Einführung in die Publizistikwissenschaft. Группа авторов
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Publizistik- und Kommunikationswissenschaft ist überwiegend empirische Sozialwissenschaft
Aufgrund der Interdisziplinarität bestehen Berührungspunkte zu anderen Wissenschaftstraditionen
Eine neutrale Unterscheidung zwischen qualitativen und quantitativen Methoden
In einigen Wissenschaftsbereichen existieren mehrere Überprüfungsmethoden nebeneinander. So folgen etwa manche Film- und Medienwissenschaften einer geisteswissenschaftlichen Tradition und präferieren die dort gebräuchlichen deutenden (hermeneutischen) Verfahren. Die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft versteht sich im deutschsprachigen wie auch im anglo-amerikanischen Raum überwiegend als empirische Sozialwissenschaft und nutzt zusammen mit der Psychologie, der Soziologie und der Politikwissenschaft (um nur einige weitere wichtige Sozialwissenschaften zu nennen) empirische |61◄ ►62| Methoden zur Aussagen- und Theoriegewinnung. Es gibt jedoch viele Berührungspunkte: So finden etwa in der publizistikwissenschaftlichen Mediengeschichte geisteswissenschaftliche Methoden Anwendung, und auch die empirische Forschung nimmt Anleihen bei geisteswissenschaftlichen Traditionen. Als Brückenkopf können die qualitativen Methoden gelten. Ursprünglich aus der geisteswissenschaftlichen Denktradition kommend, ergänzen sie die in der empirischen Sozialwissenschaft dominierenden quantitativen Verfahren. Die Unterschiede zwischen beiden Paradigmen werden je nach eigenem Standpunkt mehr oder weniger kontrovers dargestellt (vgl. z. B. Lamnek 2005). Bortz und Döring (2002: 295) unterscheiden auf unideologische Weise zwischen beiden Paradigmen: Während für den quantitativen Ansatz die Analyse und Messung von genau definierten Ausschnitten der beobachteten Realität typischerweise in die statistische Verarbeitung von Messwerten mündet, operiert der qualitative Ansatz mit Verbalisierungen, die interpretativ ausgewertet werden. Für den quantitativen Ansatz ist es wichtig, standardisierte Bedingungen für alle Beobachtungen zu schaffen, um Störeinflüsse auszuschalten. Für den qualitativen Ansatz ist es hingegen zentral, die Erhebung möglichst unstandardisiert und offen zu gestalten, um möglichst detailreiche Informationen zu gewinnen. Beim quantitativen Ansatz wird der situative und soziale Kontext der Beobachtungen nur insofern mit in die Analysen einbezogen, als er für eine zu untersuchende Theorie eine Rolle spielt. Beim qualitativen Ansatz hingegen wird besonderer Wert darauf gelegt, den Kontext stets umfassend mit zu erheben. Dementsprechend werden quantitative Verfahren vorrangig zur Prüfung von Theorien angewendet, während qualitative Verfahren ihre Stärken vor allem bei der Entwicklung neuer Theorien entfalten können. Eine Konsequenz daraus ist, dass quantitative Verfahren aufgrund ihres informationsverdichtenden und reduktiven Vorgehens sehr gut für grosse Fallzahlen geeignet sind, während qualitative Verfahren stärker auf Einzelfälle eingehen können und daher eher mit kleinen Fallzahlen operieren. So lässt sich für die Publizistik-und Kommunikationswissenschaft die Frage nach den „richtigen“ Methoden nicht pauschal beantworten. Vielmehr können in einem Fall die quantitativen Verfahren, in einem anderen Fall die qualitativen und in einem (übrigens häufig auftretenden) dritten Fall eine Kombination aus beidem am besten geeignet sein, um eine konkrete Forschungsfrage zu beantworten.
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3 Der Forschungsprozess: Von der Theorie zur empirischen Forschung
Für jede Forschungsfrage muss eine passende Theorie ausgewählt werden.
