Agro-Food Studies. Ernst Langthaler

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Agro-Food Studies - Ernst Langthaler страница 10

Автор:
Серия:
Издательство:
Agro-Food Studies - Ernst Langthaler

Скачать книгу

Strategien unterscheiden sich nicht nur nach Nähe zum und Distanz vom WTO-zentrierten Nahrungsregime, sondern auch im Hinblick auf globale, nationale oder subnationale Denk- und Handlungsansätze (Young 2012, 342 ff.). Eine – wenn nicht die – Existenzfrage der gegenwärtigen Weltgesellschaft und ihrer Umwelt lautet, ob das neoliberale Regime mit seinen sozialen und ökologischen Folgekosten aus der aktuellen Krise gestärkt hervorgeht oder durch ein anderes, etwa der Ernährungssouveränität verpflichtetes Regime abgelöst wird. Darum geht es im Schlusskapitel dieses Buches (siehe Kapitel 9).

      Kontrollfragen

      imagesWorin besteht das Problem einer modernisierungstheoretischen Sicht der Geschichte und welche Lösung bietet sich dafür an?

      imagesWelche Weltregionen sind HauptproduzentInnen und -konsumentInnen der global gehandelten Nahrungsmittelmengen in den drei Nahrungsregimen?

      imagesWelche (handels- und währungs-)politischen Institutionen regeln die Produktflüsse in den drei Nahrungsregimen?

      imagesWer sind die treibenden Akteure in den drei Nahrungsregimen?

      imagesAufgrund welcher Widersprüche sind Gegenbewegungen zu den drei Nahrungsregimen entstanden?

      Diskussionsfragen

      imagesWer sind GewinnerInnen und VerliererInnen in den drei Nahrungsregimen?

      imagesInwieweit lag bzw. liegt es in der Macht der KonsumentInnen, ein herrschendes Nahrungsregime zu verändern?

      imagesWelche Formen von Nahrungsregimen erscheinen aus Sicht unterschiedlicher Akteure (ProduzentInnen im Globalen Norden bzw. Süden, transnationaler Handels- und Verarbeitungsunternehmen, KonsumentInnen im Globalen Norden bzw. Süden usw.) für die Zukunft als wünschenswert?

      Globalisierte Wertschöpfungsketten verknüpfen arbeitsteilige Produktions- und Verarbeitungsschritte in verschiedenen Ländern und Kontinenten. Die Liberalisierung und Öffnung nationaler Märkte, technische Innovationen und die Nachfrage einer wachsenden Bevölkerung nach günstigen und vielfältigen Lebensmitteln haben zu immer längeren Wertschöpfungsketten geführt. Gleichzeitig bemühen sich immer mehr KonsumentInnen, Betriebe und Initiativen, aber auch ganze Regionen aus unterschiedlichsten Motiven um kurze, regionale Wertschöpfungsketten und deren stärkere Einbettung in regionale Sozialstrukturen. Das Konzept der sozialen Einbettung hilft, Lebensmittelketten und ihre AkteurInnen hinsichtlich der Intensität ihrer sozialen Interaktion zu betrachten. Es verdeutlicht, dass die Zahl der entlang der Wertschöpfungskette interagierenden AkteurInnen sowie deren soziale und geografische Nähe zueinander unterschiedliche Formen der Organisation, Regulierung und Kontrolle bedingen. Das Kapitel präsentiert aus der Perspektive der sozialen Einbettung zunächst Globalisierungs- und Regionalisierungsprozesse getrennt voneinander, um dann die vermeintliche Dichotomie als Kontinuum sozialer Einbettung zusammenzuführen. International vertriebene Lebensmittel mit bekannter geografischer Herkunft zeigen, wie sich Vorteile der Einbettung in regionale Sozialstrukturen mit dem globalen Handel verbinden lassen.

      Supermärkte bieten uns das ganze Jahr günstige Lebensmittel aus unterschiedlichen Teilen der Welt. Was viele als großartige Errungenschaft bewerten, motiviert andere, besonderes Augenmerk auf regional produzierte Lebensmittel zu legen. Galten früher exotische Speisen als Statussymbol, wurden in den letzten Jahren regionale Lebensmittel zur Ausdrucksform eines nachhaltigen Lebensstils besser verdienender und höher gebildeter Gruppen. Aber macht es einen Unterschied, ob wir Lebensmittel von Betrieben aus der Region oder aus anderen Teilen der Welt beziehen? Mithilfe des Konzepts der Einbettung soll der Verknüpfung zwischen Essen und den in konkreten Regionen verankerten menschlichen Beziehungen, ökologischen und institutionellen Strukturen der Lebensmittelversorgung auf die Spur gegangen und eine Auflösung des Gegensatzes zwischen global und regional versucht werden.

