Social-Media-Content. Gabriele Goderbauer-Marchner
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Auch bieten die sozialen Medien den Nutzern »die Möglichkeit, sich überhaupt einmal mit ihren Leistungen, Fähigkeiten und Interessen öffentlich darzustellen. Es entstehen Freiräume, Enklaven für verdrängte Interessen und ignorierte Potenziale von Individuen. Dabei lässt sich genau das Bild zeichnen, das man gerne von sich hätte« (Ebersbach et al., 2011, S. 224). Anknüpfend an die in Kapitel 3.1 aufgegriffene Triebfeder zur Nutzung sozialer Medien, bieten sie eine Plattform zur Selbstinszenierung, auf der die User sich selbst, ihre Interessen, ihre Stärken und ihre Arbeit in den Fokus rücken können. Je mehr Nutzer ihren eigenen Content verbreiten, desto stärker ist jedoch auch der Kampf um Bedeutung und Anerkennung. Viele Social-Media-Angebote machen sich deshalb die bürgerlichen Werte und Leistungsvorstellungen zunutze: »Je ungleicher die Aufstiegschancen in einer Gesellschaft verteilt sind, desto attraktiver werden diese als gerecht und klar empfundenen Werte« (ebd., S. 225). So existieren beispielsweise auch in Foren bestimmte Rollenmuster, wie die des Administrators, der durch Wahl bestimmt wird und dem aufgrund seines Amtes neue Aufgaben und Handlungsspielräume übergeben werden. Das Prinzip ähnelt dem einer Wahl des Sprechers einer real existierenden Interessensgruppe.
Die sozialen Medien geben jedem Einzelnen die Möglichkeit, den Wunsch nach Selbstpräsentation und Anerkennung zu befriedigen. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist dieselbe, die dem Henne-Ei-Problem zugrunde liegt: Was war zuerst da? Sind die sozialen Medien Schuld an dem Bedürfnis nach Profilierung oder sind sie lediglich eine Antwort auf bereits bestehende Wünsche? FACEBOOK bietet diesbezüglich ein gutes Beispiel: Bei jedem Besuch der Plattform werden dem Nutzer neue Statusmeldungen, Profilbilder, besuchte Veranstaltungen etc. präsentiert. Es scheint, als könnten alle FACEBOOK-Kontakte am laufenden Band soziale Errungenschaften aufweisen: der Aufstieg im Job, ein abgeschlossenes Studium, eine neue Beziehung, das erste Kind. Um im sozialen Ranking zu bestehen und dem Vergleich mit anderen standhalten zu können, setzt schnell das Gefühl ein, selbst auch an diesem inoffiziellen Wettbewerb teilnehmen zu müssen – vermeintlich wird man in der virtuellen Gesellschaft nur noch so überhaupt wahrgenommen.
Einerseits schüren die sozialen Medien also die Tendenz zur Selbstinszenierung, andererseits wurde das eigene Profil aber auch bereits vor dem Zeitalter des Web 2.0 öffentlich präsentiert. Die Bühnen waren und sind immer noch: das Klassenzimmer für den Klassenclown und Streber, der Konzertsaal für den Musiker und Opernkenner, die Fußgängerzone für den Straßenkünstler und die Fashion-Diva, das Büro für den immer netten Mitarbeiter und den dominanten Abteilungsleiter. Die sozialen Netzwerke ermöglichen es nun, sich vor einem größeren Publikum zu inszenieren, denn die beschriebenen Inszenierungstypen finden ihre Plattform auch im Internet. Der Klassenclown postet seine humorvollen Statements und Bilder auf www.9gag.com, der Streber verewigt sein Wissen in einem Artikel auf www.wikepedia.de, der Musiker und Straßenkünstler veröffentlicht seine Songs in einem eigenen Channel auf www.youtube.com, und die Fashion-Diva bloggt über die neusten Modetrends auf ihrem persönlichen Account auf www.wordpress.com. Es zeigt sich, dass die sozialen Medien einerseits eine Plattform für den Drang nach Selbstinszenierung zur Verfügung stellen sowie andererseits den Wunsch schüren und verstärken, sich selbst in gutem Lichte darzustellen.
Eine weitere Bedeutung des sozialen Webs für die Gesellschaft und das Individuum, die nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist das Entertainment durch laufende Neuigkeiten und durch das Gefühl, wie bei einem Schlüsselloch in die privaten Räume der anderen Nutzer sehen zu können: »Die Seiten ändern sich, man erhält ständig persönliche Nachrichten, man kann anderen Menschen bei der Kommunikation oder bei ihren Aktivitäten zusehen. Es ist der User Generated Content, der die jeweiligen Seiten attraktiv macht« (Ebersbach et al., 2011, S. 228).
