Handbuch Wandertourismus. Gabriele M. Knoll

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Handbuch Wandertourismus - Gabriele M. Knoll

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in der Natur während der knappen Freizeit und das Wandern. Der besondere Reiz lag darin, Wanderfahrten zu organisieren, an denen keine Erwachsenen beteiligt waren, und die Freiheit auszukosten, sich nur in einer Gruppe von mehr oder weniger Gleichaltrigen zu bewegen. Aber es ging auch um Kritik am Großstadtleben und um die Entfernung bzw. Entfremdung von der Natur. 1901 gründeten junge Männer in einem Hinterzimmer des Steglitzer Rathauses den „Wandervogel-Ausschuss für Schülerfahrten e. V.“. Vom damaligen Berliner Stadtrand aus dehnte sich die Wandervogelbewegung in ganz Deutschland aus.

      „Sie wurde Hauptbestandteil einer sich am Anfang des Jahrhunderts im Kaiserreich herausbildenden eigenständigen Jugendbewegung, die eine von der älteren Generation unabhängige, jugendspezifische Lebensform anstrebte. Ab 1904 bildeten sich über das ganze Deutsche Reich verbreitet verschiedene Wandervogel-Bünde, die sich 1913 zum Wandervogel e. V. mit 25.000 Mitgliedern zusammenschlossen. Erstmals war es mit dem Zusammenschluss nicht nur männlichen Gymnasiasten, sondern auch Mädchen und Volksschülern erlaubt, als Wandervogel den Lebensstil der Bewegung mit Wanderfahrten, Lagerleben, Volkstanz und -musik zu führen.“ (https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/alltag/wandervogel/)

      Doch auch unter der Führung von Erwachsenen gingen die ersten Jugend- bzw. Kindergruppen auf „Wanderfahrt“ – korrekter: Fußtour. Das größte organisatorische Problem war für solche Unternehmungen damals die Übernachtung. Erste Ansätze gab es zwar schon in einigen Regionen, wie zum Beispiel die Studenten- und Schülerherbergen, die der Fabrikant Guido Rotter im Sudetenland 1884 initiiert hatte. Diese Herbergen standen aber nur männlichen Studenten und höheren Schülern ab dem 16. Lebensjahr offen (vgl. HARTUNG (1959), S. 10)! 1889 riefen Bergwanderer bzw. Bergsteiger die Einrichtung der „Schüler- und Studentenherbergen des Deutsch- und Österreichischen Alpenvereins“ ins Leben. Auch andere Gebirgsvereine begannen, speziell für - männliche – Jugendliche, preiswerte Unterkünfte anzubieten.

      Im August 1909 hatte der Lehrer Richard Schirrmann, der mit seiner Schulklasse eine achttägige Schulwanderung vom westfälischen Altena nach Aachen unternahm, die Idee für ein günstiges Quartier, die von einem Unwetter befördert wurde. Das übliche Quartier – eine Scheune – konnte er an jenem Abend nicht finden, wohl aber eine wegen der Schulferien leer stehende Dorfschule im Bröltal (Rhein-Sieg-Kreis), in die er schließlich Stroh bringen ließ. Aus dieser einfachen Unterkunft für seine Wandergruppe entwickelte er die „Volksschülerherberge“, d. h. die Ferienherberge im Schulhaus, von denen es 1910 bereits drei gab. 1912 öffnete auf der Burg Altena die erste Jugendherberge – zunächst nur während der Ferien; ab 1914 wurde sie ganzjährig betrieben. Lehrer Schirrmann wurde gleichzeitig auch erster Herbergsvater und lebte mit seiner Familie auf der Burg. „Von Altena ausgehend fasste die Bewegung vor allem in Holland, England und Schottland Fuß. 1931 existierten in Europa bereits zwölf Jugendherbergsverbände mit rund 2.600 Jugendherbergen.“ (http://www.djh-wl.de/de/jugendherbergen/altena-burg/ueber-uns/geschichte) 1932 wurde die International Youth Hostel Federation gegründet.

      In den 1920er Jahren entdeckten auch einige der inzwischen etablierten Wander- und Bergvereine die Jugendarbeit, so beispielsweise im Alpenverein (zu jener Zeit: DuOeAV). 1927 wurde die Jugendarbeit in die Vereinssatzung aufgenommen; in Sektionen entstanden nach Geschlechtern getrennt Jugendgruppen – mehr für Jungen, denn für Mädchen.

