Qualitative Medienforschung. Группа авторов
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Alle drei hier besprochenen Großstrategien (Begründung durch Charisma, Verfahren oder Diskurs) versuchen mit dem Problem umzugehen, dass eine über sich selbst aufgeklärte Wissenssoziologie nicht mehr problemlos von der Gültigkeit ihrer Aussagen sprechen kann, insbesondere dann nicht, wenn sie für die Gesellschaft Planungswissen zur Verfügung stellen will bzw. soll.
Es ist nun müßig, (erneut) die Frage ernsthaft zu diskutieren, ob die o. g. Verfahren wirklich in der Lage sind, unsere Perspektivität zu beseitigen. Denn es kann keinen Zweifel daran geben, dass sie dazu nicht in der Lage sind: Keines dieser Verfahren vermag es, den Schleier von den Sachen selbst wegzuziehen, also einen Zugang zur wirklichen Wirklichkeit zu ermöglichen.
Gibt man nun aber die Utopie einer wissenschaftlichen Aufklärung bis zur letzten Konsequenz auf und akzeptiert, dass mit einem gewissen Maß an Vagheit (auch als Wissenschaftler) durchaus gut zu leben ist, dann dreht die Methodologiedebatte nicht mehr (ohne vorwärts zu kommen) durch, sondern kann durchaus gute von weniger guten Argumenten unterscheiden. Denn es gibt nicht nur die Alternative zwischen der absoluten Aufklärung auf der einen und der Blindheit auf der anderen Seite, sondern man kann auch, wenn man nicht alles sehr klar sieht, mit entsprechenden Vorkehrungen immer noch ganz gut seinen Weg finden.
Die entscheidende Frage, die wir uns stellen müssen, lautet deshalb, wie aus sozialwissenschaftlicher Perspektive explizite Qualitätskriterien für die Zuverlässigkeit der Datenerhebung, für die Repräsentativität der Datenauswahl und für die Gültigkeit der (generalisierten) Aussagen bestimmt und kanonisiert werden können, die jedoch nicht an den (zu Recht fragwürdigen) Idealen einer kontextfreien Sozialforschung orientiert sind, sondern z. B. auch das Wechselspiel von Forschern und Beforschten, Forschung und gesellschaftlicher Verwertung bzw. Anerkennung und auch die Besonderheiten der »social world« (Strauss 1991b, vgl. auch Strauss 1991a) der Wissenschaftler mit reflektieren.
Welche Bedeutung haben Gütestandards?
Angesichts einer solchen Aufgabenstellung kann man leicht mit großem Pessimismus reagieren, aber dieser Pessimismus wird erheblich verstärkt, wenn man sich auf der Suche nach Lösungen des Gültigkeitsproblems die herrschende Praxis qualitativer Forschungsarbeit, oder genauer: deren Beschreibung in Forschungsberichten ansieht. Denn ein etwas gründlicherer Überblick über die vielen Research-Reports qualitativer Forschung zeigt, dass die Anything-goes-Forschung längst Alltag qualitativen Arbeitens geworden ist: Daten werden oft zufällig eingesammelt, deren Besonderheit wird weder diskutiert noch berücksichtigt, Auswertungsverfahren werden oft ohne Rücksicht auf Gegenstand, Fragestellung und Daten fast beliebig ausgewählt (ad hoc) und aufgrund der Spezifik der Forschungssituation vor Ort reflexionsfrei modifiziert, Einzelfälle werden nicht selten ohne Angabe von Gründen zu Typen stilisiert, und immer wieder werden die Geltungskriterien für eine schillernde und kurzweilige Formulierung aufgegeben.
Dass die Lage so ist, wie sie ist, hat nur zum Teil etwas damit zu tun, dass der kämpferische Aufbruchdrang der Qualitativen, die sich ja stets im Besitz der besseren Methoden wähnten und deshalb auch stets an deren Verbesserung gearbeitet haben, angesichts ihres Erfolgs erheblich nachgelassen hat: Heute ist nicht ein zu wenig qualitativer Sozialforschung zu verzeichnen, sondern eher ein zu viel (des Unreflektierten) – es gibt nur noch sehr wenige Wirklichkeitsbereiche, die noch nicht von (manchmal auch dilettantischen) qualitativen Untersuchungen überzogen wurden. Aber diese Allgegenwart der qualitativen Forschung spricht nur auf den ersten Blick für deren Erfolg. Auch die landesweite Normalität qualitativer Methodenunterweisung innerhalb der sozialwissenschaftlichen Hochschulausbildung, deren Absegnung durch den Berufsverband der Soziologen und die Einrichtung einer eigenen Sektion »Qualitative Methoden« in der DGS (Deutsche Gesellschaft für Soziologe) erfolgt ist, sind hierfür lediglich Indizien.