Ein eindrückliches Beispiel für die Bedeutung der sozialen Medien für die Gesellschaft stellt der Arabische Frühling dar. Das wichtigste Medium zur Mobilisierung der Bevölkerung war FACEBOOK; TWITTER und YOUTUBE wurden genutzt, um weltweit über Massenproteste zu informieren. Auch wenn die Revolutionen nicht im virtuellen Raum, sondern auf der Straße stattfanden, hatte die Vernetzung von Fernsehen, Mobiltelefonen und Internet eine entscheidende Rolle für die Umbrüche in der arabischen Welt (vgl. El Difraoui, 2011, o. S.). Dies zeigt, dass sich die Beteiligten im Internet auf vielfältige Weise »als schöpferisch handelnden und teilhabenden Menschen erfahren« (Ebersbach et al., 2011, S. 229) können, sei es durch Blogbeiträge über die neusten Handtaschentrends oder den Aufruf zu politischen Revolutionen.
3.3 Risiken der sozialen Medien und die Wichtigkeit von Medienkompetenz
»Auf der Suche nach Realität findet der User im Medienzeitalter zunehmend Fiktion« (Swoboda, 2010, S. 24).
Diese Aussage trifft am offensichtlichsten auf die im Fernsehen gezeigten Reality Shows zu, die Authentizität und Echtheit vorgeben, doch zu einem großen Teil einem festen Drehbuch folgen. Ein fließender Übergang von realer Wirklichkeit zu medialer Fiktion findet auch in den sozialen Medien statt. Die sozialen Medien erlauben es den Usern, sich selbst darzustellen, und bieten somit die Möglichkeit, neue Identitäten zu erschaffen. Dessen sollten sich die Nutzer bewusst sein, da in den sozialen Netzwerken nicht nur bestehende Freundschaften gepflegt, sondern auch neue Bekanntschaften geknüpft werden können, die möglicherweise auf einem verzerrten Bild der Realität aufbauen. Es gibt verschiedene Gründe, wieso Identitäten im Internet kreiert werden. Zum einen, um sich bewusst »neu zu erfinden« und zu prüfen, wie der Selbstentwurf von der Umwelt wahrgenommen wird. Zum anderen kann Fiktion auch unbewusst geschehen, wenn der User ein Bild von sich preisgibt, das nicht mit dem übereinstimmt, das seine Mitmenschen von ihm haben. Eher unbeachtet, jedoch ebenso wichtig ist der Zusammenhang zwischen sozialen Netzwerken und Kriminalität: Fiktive Accounts können genutzt werden, um beispielsweise mit Ortungsfunktionen Einbrüche zu planen, da diese Anwendungen einen Rückschluss darauf ziehen lassen, wo sich eine Person gerade aufhält. Wichtig ist es deshalb, Freundschaftsanfragen von dubiosen Accounts nicht anzunehmen und darüber hinaus bedacht mit der eigenen Privatsphäre umzugehen. Dies reicht von den Account-Einstellungen (z. B. »Wer darf was sehen?«) bis hin zu der Frage, welche persönlichen Inhalte online veröffentlicht werden.
Ein bewusster Umgang mit der eigenen Privatsphäre beinhaltet auch, dass beispielsweise der (potenzielle) Arbeitgeber keinen unerwünschten Zugang zu privaten Informationen über den Mitarbeiter/Bewerber erhält. Wichtig ist nämlich, die private und berufliche Nutzung der sozialen Medien zu trennen. So hat sich FACEBOOK überwiegend in der privaten und LINKEDIN sowie XING in der beruflichen Netzwerkpflege etabliert. Ein kompetenter Umgang mit den von den Plattformbetreibern teils undurchsichtig gestalteten Privatsphäre-Einstellungen ist dabei unumgänglich und der beste Schutz davor, private Informationen unbedacht im Internet preiszugeben.
Es empfiehlt sich, von Zeit zu Zeit nach seinem Namen zu googeln, denn die Überraschung kann groß sein: Es existieren spezielle Personensuchmaschinen (z. B. YASNI), die privat geglaubte Informationen aus den sozialen Netzwerken auswerten und veröffentlichen. Dies macht einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, die eigene Privatsphäre zu schützen.
Ein weiterer Aspekt, der im Zusammenhang mit der Medienkompetenz genannt werden sollte, ist die Gratwanderung