Grundlagen der globalen Kommunikation. Kai Hafez

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Grundlagen der globalen Kommunikation - Kai Hafez

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      Kai Hafez / Anne Grüne

      Grundlagen der globalen Kommunikation

      Medien – Systeme – Lebenswelten

      UVK Verlag · München

      Prof. Dr. Kai Hafez ist Inhaber der Professur für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Vergleichende Analyse von Mediensystemen / Kommunikationskulturen an der Philosophischen Fakultät der Universität Erfurt.

      Dr. Anne Grüne ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Philosophischen Fakultät der Universität Erfurt.

      © UVK Verlag 2021

      ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

      Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

      Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

      Internet: www.narr.de

      eMail: [email protected]

      Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

      ISBN 978-3-8252-5551-0 (Print)

      ISBN 978-3-8463-5551-0 (ePub)

      Einleitung

      Die Globalisierung ist auf dem Markt der Ideen in der Gegenwart nahezu konkurrenzlos. Wie kein anderes Phänomen prägt sie unser Denken und stiftet eine die gesamte Menschheit verbindende Vision der Gleichzeitigkeit, der Verbundenheit und sogar der Gemeinsamkeit. Jenseits des Horizonts der Globalisierung warten nur noch die Sterne, über die wir noch keine sozialwissenschaftlichen Aussagen tätigen können. Diesseits der Globalisierung hingegen gibt es keine echten Fortschrittsvisionen, denn alle anderen sozialen Formationen – von der Familie über das Dorf bis zum Nationalstaat – gibt es ja bereits. Die Lokalisierung ist zwar irgendwie der Gegenpol zur Globalisierung, besitzt aber keinerlei echte Bedeutung als Fortschrittsidee für die Menschheit. Die Globalisierung entfaltet damit eine einzigartige geistige Anziehungskraft, obwohl sie noch unvollendet und in die Zukunft gedacht erscheint, was auch erklärt, warum sie zugleich ein politischer Kampfbegriff geworden ist. Zwischen Globalisierungsbefürwortern und -gegnern tun sich politische Gräben auf. Nach der Euphorie um Globalisierung kam die Ernüchterung und mit ihr wuchs die Gegnerschaft. Vision, Schimäre, Chamäleon – all das ist die Globalisierung.

      Globalisierung der zwei Geschwindigkeiten

      Der Begriff Globalisierung ist aus solchen Gründen in den letzten Jahrzehnten auch eines der bedeutsamsten Erklärungsmodelle der Wissenschaft mit erheblicher gesellschaftlicher Relevanz geworden. Er verweist auf nichts Geringeres als auf eine prinzipielle Neuordnung politischer, ökonomischer und sozialer Beziehungen mit Blick auf die Beseitigung oder Überwindung der bisherigen staatlichen und kulturell-sprachlichen Grenzen. Trotz dieses weitgehend geteilten alltagstheoretischen Verständnisses von Globalisierung kann von einer eindeutigen Definition des Begriffs auch im engeren wissenschaftlichen Diskurs allerdings nicht die Rede sein.

      Das Konzept der Globalisierung, wie es in diesem Buch verwendet wird, bedeutet nicht einfach „Universalität“, die Vorstellung also, dass Menschen heute weltweit in ähnlichen Formen der (technischen usw.) Moderne leben, die sich auf mysteriöse Weise über den Erdball ausgebreitet hat. Globalisierung wird vielmehr explizit als „Konnektivität“ verstanden (Axford 2013, S.22). Es geht dabei um die Frage, wie Medien, Systeme und Lebensweltakteure mit vielfältigen Arten der menschlichen Kommunikation Grenzen überschreiten und ob und wie diese kommunikative Weltentgrenzung mit neuen Formen einer integrativen Welt- und Wissensgemeinschaft und -gesellschaft zusammenhängt.

