Grundlagen der Visuellen Kommunikation. Stephanie Geise

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Grundlagen der Visuellen Kommunikation - Stephanie Geise

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des Werkes 1730 vorangestellt wurde (Wessely 1989: 7, darin Groblewski (1987) kritisierend). Während dieser ersten, mit dem Titelbild versehenen Ausgabe ein Stich von Antonio Baldi vorangestellt wurde, zeigten die meisten der späteren Nachdrucke eher unbeholfene Kopien der Baldi-Grafik (Wessely 1989: 7).

      Der Produktionsprozess des Frontispizes zeigt, wie arbeitsteilig bereits im 18. Jahrhundert die Bildproduktion verlief. Die Bildidee wurde vom Autor in Auftrag gegeben an einen Künstler, der einen Entwurf ablieferte und diesen wiederum an einen Stecher weitergab. Das gestochene Bild wurde von anderen Grafikern kopiert und dabei häufig verfremdet, so dass zwar bestimmte kompositorische Grundelemente erhalten blieben, jedoch die ursprüngliche Bildaussage davon nicht unberührt blieb und an entscheidenden Stellen Veränderungen erfuhr.

      Über die intendierten Symbolbedeutungen in seiner Zeit zeigt die wechselseitige Analyse von Vicos Frontispiz und seiner Texterläuterung, dass im 18. Jahrhundert noch eine sehr viel stärkere Verschmelzung von Gedanke, Begriff und Bild vorhanden war, als dies heute der Fall ist. Wenn der Autor beispielsweise den Ursprung des Begriffes »ius«, das Recht, etymologisch bei »Ious«, dem lateinischen Namen für den Gott Jupiter sieht (Vico 1744/1990, I: 14) oder den Ursprung des lateinischen Begriffs für Stadt – »urbs« – aus dem Krummholz des Ackerpfluges – »urbum« – ableitet (Vico 1744/1990, I: 15), wird deutlich, dass der Autor den Einsatz assoziativer Logik bewusst intendierte. Das Interessante an dieser Form der Argumentation ist weniger die historische Korrektheit dieser Ableitungen als vielmehr der Ableitungsprozess an sich.

      Gleich drei Probleme werden bei der Bildinterpretation offensichtlich: Zum einen geht mit der historischen Rückbetrachtung eines Bildes der Verlust des historischen Originalkontextes einher, in welchem das Bild entstanden ist. Zwar funktioniert die multimediale und multimodale Realität des 21. Jahrhunderts aufgrund einer ähnlich assoziativen Logik, die ebenso wie im 18. Jahrhundert nicht rational und manchmal nicht einmal richtig sein muss. Im besten Fall können assoziativ erzeugte Informationen und Behauptungen einen Argumentationsstrang untermauern. Im schlimmsten Fall zerstören assoziativ generierte Bedeutungen die argumentative Logik, indem sie sie mit emotionalen Werten überlagern und die rationale Diskussion unmöglich machen. Visuelle Assoziation an und für sich ist ein wertfreies Ergebnis eines Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesses, kann jedoch instrumentalisiert werden – im guten wie im schlechten Sinn. Dabei wirken bestimmte Motivtraditionen auch in der Gegenwart fort und dies sowohl bewusst als auch unbewusst. Nichtsdestotrotz muss der jeweilige historische Kontext vom Forscher rekonstruiert werden, um das Bild und seine Bedeutungen zeitgeschichtlich einordnen zu können. Und dies trifft sowohl auf die Rekonstruktion des 18. Jahrhunderts als auch auf die Vergegenwärtigung weniger weit zurückliegender Ereignisse zu.

      Zum anderen muss für eine adäquate Interpretation die Motivgeschichte des Bildes – dessen Ikonografie (vgl. Kapitel 8) – hinzugezogen werden. Ist das Motiv originär? Auf welche Vorbilder und Darstellungstypen bezogen sich Vaccaro und Baldi? Wo haben sie ihre künstlerische Ausbildung erfahren? Welche Stilelemente des Bildes lassen sich auf diese künstlerischen Traditionen beziehen? An was für einen Adresssatenkreis richtete sich Vicos Werk? Wie wandelte sich das Frontispiz und welche Bedeutungsänderungen sind mit der gestalterischen Veränderung des Frontispizes verbunden?

