Wüsten. Wolf Dieter Blümel
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Foto 7
Oben links: Grassavanne (Farmgelände, 2009) im Damaraland/Namibia. Die Niederschläge liegen bei etwa 250 mm/Jahr.
Oben rechts: Völlig überweidetes Gebiet mit ähnlicher Ausgangssituation, aber totalem Vegetationsverlust. Selbst die gute Regenzeit (2009) hat keine Erholung bewirkt, da offensichtlich nicht einmal mehr Grassamen in der Fläche zur Verfügung standen. Die Grassavanne ist hier zur anthropogenen Wüste geworden.
Unten links: Beginn einer durch Überstockung ausgelösten Bodenerosion. Linienhaftes Grabenreißen in der Dornbuschsavanne Namibias. Mit jedem Niederschlag frisst sich die Abtragung weiter rückschreitend und sich verzweigend ein, zerstört zunehmend die zuvor durch die Vegetation stabilisierte Oberfläche.
Unten rechts: Anthropogene, erosionsbedingte Felswüste im südostspanischen Gebirgsland. Die einst von Eichenwäldern bestandenen Hänge sind heute völlig verkarstet. Kleine Bodenreste sind allenfalls noch in tieferen Gesteinsspalten zu finden. Die ökologisch wie klimatische bedeutsame Wasserspeicherkapazität des ursprünglichen Bodens ist völlig vernichtet.
Eine einfache Kettenreaktion am Beispiel einer Grassavanne kann die progressive Desertifikation verdeutlichen (vgl. Foto 7):
Überstockung, d. h. zu hoher Viehbesatz für eine nachhaltige, die Regeneration fördernde Nutzung,→ Überweidung bis hin zum völligen Verbiss und dem Ausrupfen von Vegetationssprosskegeln und Wurzeln (vor allem durch Ziegen); Pflanzen bilden keinen Samen mehr aus,→ Verlust des infiltrations-fördernden Bodengefüges und Verschlämmung der Bodenoberfläche,→ Bodenerosion durch flächenhafte Abspülung oder BadlandBildung; besonders zerstörerisch durch Starkregeneffekte,→ verstärkter Oberflächenabfluss ggf. bis zur Freilegung des Gesteinsuntergrundes,→ Deflation der Feinfraktionen und Humus; Übersandung angrenzender Gebiete.
Es resultiert ein wüstenhafter Landschaftszustand als anthropogene Wüste, an diesem Beispiel durch Überweidung. Das Nutzungspotenzial dieses Raumes ist damit äußerst geschädigt oder vernichtet.
4.8.1 Klimawirksamkeit der Desertifikation
Vom Raubbau an Wäldern und Gehölzformationen lässt sich eine bisher kaum beachtete Klimawirksamkeit – hier am Beispiel der Mittelmeerländer – ableiten: Spätestens seit der Antike führte die Abholzung der subtropischen Steineichenwälder und die darin praktizierte Waldweide zu einer der Sekundärvegetation, die von der Macchie über die Garrigue bis hin zur Wüstensteppe, Ödland und nacktem Fels führte (Fotos 7, 44). Winterliche Starkregen, ergänzt durch Sommergewitter, brachten in der gestörten Vegetations- und Bodendecke eine teils verheerende Bodenerosion in Gang.
Mit der Bodendecke verloren ganze Landstriche ihren oberflächennahen Wasserspeicher: Die Infiltrationskapazität nahm ab, der Oberflächenabfluss dramatisch zu. Die Folge ist, dass die früher in einer intakten Ökosphäre gespeicherten Winterniederschläge nun zu großen Teilen direkt zum Vorfluter (oder in den tieferen Untergrund) abfließen. Mit dem Verlust der Waldbedeckung und des Bodens wird die Evapotranspiration eines Raumes erheblich geschwächt und damit auch die Wolkenbildung – die regionalen Niederschläge nehmen ab, die direkte Insolation nimmt zu. Ein Teil der Trockenheitsprobleme der Mittelmeeranrainer ist sicherlich auf anthropogenes Fehlverhalten zurückzuführen – zumindest lässt sich dies als These formulieren – und dokumentiert stellvertretend auch für andere Räume eine klimawirksame Spielart der Desertifikation.
4.8.2 Das Aralsee-Syndrom
Da Trockengebietsböden häufig über ein gutes Nährstoffangebot verfügen, wird im Durchflussbereich von Fremdlingsflüssen häufig Bewässerungsfeldbau in großem Stil betrieben. Das drastische Beispiel der Austrocknung des Aralsees steht für zahlreiche weitere Vorkommen von Umweltzerstörung und Ressourcenvernichtung. Auch dieser Vorgang ist in das breite Spektrum möglicher Desertifikationsprozesse einzuordnen. Hier entstehen durch fehlerhaft praktizierte Agrarnutzung Salzwüsten, was vielfältige Folgen nach sich zieht, sodass dafür der Begriff Aralsee-Syndrom vergeben wurde.
