Glaube. Группа авторов

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frühen Christentum zu beobachten ist, die erklärt werden muss. Weiterführend ist daher der von Schumacher (2012: 18) eingeschlagene Weg: »Wenn also, wie in der vorliegenden Arbeit, der Blick in erster Linie auf die Wortsemantik gerichtet ist, so lässt sich diese nicht isoliert von den syntaktischen Bezügen und den jeweiligen – sowohl innertextlichen und soziokulturellen – Kontexten betrachten, sondern kann nur von diesen her bestimmt werden.«

      1.1. Das Vorkommen des Lexems Glaube im Neuen Testament

      Das Lexem Glaube tritt in den neutestamentlichen Schriften unerwartet und mit solcher Dominanz in den Mittelpunkt, dass im Vergleich mit seiner Vor- und Zeitgeschichte von einer »explosionsartigen Steigerung« (Jüngel 2000: 953; auch Weder 1992) gesprochen wurde. |34|Ein Blick in die Statistik der Konkordanz zum Novum Testamentum Graece zeigt: das Substantiv πίστις (»Glaube«) und das Verb πιστεύω (»ich glaube«) begegnen jeweils 243-mal, πιστεύειν (»glauben«) zum Vergleich in der gesamten Septuaginta 45-mal. Daneben sind noch einzubeziehen das Adjektiv πιστός/»treu« (67-mal), das Verb πιστόω/»ich erweise mich als treu« (einmal), das Adverb πιστῶς/»zuverlässig« (einmal) und die jeweiligen Gegenbegriffe ἀπιστία/»Unglaube« (11-mal), ἀπιστέω/»ich bin ungläubig« (8-mal) und ἄπιστος/»ungläubig« (23-mal) sowie ὀλιγοπιστία /»Kleinglauben« (einmal) und ὀλιγοπιστός/»kleingläubig«(5-mal). Übertroffen werden diese Werte insgesamt nur noch von θεός/»Gott« (1318-mal), κύριος/»Herr« (719-mal), Χριστός/»Christus« (531-mal). Der Blick in die Konkordanz zeigt aber auch eine ungewöhnliche Häufung etwa des Begriffs πίστις (»Glaube«) in der Briefliteratur und in der Apostelgeschichte gegenüber nur 24 Belegen in den Synoptischen Evangelien und vier Belegen in der Johannesapokalypse. Freilich fällt auch auf, dass das Substantiv πίστις nur einmal im Corpus Johanneum verwendet wird, das Verb πιστεύειν (»glauben«) hingegen im Corpus Johanneum fast die Hälfte aller neutestamentlichen Belege abgibt. Kolosserbrief, Philemonbrief, 2. Petrusbrief und Johnnesapokalypse benutzen ausschließlich das Substantiv. Eine Konzentration des Lexems Glaube wiederum findet man in den Briefen des Paulus, und zwar sowohl in allen authentischen als auch in allen pseudepigraphen Briefen, und dabei wiederum liegen eindeutige Schwerpunkte im Römerbrief, im Galaterbrief und in den Pastoralbriefen (vgl. auch Karrer 1994; Merk 2003; Michel/Haacker 1997).

      1.2. Forschungsgeschichte

      Die Forschungsgeschichte hat – auch wenn der oben dargelegte statistische Befund anderes nahegelegt hätte – den Glauben zwar immer mit bedacht, aber doch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nie zentral behandelt. Er war der Christologie, der Ekklesiologie, den Sakramenten, der Rechtfertigungslehre, der Ethik u.a. unter- oder zugeordnet und führte kein rechtes Eigenleben.

      Am Anfang der neueren Forschungsgeschichte steht Adolf Schlatters Werk Der Glaube im Neuen Testament. Eine Untersuchung zur neutestamentlichen Theologie, eine von der »Haager Gesellschaft zur Vertheidigung der christlichen Religion« gekrönte Preisschrift aus dem Jahr 1885. Dieses Werk erfuhr sechs Auflagen, Nachdrucke und |35|Übersetzungen. Die letzte Auflage wurde im Jahr 1982 mit einem umfangreichen Vorwort von Peter Stuhlmacher (V–XXIII) erneut gedruckt, was die Bedeutsamkeit dieses umfassenden Werks zum Thema nur unterstreicht. Schlatter beschreibt den Glauben als ein bußwilliges inneres Geschehen, als eine Reue, als Haltung des Menschen vor Gott: »Die Gründung der Gemeinde auf Glauben ist das Zeugnis Jesu für die Superiorität Gottes über den Menschen« (Schlatter 31905: 552).