      Trennung und Ausgrenzung oder Einverleibung sollten unter der Herrschaft der Nationalsozialisten auch vor den Wandervereinigungen nicht haltmachen; doch diese Strömungen begannen schon früher. „Der verlorene Erste Weltkrieg, die Gebietsverluste Deutschlands und Österreichs, die enormen Reparationszahlungen sowie die daraus resultierenden großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten sorgten für eine starke Verbreitung deutschnationaler und völkischer Ideen. Mit einher ging ein radikaler Antisemitismus. Dies schlug sich auch im Alpenverein nieder. 1920 wurde der Antrag an den Dachverband des Alpenvereins gestellt und genehmigt, dass Sektionen offiziell Arierparagrafen in ihre Satzung aufnehmen durften und damit die Mitgliedschaft von Juden ausschließen konnten. In der Folge führten zahlreiche Sektionen Arierparagrafen ein, vor allem in Österreich, aber auch in München und Berlin.“ (http://www.alpenverein.de/DAV-Services/Broschueren/?searchKey=Ausgeschlossen+-+J%C3%BCdische+Bergsportler+und+der+Alpenverein)

      Wandern, Bergsteigen, der gemeinsame freundschaftliche Aufenthalt in der Natur – unabhängig von Alter, Geschlecht, gesellschaftlicher Stellung und anderen soziologischen Kriterien – wurde in vielerlei Hinsicht von offizieller Seite verhindert oder für eigene Zwecke instrumentalisiert. So sollte es in den ausgehenden 1940er Jahren und danach zu einer großen „Wiedergründungswelle“ bei Vereinen und Institutionen rund um das Wandern kommen: 1945 Wiedergründung der Landesverbände der Naturfreunde, 1949 des Hauptverbands des Deutschen Jugendherbergswerk, 1950 des Österreichischen Alpenvereins und des Deutschen Alpenvereins.

      ♦ Literatur

      GÖTZ, K. (1959): 50 Jahre Jugendwandern und Jugendherbergen, 1909–1959. Deutsches Jugendherbergswerk (Hrsg., Verlag), Detmold.

      HARTUNG, K. (1959): Das Jugendherbergswerk in Westfalen-Lippe. 50 Jahre DJH-Werk. Jugendherbergswerk Westfalen-Lippe, Hagen.

      ♦ Websites

      ▶ Deutscher Alpenverein (DAV)

      www.alpenverein.de

      ▶ Jugend des Deutschen Alpenvereins

      www.jdav.de/Jugendarbeit/

      ▶ Geschichte Jugendherbergen (Beispiel)

      www.djh-wl.de/de/jugendherbergen/altena-burg/ueber-uns/geschichte

      ▶ Übersicht Wandervogelverbünde

      www.wandervogel.de/

      ▶ Wandervogel Deutscher Bund

      www.wvdb.de/

      ▶ Die Wandervogelbewegung

      www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/alltag/wandervogel/

      1.4 Die Erfindung von touristischen Wanderwegen

      In diesen Ausführungen geht es um die Wanderwege, konkreter um Fernwanderwege der „ersten Stunde“. Dieses Kapitel Wandergeschichte in Deutschland muss mit dem Westweg und dem Schwarzwaldverein beginnen. Der älteste deutsche Höhenweg wurde im Jahr 1900 vom Badischen Schwarzwaldverein durch Philipp Bussemer aus Baden-Baden und Julius Kaufmann aus Lahr angelegt. Die Idee eines durchgehenden Höhenwanderwegs von Nord nach Süd war damals bereits sechs Jahre alt.

      Im Spätherbst wurden in einer Sitzung der „Höhenwegsbezeichnungskommission“ auf dem Feldberg die Grundsätze der Markierung des „Höhenwegs Pforzheim–Basel“ festgelegt. Der rote Rhombus auf weißem Untergrund, der bis heute das Zeichen des Westwegs ist, wurde dafür ausgewählt. Zunächst ging man mit der Schablone für den Rhombus ins Gelände, aber auch weiße Zinkplatten mit dem Rhombus in den Maßen von 10 x 16 cm wurden als Vormarkierungen angebracht. Für die Hauptinformation sah man hölzerne Wegweiser mit Schildern aus 24 mm dickem Eichenholz vor. „Jeder Wegweiser erhält als Text die Überschrift: ,Höhenweg Pforzheim–Basel‘, darunter den rot ausgeführten Rhombus, seitlich das Schwarzwaldvereinszeichen und unter dem Rhombus die Ortsangaben, die an den Hauptabzweigungen die Entfernungen in Kilometer enthalten. Hervorragende Höhenpunkte werden mit Höhentafeln versehen, die außer der Ortsbezeichnung die Angabe der Höhe ü. d. Meer tragen.“ (BUSSEMER (1901), Spalte 2)

      Das Wegemanagement organisierte die Kommission bereits in „moderner“ Weise, indem sie die Sektionen, durch deren Gebiete der Höhenweg Pforzheim – Basel verlief, mit den Arbeiten betraute – und diese „alljährlich

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