Möglicherweise ist dieser Erfolg aber auch eine Ursache für die oft geringe Qualität qualitativer Arbeiten. Denn die sprunghafte und sehr schnelle Ausweitung der Methodenausbildung (noch vor der Entwicklung und Kanonisierung von Geltungskriterien) produziert nicht nur mehr gute Arbeiten, sondern naturgemäß noch mehr schlechte. Zudem findet allzu oft qualitative Forschung nur auf der Ebene selbst finanzierter Qualifikationsarbeiten innerhalb der Hochschulen statt. Hat sie sich jedoch den Ansprüchen von (wissenschaftlichen, politischen, privatwirtschaftlichen) Förderinstitutionen und deren Standards zu stellen, dann sind qualitative Forschungsanträge deutlich weniger erfolgreich – und das zunehmend.
Dies liegt nun nicht daran, dass die Verfahren der Gütesicherung bei den Qualitativen weniger hart sind als bei den Quantitativen (wenn auch die Ersten wegen der etwas jüngeren Forschungstradition gewiss noch mehr Reflexions- und Verbesserungsbedarf haben) – vorausgesetzt, man berücksichtigt bei der Anlage des Forschungsdesigns die Fragen der Gütesicherung (was vielleicht manche Qualitative noch nicht ernsthaft genug tun) und immer eingedenk des Sachverhaltes, dass die quantitative und qualitative Sozialforschung (die sich im Übrigen keineswegs ausschließen, sondern im Gegenteil: sie ergänzen einander gut) sich auf andere Gegenstandsbereiche und Fragestellungen beziehen. Zielt die erste nämlich vor allem auf die Bestimmung der mengenmäßigen Verteilung und Relation von geäußerten Meinungen und Handlungen innerhalb großer Grundgesamtheiten, so geht es der zweiten vor allem um die (Re-) Konstruktion der manifesten bzw. latenten Handlungsmotivierung sozialer Akteure (vgl. Lüders/Reichertz 1986). Schon allein deshalb, also weil strukturell verschiedene Gegenstände untersucht werden und weil der Anspruch der Ansätze sich so stark unterscheidet, können naturgemäß die Methoden der Gütesicherung bei qualitativer und quantitativer Forschung nicht identisch sein (vgl. Erzberger/Kelle 1998, Kelle 2008).
Auf dem Weg zu Gütestandards qualitativer Sozialforschung
Will man die Güte qualitativer Forschung im wissenschaftlichen Diskurs (aber vor allem auch im Diskurs mit potenziellen Bewertern) verteidigungsfähig machen (anregend hierfür: Steinke 1999; Flick 2007, 485 ff.; Reichertz 2006, Flick 2014, Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 21 ff.; Reichertz 2013b), dann gelingt dies heute keinesfalls mehr durch die Berufung auf die Autorität verstorbener Säulenheiliger der Wissenschaft, auch nicht durch den empiriefreien Einsatz wissenschaftlicher Vernunft und ebenfalls nicht durch die Unterstellung persönlicher Hellsichtigkeit. Stattdessen lässt sich die Güte von Aussagen nur über empirische Forschung rechtfertigen und deren Güte wiederum über spezifische (nach Gesellschaft, Zeit und Fachgebiet variierende) Standards der Qualitätssicherung. Letztere werden sich jedoch dabei (zumindest im westlichen Wissenschaftsprogramm) auf die Fragen der Zuverlässigkeit und der Repräsentativität der Datenerhebung und auf die Gültigkeit der Generalisierung beziehen müssen – will man in dem Wettbewerb um ökonomisches Forschungskapital im Spiel bleiben.
Kann bei der Bewältigung dieser nicht einfachen Aufgabe die qualitative Forschung (im Allgemeinen) unter Zugrundelegung eines (unreflektierten) Realismus solche Verfahren favorisieren, die versprechen, näher an der Wirklichkeit zu sein, so kann dieses Kriterium innerhalb einer reflexiven Sozialforschung so nicht gelten – hat sie sich doch von der Möglichkeit der Wirklichkeitsansicht verabschiedet – allerdings verbunden mit der Hoffnung, empirische Forschung und wissenschaftlicher Diskurs produzierten, wenn schon keine guten, dann jedoch bessere Einsichten. Sozialforschung kann deshalb letztlich nur auf die systematische und organisierte Produktion von Zweifeln (in jeder Phase des Forschungsprozesses) und die dadurch erreichte Fehlerausmerzung vertrauen.
Für diesen Zweck hat sich