Handbuch Wandertourismus. Gabriele M. Knoll
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Handbuch Wandertourismus - Gabriele M. Knoll страница 6
Die drei Studenten Paul Grohmann, Edmund von Mojsisovics und Guido von Sommaruga gründeten 1862 in der Akademie der Wissenschaften in Wien den Österreichischen Alpenverein. Ort und Name der Beteiligten deuten schon an, dass es kein Verein für „Jedermann“ sein sollte. Man verstand sich jedoch als ein vielseitiger Kulturverein, der die Erforschung des Alpenraums, seine Kartierung, das Sammeln wissenschaftlicher Literatur über das Hochgebirge zu seinen wichtigsten Arbeitsgebieten erklärt hatte. In dieses Konzept gehörten auch die Weiterbildung der Mitglieder in Wien durch wissenschaftliche Vorträge, das Herausgeben von Jahrbüchern, Mitteilungen sowie topographischer Karten und schließlich auch die Gründung eines Museums.
Die Aktivitäten der Wiener Akademiker gingen zahlreichen österreichischen Bergfreunden an ihren mehr praktisch orientierten Interessen vorbei und sie gründeten gemeinsam mit deutschen Bergsteigern 1869 in München den Deutschen Alpenverein. Dieser schrieb sich die touristische Erschließung „Deutschen Alpen“ – sprich: der Ostalpen – auf die Fahnen. Die praktische Arbeit im Hochgebirge leisteten die Sektionen des DAV, die sich in den Städten des Deutschen Reichs und Österreich-Ungarns schnell gründeten. Im ersten Jahr entstanden Sektionen neben München beispielsweise in Frankfurt, Leipzig, Heidelberg, Salzburg, Innsbruck und Bozen. Die Sektionen engagierten sich im Wege- und Hüttenbau, bildeten Bergführer aus und setzten sich für die Belange der lokalen Bevölkerung in den Alpen ein (vgl. http://www.alpenverein.de/der-dav/geschichte-des-dav_aid_12067.html). Unverkennbares Zeichen des Engagements der Alpenvereinssektionen sind bis heute viele Berghütten mit Städtenamen, wie zum Beispiel die Bremer Hütte oder das Kölner Haus.
Für die Schweizer Bergfreunde war die Förderung der wissenschaftlichen und topographischen Erschließung ihrer Alpen Anlass, 1863 in Olten den Schweizer Alpen-Club zu gründen. Bewusst stellte man sich damit in einen Gegensatz zum Alpine Club in London, dem die sportliche Leistung der Gipfelbesteigungen vorrangig war (vgl. Perfahl (1984), S. 82). Einigkeit herrschte doch über den Ausschluss des weiblichen Geschlechts aus dem Verein: Sogar erst 1979 schaffte Mann die Vereinigung mit dem 1918 gegründeten Swiss Ladies’ Alpine Club!
Am Beispiel des 1874 gegründeten Club Alpin Français, der seit 2004 der traditionsreichste Teil der FFCAM (Fédération française des clubs alpins et de montagne) ist, lässt sich deutlich ablesen, dass sich ein Alpenverein heute nicht mehr ausschließlich für die Interessen von Bergsteigerinnen und Bergsteigern einsetzt, sondern das gesamte Spektrum der sportlichen Aktivitäten und des Naturerlebnisses im Alpenraum zum Arbeitsfeld erklärt. Alle Variationen des Wanderns, selbstverständlich für alle Zielgruppen – ohne Unterschied von Geschlecht, Alter und Bildung, wenn man die Anfänge der Alpenvereine betrachtet (!) – stehen heutzutage in ihrem Fokus.
♦ Literatur
OPPENHEIM, R. (1974): Die Entdeckung der Alpen. Verlag Huber Frauenfeld, Lizenzausgabe für die Büchergilde Gutenberg, Frankfurt.
PERFAHL, J. (1984): Kleine Chronik des Alpinismus – im Zusammenwirken mit dem Deutschen Alpenverein. Rosenheimer, Rosenheim.
