Empirische Sozialforschung. Günter Endruweit
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Die Wissenschaftstheorie besteht indessen in ihrem Kern aus Sollensaussagen, wie z. B. »Wissenschaftliche Ergebnisse sollen intersubjektiv überprüfbar sein«. Die Bezeichnung als Wissenschaftstheorie ist deshalb sehr unpassend, weil es sich nicht um eine Theorie im üblichen Sinne handelt. Da sie im Wesentlichen eine normative Disziplin ist10, wäre ihre Bezeichnung als Wissenschaftslehre besser, wie sie in der Philosophie häufiger benutzt wird. Im Englischen heißt das Gebiet ganz zutreffend philosophy of science, im Französischen allerdings théorie de la science oder gar théorie scientifique. Hier wird wegen des allgemein eingebürgerten Sprachgebrauchs der Begriff »Wissenschaftstheorie« weiterhin benutzt, ungeachtet der Zweideutigkeit des Begriffs.
Alle weiteren Überlegungen basieren auf der folgenden Vorstellung von Wissenschaftstheorie:
Definition »Wissenschaftstheorie«
Eine Wissenschaftstheorie ist ein System von Sätzen mit Sollensaussagen, die angeben, unter welchen Bedingungen eine Wissensaussage als wissenschaftlich anerkannt werden soll.
Damit erweist sich – und das ist fast das einzige Unbestrittene in der Wissenschaftstheorie –, dass Wissenschaftstheorie eine Meta»theorie« ist,11 d. h. eine »Theorie« über Theorien. Sie erklärt also Wissenschaft selbst zu ihrem Gegenstand. Hierbei könnte sie eine echte Theorie sein, wenn sie Aussagen darüber machte, was in einer Wissenschaft wirklich getrieben wird; das ließe sich durchaus als Wissensaussage = Seinsaussage empirisch überprüfen. Soweit die Wissenschaftstheorie aber nur Regeln für die Gültigkeit von Wissensaussagen aufstellt, müssen wir stets die Anführungszeichen bei -theorie mitdenken.
Daraus folgt, dass wir hier nichts treiben werden, was nach dem Kriterium richtig oder falsch beurteilt werden kann; wir treiben hier nicht Wissenschaft, sondern Wissenschaftspropädeutik. Eine wissenschaftstheoretische ist keine wissenschaftliche Behauptung, die falsifiziert oder verifiziert werden kann. Vielmehr ist sie die Propagierung einer Regel oder eines Beurteilungsmaßstabes in der Hoffnung, dass möglichst viele Mitglieder der Wissenschaftlergemeinde sie/ihn anerkennen und ihr/ ihm damit Geltung verschaffen. In der Wissenschaftstheorie geht es also nicht um die empirische Feststellung der Wissenschaftspraxis (das geschieht eher in der Wissenschaftssoziologie), sondern um Empfehlungen für diese Praxis. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die Meinungen auf diesem Gebiet sehr zahlreich sind und in dieser Einführung nur in gelegentlichen Verweisen wiedergegeben werden können.
2 Wesentlich eingehender Breuer, S. 105–120. Vgl. auch Kornmeier, S. 4/5 m. w. N.
3 Weber, S. 38. Weitere Beispiele für Definitionsansätze bei Herzog, S. 29–31.
4 Mancher mag in der Definition schon die Lehre vermisst haben. Lehre ist aber nur nützlich zur Heranbildung der nächsten Wissenschaftlergeneration und evtl. zur Ausbildung von Berufstätigen, die wissenschaftliche Ergebnisse verwenden sollen oder müssen, ohne sie selbst produzieren zu müssen oder zu können. Das Postulat der »Einheit von Lehre und Forschung« ist daher wohl als Versuch zur betriebswirtschaftlichen Optimierung des Ausbildungswesens anzusehen, aber keine notwendige Konsequenz aus dem Wissenschaftsbegriff, für den Lehre keineswegs konstitutiv ist, schon weil es sie auch außerhalb der Wissenschaft gibt.
5 Reine Lehranstalten wären nach dieser Definition also keine wissenschaftlichen Einrichtungen, wohl aber reine Forschungsanstalten wie die Institute der Max-Planck-Gesellschaft oder des Centre National de Recherche Scientifique.
6 Hobbes, S. 69. Das Zitat geht zurück auf eine Komödie des Titus Maccius Plautus. Im Übrigen ist die behauptete Verhaltensweise der Wölfe biologisch falsch. Der Wolf ist zwar ein Raubtier, lebt in Freiheit aber in Rudeln sehr geordnet und daher friedlich.
7 Vgl. in einem noch weiteren Sinn Breuer, S. 50–64.
8 Kant a. a. O., der diesen Spruch nicht bejaht, der aber, zeitbedingt, auch einen anderen Theoriebegriff hat als den hier vorgestellten.
9 Lewin, S. 169.
10 Die Zeit: Das Lexikon in 20 Bänden, Bd. 16, Hamburg: Zeitverlag 2005, S. 317: »Teilgebiet der zeitgenössischen theoretischen Philosophie, mithin eine normative Disziplin.« Vgl. die Unterscheidung von deskriptiver und normativer Wissenschaftstheorie bei Haase, S. 916.
11 Esser/Klenovits/Zehnpfennig, Bd. I, S. 12.
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