Ableitung spezifischer Theorie
Konzeptspezifikation und Operationalisierung
Funktionstüchtigkeit der Methode wird in Pretests überprüft
Beginnen wir mit einem Beispiel: Durch das Internet sind so viele Informationen wie nie zuvor auf Knopfdruck verfügbar. Optimisten erhofften sich dadurch, dass nun auch sozial Benachteiligte Zugang zu wertvollen Informationen im Internet erhalten und so ihre soziale Benachteiligung partiell aufheben könnten. Statistiken zeigen allerdings, dass lange Zeit vor allem Hochgebildete und solche, die schon im Besitz von sozial wertvollen Informationen waren, vom Internet profitierten. Wie kann dieses Phänomen erklärt werden? In der Regel existieren bereits theoretische Überlegungen darüber, wie bestimmte Wirklichkeitsbereiche funktionieren und welche Auswirkungen sie auf andere Realitätsbereiche haben. Solche theoretischen Ansätze sind jedoch oft zu umfassend, zu allgemein und damit zu unpräzise, um sie unmittelbar überprüfen zu können. So sprechen etwa Informationsverarbeitungstheorien ganz allgemein davon, wie Menschen Informationen wahrnehmen und verarbeiten, Handlungstheorien davon, wie Handlungen generell zustande kommen, Strukturierungstheorien davon, wie Handlungs- und Strukturebenen miteinander verzahnt sind, Systemtheorien davon, was Systeme generell kennzeichnet und in welchem Verhältnis Systeme zu ihrer Umwelt stehen. Für konkrete Forschungsprobleme sind diese Theorien zu abstrakt und zu allgemein. Daher hat die Forschung in vielen Fällen spezifischere Theorien hervorgebracht, die für eine fest umrissene Klasse von Situationen und Phänomenen Geltung beanspruchen können. Im Einzelfall muss also zunächst überlegt werden, mit welcher Theorie man ein konkretes Forschungsproblem idealerweise angehen kann. Die in Abschnitt 1 dieses Beitrags skizzierte Theorie von der wachsenden Wissenskluft ist eine Theorie, die auf das Problem der sozialen Benachteiligung durch das Internet angewendet werden kann: Sie handelt immerhin vom Informationszuwachs in einem sozialen System (durch das Internet) und von den Vorteilen der sozial Bevorteilten (d. h. Personen mit hohem sozioökonomischem Status). Allerdings ist auch dieser spezifische Ansatz noch zu abstrakt, um ihn unmittelbar empirisch überprüfen zu können. Soll die Theorie der wachsenden Wissenskluft auf das beschriebene Problem angewendet werden, so müssen wir „sozioökonomischen Status“ z. B. mit „Schulbildung“ übersetzen und auch für |63◄ ►64| die anderen Begriffe (wie Informationszuwachs, Vorteile) eine Entsprechung finden, die eine empirische Überprüfung erlauben. Die Umsetzung im Forschungsprozess besteht also aus zwei Schritten: (1) Konzeptspezifikation: Die relevanten Teilaspekte einer Theorie (Konstrukte) müssen präzisiert, definiert und zum Forschungsproblem in Bezug gesetzt werden. (2) Operationalisierung: Es muss angegeben werden, wie den theoretischen Begriffen (den Konstrukten) Indikatoren zugeordnet werden können, die einer systematischen Beobachtung zugänglich sind, und wie diese dann konkret gemessen werden können. Indikatoren sind also beobachtbare und messbare Sachverhalte, die mit einem theoretischen Begriff oder Konstrukt in einem systematischen Zusammenhang stehen. Entsprechend müssen konkrete Messinstrumente entwickelt werden (Codebücher, Fragebögen etc.). Im nächsten Schritt muss ihre Funktionstüchtigkeit unter Beweis gestellt werden. In der Regel werden zu diesem Zweck Voruntersuchungen („Pretests“) durchgeführt und anschliessend die Messinstrumente noch einmal