      Die Globalisierung ist gewissermaßen ein Mythos im umfassenden Wortsinn geblieben – nicht, weil sie gar nicht realisiert worden wäre, sondern weil die mit ihr verbundenen Phänomene ambivalent bleiben. Rückschläge der und Gegentendenzen zur Globalisierung lassen sich allenthalben erkennen. Der deutsche Soziologe Richard Münch hat die Herausforderungen der Globalisierung klar benannt. Er geht davon aus, dass die wachsende Interdependenz zwischen den Staaten von den nationalen Bevölkerungen vielfach keineswegs unmittelbar nachvollzogen wird, sondern dass sich politische, ökonomische und gesellschaftliche Eliten in einer Vermittlerrolle befinden, aus der heraus sie den Nationalstaat nach außen öffnen, während sie zugleich nach innen um Vertrauen für diese Politik werben müssen (1998, S.350ff.). Münch spricht von einer Spaltung zwischen der „Avantgarde“ einer „global denkenden Modernisierungselite und eine(r) umso heftiger auf nationale Solidarität pochende(n) Masse“ (ebenda, S.352). Eine weltbürgerliche Gemeinschaft zu schaffen, hält er für eine zentrale Gegenwartsaufgabe.

      Trotz eines gewissen Unbehagens an den Konzepten der „Elite“ und der „Masse“ erinnert Münchs Analyse an frühere Unterscheidungen wie die von Richard K. Merton zwischen „Kosmopoliten“ (cosmopolitans) und „Einheimischen“ (locals) (1968, S.441ff.) oder an den Begriff der „Globalisierung der zwei Geschwindigkeiten“ von Kai Hafez (2009a, S.14ff.). Die Ungleichzeitigkeit der Globalisierung betrifft nicht nur soziale Gruppen, sondern auch organisierte Sozialsysteme, zum Beispiel die Massenmedien, die in den vergangenen Jahrzehnten eine „tektonische Verschiebung“ erlebt haben, weil technische und ökonomische Aspekte der Medienglobalisierung vielfach schneller vorangeschritten sind als inhaltliche und weil im angeblichen Zeitalter der Globalisierung weder mehr noch vielfältiger über die Welt berichtet wird als zuvor (Hafez 1999). Im Gegenteil: Die Ressourcen des Auslandsjournalismus sind knapper geworden, was folglich dazu beiträgt, dass strukturelle politische und ökonomische Interdependenzen zwischen Staaten wachsen, ohne dass das dialogische und diskursive Verständnis der Gesellschaften automatisch mitwächst, was wiederum innen- und außenpolitische Feindbilder und Konflikte anheizt (ebenda, vgl. a. Stone/Rizova 2014).

      Ähnlich uneinheitlich verläuft auch die innere Entwicklung der vorgeblichen globalen Eliten. Selbst der liberale Gesellschaftsteil denkt und agiert vielfach alles andere als kosmopolitisch und bleibt tief verwurzelt in nationalem Habitus (Müller 2019a, 2019b). Die politischen und wirtschaftlichen Systeme tragen in ihrer ambivalenten Haltung gegenüber der Globalisierung zur Globalisierungsfeindlichkeit manch politischer Strömungen bei, wenngleich ihr Globalisierungstempo insgesamt ein höheres sein mag als das der Lebenswelten der Bevölkerungen. Zumindest erscheint die „Globalisierung des Alltags“ von Individuen, Gruppen und Gemeinschaften bei genauerem Hinsehen wenn auch heterogen dennoch träger als die von Politik und Wirtschaft zu sein. Trotz zahlreicher „globaler Injektionen“ durch Waren, Massenmedien und punktuelle globale Mobilität in den Privatwelten von Menschen sind diese doch nach wie vor stark lokal geprägt. Die „Globalisierung der zwei Geschwindigkeiten“, die „Kluft zwischen Avantgarde und Massen“, die „tektonische Verschiebung“ der „Ambivalenzen“: All dies sind mehr oder weniger treffende Bilder für die heterogene Stellung von Systemen und Lebenswelten im Prozess der Globalisierung.

      Die Renaissance rechtsradikaler Politik weltweit mit ihren Symptomen wie der Wahl Donald Trumps in den Vereinigten Staaten von Amerika, dem „Brexit“ in Großbritannien und rechtspopulistischen Regierungen in so unterschiedlichen Ländern wie Ungarn, Polen, Brasilien oder Indien – vom Islamismus ganz zu schweigen – ist als anti-globalistische Revolte zu deuten. Spätestens der Rechtspopulismus in Regierungsverantwortung beweist, wie wenig die Gesellschaften der Welt auf die Globalisierung eingestimmt

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