      Zudem stellt sich nach Lektüre der Sekundärliteratur (z. B. Groblewski 1987; Wessely 1989) heraus, dass der abgebildete Stich (vgl. Abb. 15, S. 56) nur einen Ausschnitt darstellt und die Bildränder in der Abbildung beschnitten sind. Auf dem Originalstich, wie in der Abbildung bei Wessely (1989: 7) zumindest andeutungsweise erkennbar, sind Vaccaros und Baldis Namen am unteren Blattrand aufgedruckt. Auch die Größe des Originalblattes wäre für eine akkurate Interpretation wichtig. Diese Fragen können jedoch nur am Original geklärt werden, wozu zunächst zu recherchieren wäre, in welchen Bibliotheken Kopien der Stiche vorhanden sind. Unter Umständen ist also für eine kunsthistorische Bearbeitung auch die Reise in das entsprechende Archiv oder Museum erforderlich, um die Bildanalyse am Original sowie den Vergleich mit anderen Originalfrontispizen zu ermöglichen.

      Das Problemfeld »Kopie – Original« ist in der Visuellen Kommunikationsforschung besonders akut und sollte bei jeglicher Bildanalyse und -interpretation bedacht werden. Handelt es sich bei dem vorliegenden Bildmaterial um ein Original oder um eine, möglicherweise modifizierte, Reproduktion? Im Forschungsprozess sollte diese Frage immer gleich zu Anfang gestellt und beantwortet werden. Die Frage nach dem Original ist eng verknüpft mit der Quellenkritik, die in Kapitel 6 ausführlich behandelt wird.

       Übung 3

      Beschreiben und analysieren Sie die Abb. 1924 auf S. 66–67. Interpretieren Sie im Anschluss das bereits beschriebene Porträt des François Mitterrand im fortgeschrittenen Alter (Abb. 18, S. 59), indem Sie die Motivgeschichte der Mitterrand-Ikonografie miteinbeziehen. Im Zentrum Ihrer Interpretation sollte die Bedeutung der politischen Gestik (vgl. Warnke/Fleckner/Ziegler 2011) stehen. Ziel dieser Übung ist es, auf eine erweiterte Interpretation hinzuzuarbeiten, bei der Bilder in ihrer Motivgeschichte analysiert und zugleich vor dem Hintergrund ihrer Produktionsgeschichte sowie des zeitgeschichtlichen Kontextes interpretiert werden. Entstehungszeitpunkt und Titel sind den Übungsbildern absichtlich beigefügt, um Ihnen Rechercheanreize und Orientierungshilfen zu bieten. Für diese Übung sollten Sie zwei Wochen Bearbeitungszeit kalkulieren.

      Abb. 20: Gemälde von Alexander Gerassimov, das den Revolutionär Lenin auf der Tribüne zeigt, 1930 (Detail)

      Abb. 21: Sowjetische Sonder briefmarke zum 29. Todestag von Lenin, erschienen am 26. Januar 1953

      Abb. 23: Plakat für Marschall Pétain, November 1943

       Im Anschluss an Ihre eigene Interpretation finden Sie unter www.utb-shop.deeine beispielhafte Kurzinterpretation. Die ausführlichere Analyse und Interpretation können Sie nachlesen in: Marion G. Müller (1998). La force tranquille … Die stille Macht der Bilder. In: A. Köstler & E. Seidl (Hrsg.): Bildnis und Image. Das Portrait zwischen Intention und Rezeption. Köln, S. 327–334. Zur Funktion von Pressefotografie allgemein werden als Einstiegslektüre die Texte von Grittmann (2001, 2007) sowie von Müller, Kappas und Olk (2012) empfohlen.

      Das

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