Qualitative Medienforschung. Группа авторов
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Scheele, Brigitte/Groeben, Norbert (1988): Dialog-Konsens-Methoden zur Rekonstruktion Subjektiver Theorien. Tübingen.
Steinke, Ines (1999): Kriterien qualitativer Forschung. Ansätze zur Bewertung qualitativ-empirischer Sozialforschung. Weinheim/München.
Tracy, Sarah J. (2010): Qualitative Quality: Eight, »Big-Tent« Criteria for Excellent Qualitative Research. In: Qualitative Inquiry 16, S. 837–851.
Wolcott, Harold F. (1990): On Seeking – and Rejecting – Validity in Qualitative Research. In: Eisner, Elliot W./Peshkin, Alan (Hrsg.): Qualitative Inquiry in Education. The Continuing Debate. New York, S. 121–152.
Forschungsethik und Datenschutz
MATTHIAS RATH
»Forschungsethik« ist ein unklar verwendeter Begriff. Häufig bezeichnet er nur die kollektiv vereinbarten Wertannahmen einer Wissenschaft, die sich zwar konsensuell auf diese Regulierungen geeinigt hat, diese aber selbst nicht normativ begründen kann. Der Beitrag verweist auf die Notwendigkeit, Kriterien und Prinzipien der Forschungsethik im Sinne der philosophischen Ethik durch eine philosophische oder informierte Reflexion einzuholen, bestimmt die Medienforschung als Objekt einer solchen Forschungsethik, beschreibt dann die maßgebenden forschungsethischen Probleme der Medienforschung (informed consent, Auftragsforschung, politische Instrumentalisierung von Forschungsergebnissen) und differenziert abschließend zwischen den rechtlich obligatorischen Regelungen des Datenschutzes und den diesen voraus liegenden ethischen Fragestellungen.
1. Zum Begriff einer »Forschungsethik«
Die Bedeutung von »Forschungsethik« für Sozialwissenschaften, also auch die qualitative Medienforschung, ist häufig unklar. Definitionsversuche, wie die von Hopf (2016, S. 195)
»Prinzipien und Regeln […] in denen mehr oder minder verbindlich und mehr oder minder konsensuell bestimmt wird, in welcher Weise die Beziehungen zwischen den Forschenden auf der einen Seite und den in sozialwissenschaftliche Untersuchungen einbezogenen Personen auf der anderen Seite zu gestalten sind«, machen das Dilemma deutlich, das eine normative Reflexion auf forschendes Handeln für eine sich empirisch verstehende Forschung darstellt. Was hier (und in vergleichbarer Weise auch von anderen Autoren) als »Ethik« vorgestellt wird, ist zunächst einmal nur ein Regelkanon, der entweder »verbindlich« (juristisch) oder »konsensuell« bestimmt ist. Im Fall konsensueller Vereinbarungen haben ständische Vertretungen oder fachwissenschaftliche Verbände Standards des forschenden Handelns durch Mehrheitsentscheid für die jeweilige Profession oder Wissenschaft als verbindliche Prinzipien der Forschung festgelegt. Es handelt sich also um eine gruppenspezifisches Norm- oder Wertüberzeugung, die man auch als Gruppenmoral bezeichnen kann (vgl. Rath 2014, S. 38). Hammersley und Traianou (2011, S. 380) warnen in diesem Zusammenhang berechtigterweise vor einem »moralism«, der forschungsunabhängige Wertvorstellungen dem Forschungsprozess zuweise und/oder Forschende normativ überfordere. Aber für die Frage nach den anwendbaren und zu berücksichtigenden Werten können sie ebenfalls keine Hinweise geben, wie diese jenseits konsensueller Übereinkunft festzulegen wären. Denn die faktische Geltung dieser Regelungen, die in Gesetzestexten, dem Standesrecht oder den Kodizes für eine »gute wissenschaftliche Praxis« (vgl. z. B. DFG 2013) festgelegt ist, wird von den jeweiligen deskriptiven Disziplinen nicht selbst geleistet. Für die Findung und Kodifizierung geltender Regelungen sind außerwissenschaftliche Verfahren mit eigenen Präferenzen, z. B. politischen, weltanschaulichen oder ökonomischen Vorannahmen, maßgebend. Diese Regelungen gehören selbst nicht zum wissenschaftlichen Objekt der Disziplinen noch verfügen diese über wissenschaftliche Verfahren, um diese Regelungen über die faktische Geltung hinaus zu plausibilisieren (vgl. Rath 2006). Insofern muss man zwischen der normativen Institutionalisierung und einer im eigentlichen Sinne Normativität begründenden Disziplin wie der Ethik unterscheiden (vgl. Stapf 2006). Die Bezeichnung »Forschungsethik« ist daher irreführend.