♦ Websites
▶ Alpine Club
www.alpine-club.org.uk
▶ Deutscher Alpenverein
www.alpenverein.de
▶ Fédération française des clubs alpins et de montagne
www.ffcam.fr/ Club Alpin Français
www.ffcam.fr/qui_sommes_nous.html#.VVmVA_BODg0
▶ Club Alpino Italiano
www.cai.it
▶ Österreichischer Alpenverein
www.alpenverein.at/portal
▶ Schweizer Alpen-Club
www.sac-cas.ch
1.3.2 Der Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘
Gleichberechtigung bei der Möglichkeit, sich in der Natur zu erholen und von Vergünstigungen für Vereinsmitglieder zu profitieren, war Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht angesagt. Arbeiterinnen und Arbeiter nahmen die damals existierenden Wander-, Berg- und Sportvereine nicht auf. Dies motivierte im März 1895 in Wien den Sozialisten und Lehrer Georg Schmiedl dazu, in der „Arbeiterzeitung“ einen Aufruf zu starten, um Gleichgesinnte zur Gründung einer „touristischen Gruppe“ zu finden. Zu Schmiedl kamen der Metallarbeiter Alois Rohrauer, sein Sohn Josef (Student phil.) und der Student Karl Renner (später Staatskanzler und Bundespräsident Österreichs) hinzu. Im September 1895 gründen daraufhin 185 Männer und Frauen in Wien den Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘.
Es ging ihnen darum, das Recht des freien Zugangs zur Natur gegen die bürgerlich-privaten Interessen von Großgrundbesitzern durchzusetzen, die Natur als Quelle der Erholung zu erkunden und sich anzueignen, gemeinsam zusammenzutreffen, sich fortzubilden und Aktivitäten zu organisieren (vgl. Websites der österreichischen und deutschen Naturfreunde). 1906 beschloss die Ortsgruppe Graz, den Gruß „Berg frei“ zum Gruß der steirischen Naturfreunde zu machen, der dann vom gesamten Verein übernommen wurde und bis heute üblich ist. „Der kämpferische Gruß ist Ausdruck der Forderung nach dem Recht auf Freizeit in den Bergen nicht nur für Adel und Bürgertum“ (http://www.naturfreunde.de/cms/de/1_NaturFreunde/inhalte/1_Die_Organisation/index.php?channel=channel_1&Kennung=6593e02939c59db496f5ceed3a7ca36f&LN=4026&OF=de&PF=1926).
Im August 1905 wurde mit der 42. Ortsgruppe in München der deutsche Zweig des Vereins gegründet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Gesamtverein fast 9.000 Mitglieder und darunter – revolutionär verglichen mit den Alpenvereinen – auch einen Frauenanteil von 15 %! Mit dem Bau von Hütten und Wanderheimen begann man ebenfalls: 1907 wurde das erste österreichische Naturfreundehaus auf dem Padasterjoch (2232 m NN) in den Stubaier Alpen (Tirol) eröffnet, 1911 das erste in Deutschland, das die Hamburger Naturfreunde am Rand der Lüneburger Heide erbaut hatten.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Aktivitäten der österreichischen Naturfreunde zum freien Zugang zur Natur von ersten großen Erfolgen gekrönt, denn in einigen Bundesländern Österreichs wurde das freie Wegerecht in den Bergen gesetzlich verankert. Die freie Begehbarkeit des Waldes sollte erst 1975 festgeschrieben werden. Ihrer Zeit weit voraus waren die Naturfreunde 1910, als sie den Naturschutz als Vereinsziel in ihre Statuten aufnahmen. Die Möglichkeiten, Skilaufen und Bergsteigen zu lernen, gab es für die Mitglieder ebenfalls ab 1905 bzw. 1918.
Die Nationalsozialisten verboten 1933 den Touristenverein Die Naturfreunde aus politischen Gründen. Bei der Gelegenheit beschlagnahmten sie auch die 428 Hütten und Häuser des Vereins und übertrugen die Gebäude linientreuen faschistischen Vereinen. 1945 begannen die Naturfreunde mit dem Wiederaufbau ihres Vereins; 1950 wurde aus dem Gesamtverein die Naturfreunde Internationale (NFI), die sich aus selbständigen Landesverbänden zusammensetzt.
♦ Websites
▶ Naturfreunde Österreich
www.naturfreunde.at
▶ Naturfreunde Deutschland
www.naturfreunde.de
1.3.3