert. Die geringen Schneefälle verdunsten, ohne biotisch wirksam zu werden (Campbell & Claridge 1987). Rein physiognomisch gesehen treten starke Konvergenzerscheinungen mit den Hitzewüsten auf. Zur näheren Charakteristik der polaren Kältewüsten s. Kap. 16.

      4.6.2 Hochgebirgs-Kältewüsten

      Hochgebirgswüsten: Nach dem Prinzip des planetarischen (horizontalen) und hypsometrischen (vertikalen) Formenwandels, dem insbesondere die jeweiligen Temperaturbedingungen zugrunde liegen, sind in Hochgebirgen einige Analogie- und Konvergenzerscheinungen mit polaren Kältewüsten zu erwarten: In spezifischen Höhen werden aufgrund der vertikalen Erhebung klimatische Verhältnisse erzeugt, die denen in hoch- oder subpolaren Räumen ähneln, häufig auch verbunden mit Permafrost im Untergrund.

      In den Alpen könnte man die Höhenstufe ab der oberen alpinen Stufe mit ihrer lückenhaften bis diffusen Vegetation sowie die aperen Teile der nivalen Stufe mit dem Begriff der Kältewüste belegen. In den höchsten unvergletscherten Gipfellagen können noch vereinzelte Phaerogamen sowie Flecken mit Kryptogamen auftreten (= hoch-nivale Stufe). Je nach Bewuchsdichte ist auch die mittel-nivale Stufe mit dikotylen Polstergruppen, Moosen und Flechten zur Hochgebirgswüste zu zählen. Je nach geographischer Breitenlage und Kontinentalitätsgrad verändert sich die Höhenlage der Hochgebirgswüsten. Generell ist die Gebirgskältewüste unmittelbar unterhalb der Schneegrenze zu finden, die jedoch sehr stark expositionsbedingt schwanken kann:

       Alpen: 2500 – 3200 m

       Himalaya: 4900 – 5600 m

       Westtibet: 6200 m

       Vulkan Llullaillaco (Argent. Anden; Nähe Wendekreis): 6700 m

      Grob genommen setzt die subnivale Höhenstufe der Alpen bei etwa 2500 m ein; sie könnte mit ihren fleckenhaften Rasen und Pflanzenpolstern als Halbwüste eingestuft werden. Ab etwa 2900 m beginnt die Nivale Stufe als Kältewüste, deren Vegetationsausprägung von der nieder- über die mittel- bis zur hochnivalen Stufe immer schwächer wird.

      Bei den weiten asiatischen Hochgebirgswüsten kommt zum Wärmemangel regional noch ein Lee-Effekt, der zusätzlichen Wassermangel bewirkt. In den tropischen Hochgebirgen ist die Exposition jedoch unerheblich für die Ausprägung der Vegetationsgrenzen. Bestimmte Höhenlagen sind durch das isotherme Tageszeitenklima mit seinen diurnalen Frostwechseln bestimmt, wo auch Kleinformen der Frostmusterpolygone auftreten sowie Solifluktionsprozesse stattfinden. Tropische Hochgebirgswüsten entsprechen etwa der tierra fria A. v. Humboldt’s. Wie in Hochasien geht in manchen Hochlagen der Anden die Vegetationslosigkeit oder -armut auf orographische Einflüsse zurück, sodass nicht klar ist, ob hier Wärmemangel oder Trockenheit für den Wüstencharakter verantwortlich ist.

      4.7 Komplexe Wüstentypen (Mischtypen)

      Selten ist in einem größeren Wüstengebiet ein alleiniger Parameter für die Vegetationsarmut verantwortlich. So sind zum Beispiel in der Namib und in der Atacama zonal-klimatische Lageeffekte (Wendekreise),

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