Von dieser Geltung, die außerwissenschaftlich festgelegt werden muss, ist daher die Frage zu unterscheiden, ob solche Handlungsorientierung auch allgemeine Gültigkeit beanspruchen darf. Diese Frage ist das Thema der philosophischen Ethik, die als »Theorie rational eingeholter Normativität« (vgl. Rath 2016) die kritische Analyse und ggf. argumentative Plausibilisierung von Norm- und Wertüberzeugungen zu leisten vermag. »Forschungsethik« meint daher in einem wohlverstandenen Sinne die philosophische oder philosophisch informierte Reflexion auf Begründungsmuster oder die Frage, ob die konsensuell gesetzten Handlungspräferenzen über den faktischen Konsens hinaus auch eine argumentative Verallgemeinerung zulassen. In diesem Sinne ist Forschungsethik eine Teildisziplin der allgemeinen Ethik oder der das Forschungsfeld der jeweiligen Einzelwissenschaft betreffenden angewandten Ethik, für den Bereich der Medienforschung die Medienethik (vgl. Köberer 2015).
Hier können Ethik als wissenschaftliche Disziplin und das Kooperationsfeld von Medienforschung und Medienethik (vgl. Karmasin et al. 2013) nicht explizit dargestellt werden. Im Folgenden geht es daher primär um Medienforschung als Objekt einer Forschungsethik.
2. Medienethik als Objekt einer Forschungsethik
Wissenschaft stellt selbst ein Handlungsfeld dar. Menschliches Handeln im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung wie auch im Rahmen der Anwendung wissenschaftlicher bzw. wissenschaftlich-technischer Erkenntnisse steht unter dem Anspruch normativer Selbstbestimmung, z. B. im Rahmen eines Berufsethos oder einer Standesmoral, und der moralischen Infragestellung. Ethische Reflexionen zur Begründbarkeit moralischer Überzeugungen in Bezug auf wissenschaftliches und wissenschaftlich-technisches Handeln sind Aufgabe und Ziel der verschiedenen Wissenschafts- und Forschungsethiken (Ströker 1984; Erwin et al. 1994). Sigrid Graumann (2006) plädiert dafür, die Begriffe »Forschungsethik« und »Wissenschaftsethik« dabei klar zu trennen. Wissenschaftsethik umfasse »die Trias Wissenschaft, Technik und Gesellschaft« (ebd., 253), Forschungsethik hingegen beschränke sich auf Forschung als wissenschaftliche Praxis. Dieser analytischen Trennung wird im Folgenden weitgehend, wenn auch nicht ausschließlich, gefolgt, zumal, wie Beispiele zeigen, Forschungspraxis sehr wohl Folgen für gesellschaftliche Diskurse und Praktiken haben kann (vgl. z. B. Milgram 1974).
Zum klassischen Bestand forschungsethischer Reflexion gehört die Medizinethik, die sowohl die Anwendung als auch die Forschungspraxis der Medizin schon lange reflektiert und ein breites Corpus an einschlägigen nationalen und internationalen Regelungen und Vereinbarungen hervorgebracht hat (vgl. Honnefelder/Rager 1994; Schmidt 2008, S. 96–128). Für die empirischen Humanwissenschaften stellte sich im Nachgang zur Medizin ebenfalls die ethische Frage, ob all das am und mit dem Menschen gemacht werden darf, was methodisch möglich ist und aus einzelwissenschaftlicher Sicht sogar wünschenswert oder notwendig erscheint (vgl. Ott 1997).
3. Ethische Probleme der Medienforschung
Die empirischen Humanwissenschaften, die zur Erhebung wissenschaftlich relevanter Ergebnisse auf empirische Methoden zurückgreifen, müssen sich demnach mit der moralischen Infragestellung ihrer Forschungspraxis auseinandersetzen. Seit den frühen 1980er Jahren wird auch für die deutschsprachige empirische Sozialforschung über Regelungen und Kodices nachgedacht. Es wurde dabei deutlich, dass eine ganze Anzahl von Maßnahmen, die zum gängigen, vor allem experimentellen Forschungsinstrumentarium der empirischen Sozialforschung gehören, unserer moralischen Intuition zuwiderlaufen bzw. sich nicht ohne weiteres ethisch rechtfertigen lassen. Diese in Kodizes und der Literatur immer wieder genannten Problembereiche sind z. B.
• die Täuschung oder Missinformation