      Das von Karl Polanyi (2001) geprägte und von der Wirtschaftssoziologie und den kritischen Food Studies neu gedeutete Konzept der Einbettung (→ embeddedness) wird breit genutzt, um Produktions- und Distributionssysteme (auch solche von Lebensmitteln) hinsichtlich ihrer Verankerung in sozialen und institutionellen Strukturen zu beurteilen. Polanyi argumentiert, dass ökonomisches Handeln in vormarktwirtschaftlich organisierten Gesellschaften in Sozialbeziehungen wie Verwandtschaft, Nachbarschaft oder Solidarverpflichtungen eingebettet sei. Der Kapitalismus würde – in enger Kooperation mit dem Nationalstaat – wirtschaftliches Handeln zunehmend von sozialen Beziehungen entbetten. Damit kontrastiert er in soziale Beziehungen eingebettete (vorkapitalistische) und entbettete (kapitalistische) Gesellschaften und hinterfragt die auch durch die → Globalisierung vorangetriebene Dominanz des Marktes über die Gesellschaft. Laut Giddens (1995, 33) geht die Globalisierung, welche u. a. durch die Ausweitung der Reichweite individuellen Handelns gekennzeichnet ist, einher mit einer „Entbettung“ des Lebens (disembedding). Darunter versteht er das Herausheben sozialer Beziehungen aus örtlich begrenzten und normativ verfestigten Interaktionszusammenhängen. Zusätzlich wird das Vertrauen in abstrakte Systeme zu einer Voraussetzung für das Funktionieren des Alltags (Giddens 1995).

      Granovetter (1985) stellt das untersozialisierte Menschenbild des homo oeconomicus der neoklassischen Ökonomie und einer von sozialen Beziehungen entbetteten kapitalistischen Produktion auf der einen Seite dem übersozialisierten Strukturalismus der Soziologie und dessen Verständnis eines in Verwandtschafts-, Nachbarschafts- und Freundschaftsbeziehungen eingebetteten Warenaustauschs auf der anderen Seite gegenüber. Er argumentiert, dass letztlich alle ökonomischen Transaktionen auf sozialen Beziehungen beruhen und es daher nicht um die Frage geht, ob ein Produktionssystem in soziale Beziehungen eingebettet ist oder nicht, sondern um den Grad und die Art der sozialen Einbettung. Auch unterstreicht er die Bedeutung sozialer Beziehungen für die Schaffung von Vertrauen als Voraussetzung für ökonomische Transaktionen (Granovetter 1985).

      In einem gewissen Widerspruch zu Granovetters Argument, dass alle Produktionssysteme sozial eingebettet seien, werden alternative Lebensmittelsysteme, wie Lebensmittelkooperativen, → solidarische Landwirtschaft oder kurze Bio-Wertschöpfungsketten (→ Wertschöpfungsketten), auch als „Wiedereinbettung“ der Lebensmittelversorgung in regional verankerte soziale Beziehungen interpretiert (Raynolds 2000; Hinrichs 2000; Murdoch et al. 2000; Barham 2003; Penker 2006; Morris und Kirwan 2011). Hinrichs (2000) wiederum fordert mit Verweis auf Granovetter (1985), das Konzept differenziert zu verwenden und Einbettung nicht als freundliche Antithese zum Markt zu simplifizieren. Dieses Kapitel folgt Granovetters Argumentation und diskutiert globale und regionale Lebensmittelsysteme entlang unterschiedlicher Gradienten sozialer Einbettung, anstatt sie als entbettet und (wieder) eingebettet gegenüberzustellen.

      Demnach gliedert sich dieses Kapitel in drei Teile. Nach einem Einblick in die Globalisierung und die damit einhergehende graduelle Entbettung der Lebensmittelproduktion aus ihrem sozialen, regionalen und ökologischen

Скачать книгу