Agro-Food Studies. Ernst Langthaler

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Agro-Food Studies - Ernst Langthaler страница 15

Автор:
Серия:
Издательство:
Agro-Food Studies - Ernst Langthaler

Скачать книгу

Landschafts- und Kulturräumen zu Aufhängern regionaler Identitätsentwürfe werden sowie zur biokulturellen Vielfalt, zur Erhaltung regionsspezifischer Produktionsstrukturen, Fertigkeiten und Arbeitsplätze beitragen.

      Nicht zuletzt werden regionale Lebensmittel aber auch von Agrarmarktorganisationen und dem Lebensmitteleinzelhandel beworben. Der Lebensmittelmarkt im deutschsprachigen Raum und in weiten Teilen des Globalen Nordens ist gut gesättigt, zudem drängen durch die Öffnung der Märkte neue, oftmals preisgünstigere Produkte auf die bisher von heimischen Produkten dominierten Lebensmittelmärkte. Um neue Produkte vermarkten zu können, müssen sich diese aus der preisgünstigen Masse hervorheben, indem sie den KundInnen einen zusätzlichen Nutzen wie Nachhaltigkeit, ‚Authentizität‘ oder ‚Regionalität‘ versprechen. Heimische Produkte mit hoher Reputation lassen sich auch auf internationalen Märkten als hochpreisige Qualitätsprodukte positionieren. Regionalisierung lässt sich somit nicht nur als Gegenbewegung zur, sondern auch als komplementärer Prozess der Globalisierung erklären (mehr dazu im Abschnitt 3.4).

      Vielfältige Motive regionaler Ernährung

      Obwohl „Regionalität“ in Konsumerhebungen oftmals unterschiedlich bzw. gar nicht definiert wird, zeigen verschiedene Studien dennoch, dass der Trend zu regionalen Lebensmitteln auf sehr ähnlichen und vielfältigen Motiven beruht (Tab. 3.1). Natürlich erfüllen sich diese vielfältigen Erwartungen nicht in jedem Einzelfall (siehe Abschnitt 3.3.3).

images

      Wenn sich Regionalität und Saisonalität paaren, verfügen Obst und Gemüse aus der Region über Qualitätsmerkmale hinsichtlich Frische und Geschmack, die sonst durch frühzeitige Ernte oder lange Transportwege bzw. Glashauskultur verloren gehen. Andererseits kommt ein im Frühling konsumierter Apfel aus regionaler Lagerware geschmacklich nicht an den kürzlich geernteten Apfel aus Übersee heran. Aber selbst das Bewusstsein, dass bestimmte regionale Lebensmittel nur saisonal verfügbar sind, wird kultiviert: Wer fast das ganze Jahr auf die ersten Erdbeeren, den frischen Spargel, die ersten Aprikosen wartet, erfreut sich ganz besonders am Genuss dieser saisonalen Lebensmittel.

      Während Frische vor allem bei Obst, Gemüse, Fleisch und Backwaren eine Rolle spielt, werden andere Qualitätsmerkmale vor allem durch Fertigkeiten der Verarbeitung geprägt. Lebensmittel können einen entscheidenden Qualitätsvorteil aufweisen, wenn wiederholte Transaktionen sowie die Bekanntheit der Betriebe und ihrer Produktionsbedingungen einen Qualitätsdruck erzeugen, der zu stetiger Innovation und Weiterentwicklung führt. VerarbeiterInnen, die KundInnen nicht bekannt sind bzw. diese nicht langfristig beliefern, können sich diesem Qualitätsdruck u. U. leichter entziehen.

      Angesichts der oftmals beklagten Intransparenz und der mangelnden nationalstaatlichen Steuerbarkeit langer, globaler Warenketten versprechen kurze regional verankerte Produktionssysteme subjektive Sicherheit. KonsumentInnen schenken ProduzentInnen, deren Tun sie zumindest teilweise (und möglicherweise auch nur potenziell) selbst beobachten können, die sie vielleicht sogar persönlich kennen, größeres Vertrauen. Zudem lassen sich ökologische und soziale Standards über demokratische bzw. gesellschaftspolitische Prozesse (z. B. Tierschutzstandards, Gentechnikfreiheit) und die direkte Interaktion mit bäuerlichen Betrieben (solidarische Landwirtschaft, Lebensmittelkooperativen, Ab-Hof-Verkauf usw.) zumindest teilweise mitgestalten.