Der Aralsee liegt an der usbekisch-kasachischen Grenze und war 1960 mit 69 500 km2 der viertgrößte See der Erde. Bis 1990 ist er um die Häfte seiner Fläche geschrumpft (2006: 27 000 km2). Sein Wasservolumen verringerte sich dramatisch von 1040 km3 auf 231 km3. Entsprechend stieg der Salzgehalt von 5 g/l auf 30 g/l an (Dech & Ressl 1993). Bis 2020 wird der See fast vollständig eingetrocknet sein (Abb. 13).
Abb. 13
Progressive Austrocknung: links Zustand des Aralsees im Jahr 2003, rechts im Jahr 2009 (aus Giese & Sehring 2009).
Obwohl bereits seit der Jahrhundertwende etwa 2,8 Mio. ha Land im Durchflussbereich von Amu Darja und Syr Darja bewässert wurden, blieb der See quasi stationär. Der jährliche Verdunstungsverlust von 1000 mm (= 66 km3) wurde durch Grundwasser und Oberflächenzustrom ausgeglichen: Die beiden aus dem Pamir- und Tian Shan-Gebirge kommenden Flüsse lieferten 55 – 56 km3 Wasser pro Jahr. Aus regionalen Niederschlägen (138 mm/Jahr) stammten 9,1 km3. Ab den 1960er-Jahren wuchs die Bewässerungsfläche (Baumwolle, Reis) bis 1990 auf über 7,5 Mio. ha. Der Feldbau entzog dem Amu und Syr Darja immer mehr Wasser mit der Folge, dass der Syr Draja zwischen 1974 und 1986 den See nicht mehr erreichte. Auch der stärkere Amu Darja lieferte in den Jahren 1982, 1983, 1985, 1986 und 1989 kein Wasser (Giese 1997). Die Verdunstungsverluste ließen den Seespiegel rasant sinken. Der gegenüber früher außergewöhnlich hohe Wasserverbrauch pro Flächeneinheit ist auf Fehlplanungen, undichte Kanäle, Missmanagement u. a. zurückzuführen. Gewaltige Mengen an Dränage- und Abflusswasser wird in die Wüste geleitet, wo es verdunstet und die Böden versalzt. Da eine gut austarierte Dränage immer ein Problem in der Bewässerungslandwirtschaft darstellt, gehen auch große Kulturflächen durch Versalzung verloren. Zunächst kommt es zu Ertragseinbußen, später zur Aufgabe. Neue Felder müssen erschlossen werden. Die jahrzehntelange Baumwoll-Monokultur hat zu intensiver Bodenauslaugung geführt, die durch zunehmende Düngergaben ausgeglichen werden muss. Dem Problem der Schädlinge und Unkräuter versucht man mit massivem Einsatz giftiger Pestizide, Herbizide und Entlaubungsmitteln zu begegnen. Nach Angaben der Weltbank sind im Jahr 1991 im Durchschnitt 41,6 kg Pestizide pro Hektar eingesetzt worden.
Anfang 1992 wurde die Aralsee-Region (473 000 km2) von den betroffenen ehemaligen Sowjet-Republiken zum Katastrophengebiet erklärt. Hier leben 3,8 Mio. Menschen. Die Belastung und Vergiftung des Trinkwassers wie auch die Belastung durch aufgewehte, kontaminierte Stäube haben zahlreiche infektiöse Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes und der Atmungswege nach sich gezogen; ebenso stieg die Zahl der Krebserkrankungen signifikant. Die Mütter- und Kindersterblichkeit ist drei- bzw. viermal so hoch wie im europäischen Teil der ehemaligen UdSSR (Giese 1997).
Vom trockengefallenen Seeboden und seinen Randlandschaften gehen auch Fernwirkungen aus, die letztlich den laufenden Klimawandel noch akzentuieren: Salze und Stäube werden mit den westlichen Winden in die vergletscherten Einzugsgebiete von Amu und Syr Darja eingetragen, wo sie die Schnee- und Eisflächen zu schnellerem Abtauen bringen. Zudem werden die Giftstoffe aus der Landwirtschaftsproduktion in andere Ökosysteme eingetragen.
Die Aralsee-Region selbst ist großräumig zur anthropogenen Salzwüste geworden und weite Flächen entlang der Zuflüsse wandeln sich zu versalzten