      Daneben ist Rudolf Bultmanns ThWNT-Artikel πιστεύω κτλ (»ich glaube«) aus dem Jahr 1959 zu nennen, in dem er – neben den Ausführungen in der Theologie des Neuen Testaments (Bultmann 1982) – seinen Ansatz der existentialen Interpretation darlegt (Bultmann 1959). An die Stelle der Reue in Schlatters Interpretation tritt nun in struktureller Fortführung von Schlatters Ansatz der Begriff der Entscheidung (Lührmann 1976: 55). Bultmann beschreibt in einer radikalen Individualisierung die Begegnung des einzelnen Menschen mit der Botschaft des Evangeliums, und er abstrahiert dabei von jeglicher Welt- und Heilsgeschichte. »Auch für Paulus, der den Begriff der πίστις (»Glaube«) in den Mittelpunkt der Theologie gestellt hat, ist πίστις nicht eine seelische Haltung des Menschen, sondern primär die Annahme des Kerygma, dh die Unterwerfung unter den von Gott beschlossenen und in Christus erschlossenen Heilsweg« (Bultmann 1959: 218).

      Etliche Publikationen zum Thema verfassten Gerhard Barth und Dieter Lührmann. Sie fragten vor allem nach der Ableitung des Begriffs πίστις und kamen zu völlig divergierenden Ergebnissen. Während Lührmann zum Verständnis des Begriffs ausschließlich die jüdische Vorgeschichte heranzog, lenkte Barth den Blick auf die pagane griechisch-hellenistische und römische Literatur. Heute warnt man vor einseitigen Kontextualisierungen, da weder ein spezifischer noch ein einheitlicher Sprachgebrauch bei Paulus vorliegt. Schumacher konstatiert, dass »der Ausgangspunkt der sprachlichen Entwicklung die gängige griechische Wortbedeutung darstellt« (2012: 472). Gegenüber der traditions- oder begriffsgeschichtlichen Frage wendet sich das Interesse vielmehr auf die Beobachtung der jeweiligen Verwendungszusammenhänge, in denen oftmals eine Bedeutung kreiert wird, die einen neuen Aspekt hervorbringt (Schumacher 2012: 477). Einen recht umfassenden Überblick über die Forschungsgeschichte mit Schwerpunkt Paulus hat Schließer (2007: 7–78) verfasst. Neben traditions- und religionsgeschichtlichen, zuletzt eher sprachgeschichtlichen Fragen der Ableitung des urchristlichen Glaubensbegriffs vom Judentum oder Hellenismus stehen in der jüngeren Forschung vor allem |36|Einzeltexte (Röm 1,17; Gal 3,6/Röm 4,3; Joh 20,30f.; Hebr 11,1 u.a.) und Syntagmata wie πίστις Χριστοῦ (»Glaube Christi«) oder νόμος πίστεως (»Gesetz des Glaubens«) im Mittelpunkt.

      1.3. Erste Unterscheidungen

      Es empfiehlt sich zunächst, einen sprachgeschichtlichen Einstieg und eine Analyse der Verwendung der Begrifflichkeit der fast 500 Belege in den Schriften des Neuen Testaments zu wählen: nicht, um das Lexem aus der Geschichte seiner Verwendung in der griechischen Literatur abzuleiten, sondern um seinen Gebrauch nacheinander in denjenigen Schriften oder Schriftengruppen auszulegen, die gehäuft und reflektiert von ihm Gebrauch machen. Hierbei ist jeweils der theologische Kontext der Schrift oder der Schriftengruppe unbedingt zu beachten. Eine thematische Darstellung (so Haacker 1984), die den Glauben nacheinander in Beziehung zu Mission, Rechtfertigung, Ethik etc. setzt, empfiehlt sich nicht, da ein solches Vorgehen den falschen Eindruck vermitteln würde, im Neuen Testament lägen zu diesen Themen bereits reflektierte Positionen vor. Die Glaubensthematik entwickelt sich jedoch erst in spezifischer Weise im frühen Christentum, sie wird sprachlich verdichtet und dies in sehr unterschiedlichen Akzentuierungen, was wiederum nur in den Schriften oder Schriftengruppen je für sich zu erkennen ist.

      Das Beachten der Sprachentwicklung kann einerseits helfen, vorschnellen theologischen Interpretationen entgegenzutreten. Andererseits ist nach einer spezifischen Prägung der neutestamentlichen Autoren zu fragen, für die Anknüpfungspunkte in alttestamentlicher, jüdischer, griechisch-hellenistischer und römischer Tradition gegeben sind und die sie auch wahrgenommen haben (insgesamt Schließer 2011: 9–26). Gleichwohl scheint die Häufigkeit und Konzentration dieses Lexems in den neutestamentlichen Schriften gegenüber der Tradition und dem paganen Umfeld darauf hinzudeuten, dass das frühe Christentum nicht einfach bestehende Begriffsfelder weiterführte, sondern dass ein spezifisch christliches Anliegen für diese Ausprägung leitend war (Barth 1992: 218). Noch deutlicher formuliert Thomas Schumacher: Die Entstehung einer christlichen Sprache basiert nicht auf Wortneuschöpfungen oder Begriffsumprägungen, sondern dadurch, »dass die entsprechenden Begrifflichkeiten in einem neuen spezifisch christlichen Bezugsrahmen verwendet worden sind« (2012: 476).

      Schon bei einem einzigen Autor, etwa bei Paulus, kann das |37|Substantiv πίστις (»Glaube«) sehr unterschiedliche Bedeutungen haben und es kann

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