      Auch wenn Umweltschutz ein ganz wesentliches Motiv für den Kauf regionaler Lebensmittel darstellt, bedarf es diesbezüglich eines differenzierten Blicks. Kürzere Transportwege müssen sich nicht zwingend in niedrigeren Emissionen niederschlagen (man denke an die Glashaustomate oder die gegenüber der CO2-Effizienz des Überseeschiffs ungleich niedrigere des Pkws für die Direktvermarktung). Umgekehrt ist davon auszugehen, dass der Druck für eine ökologisch und sozial verantwortungsvolle Produktion ungleich größer ist, wenn KonsumentInnen das Produkt mit dem Ort seiner Produktion direkt in Verbindung bringen können. Wer kauft schon gern Produkte, von denen bekannt ist, dass sie aus einer Region mit kontaminierten Böden, verschmutzten Gewässern oder ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen stammen? Weitere Motive neben Umwelteffekten im engen Sinne sind auch die Erhaltung bedrohter Nutztierrassen bzw. Kulturpflanzensorten und das Vermeiden unerwünschter Landschaftsveränderungen.

      Viele KonsumentInnen geben an, die regionale Landwirtschaft und das regionale Lebensmittelgewerbe unterstützen zu wollen, um zur oben erwähnten Landschafts- und Speisenvielfalt beizutragen. Manche erinnern sich aber auch an Lebensmittelskandale (siehe Abschnitt 5.6) oder kriegsbedingte Lebensmittelknappheiten. Sie hoffen, dass die Erhaltung der Produktionsflächen, -strukturen und -fertigkeiten die → Resilienz der Lebensmittelversorgung gegenüber Pandemien, Kriegen, Terroranschlägen oder internationalen Lebensmittelskandalen erhöht.

      Regionale Lebensmittel werden oftmals direkt ab Hof, über Lebensmittelkooperativen, Selbsternteprojekte, Eigen- oder Gemeinschaftsgärten bezogen. Das verspricht andere Erlebnisse, andere Lerneffekte und eine andere Befriedigung als beim alltäglichen Einkauf im Supermarkt.

      3.3.2 Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

      Alternative Formen der regionalen Lebensmittelversorgung, wie Lebensmittelkooperativen oder die solidarische Landwirtschaft, aber auch der traditionelle Ab-Hof-Verkauf, setzen stark auf Vertrauen. Vertrauensbasierte Transaktionen sind vor allem dort zu finden, wo Personen bereits wiederholte Male positive persönliche Austauscherfahrungen gemacht haben. RegionalisierungsverfechterInnen gehen davon aus, dass langfristige persönliche Beziehungen und ihnen inhärente gegenseitige Verpflichtungen und Abhängigkeiten opportunistisches Verhalten eindämmen.

      Da der Qualitätsdruck durch die persönliche Bekanntheit der ProduzentInnen größer ist, wird gerade bei in kleinen Mengen produzierten regionalen Lebensmitteln ein Qualitätsvorsprung erwartet. Die Lebensmittelproduktion am Ort des Konsums ist durch „dichtere ökologische Rückkoppelungen“ charakterisiert und ermöglicht so raschere Anpassungsmaßnahmen bei unerwünschten ökologischen Effekten (Campbell 2009). Außerdem kennen KundInnen in der Regel eher die ökologischen und sozialen Standards, die im nationalen Umwelt-, Lebensmittel- und Arbeitsrecht definiert sind und von nationalen Behörden kontrolliert werden, als jene anderer Länder.

      Die wenigsten Produkte aus der Region können all die vielfältigen Erwartungen einlösen, die in Tab. 3.1 aufgelistet sind. Nicht alle Betriebe, die Regionalprodukte vermarkten, arbeiten nach den Regeln des → Ökolandbaus oder erfüllen über das Tierschutzrecht hinausgehende Standards einer artgerechteren Tierhaltung. Manche bringen sogar qualitativ minderwertige oder nicht mehr frische Produkte in Umlauf. Auf Bauernmärkten finden sich teilweise auch zugekaufte, von weither importierte oder minderwertige Lebensmittel. Die „Wo-Frage“ gibt also keine verlässliche Antwort auf die „Wie-Frage“ nach den Produktions- und Handelsbedingungen (Ermann 2015).

      Die Mitglieder von Lebensmittelkooperativen (Box 3.5) oder der solidarischen Landwirtschaft (Box 3.4) sind oftmals BesserverdienerInnen und (angehende) Akademiker-Innen. Personen mit Migrationshintergrund und sozial benachteiligte Gruppen haben oftmals keinen Zugang zu Qualitätsprodukten aus der Region. Somit bleibt regionale Ernährung das Privileg eines exklusiven Clubs der weißen Mittelklasse (DuPuis

Скачать книгу