Qualitative Medienforschung. Группа авторов

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Qualitative Medienforschung - Группа авторов

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physische und/oder soziale Gefährdung oder gar Beeinträchtigung und Schädigung,

      • die Verletzung der Privatsphäre,

      • die Gefährdung des Datenschutzes.

      Selbst wenn man für manche Untersuchungen die Notwendigkeit solcher moralisch intuitiv fragwürdiger Methoden bezweifeln kann und alternative Forschungstechniken anmahnt, so bleiben doch grundsätzliche methodische Erwägungen bestehen, die diese Vorgehensweisen geradezu fordern. Dieses »Dilemma zwischen ethischen und methodologischen Normen« (Schuler 1982, S. 16) weißt auf die wichtige Unterscheidung zwischen wissenschaftsinterner und externer Verantwortung (vgl. Lenk 2006) hin. Wissenschaftsintern geht es um die Berücksichtigung der als »gute wissenschaftliche Praxis« ausgezeichneten Forschungsverfahren. Externe Verantwortung berücksichtigt vor allem die von Graumann (2006) der Wissenschaftsethik zugewiesenen Themenfelder. Beide Bereiche sind analytisch auch unterscheidbar, kommen aber in der Person der Forschenden zusammen. Forschende sind immer auch »kompetente Bürger«, die Verantwortung innerhalb der Gesellschaft und im Maße ihres Einflusses für die Gesellschaft tragen. Aus dieser Überlegung folgt noch eine weitere wichtige Differenzierung. Für die genannten und mögliche weitere Themenfelder der Forschungsethik ist darauf zu achten, ob sie nicht bereits nationalstaatlich oder supranational rechtlich geregelt sind. Im Gegensatz zu innerwissenschaftlichen Verfahrens- und Methodenfragen sind gesetzliche Regelungen von der handlungsleitenden Bindung her nicht mehr optional. Ein »Dopplung« in einer Professionsregelung scheint daher prima facie unnötig, es reicht u. U. der Hinweis auf die grundsätzliche Bereitschaft der Profession geltendes Recht zu achten. Allerdings kommt aus ethischer Sicht auch einer gesetzlichen Regelung nicht per se der Charakter der allgemeinen Plausibilität und Verallgemeinerbarkeit zu. Dies führt uns zum hauptsächlichen und wichtigsten Prinzip einer forschungsethischen Begründung, der Informationspflicht der Forschenden gegenüber ihren Probanden, da diese einerseits zwar gesetzlich im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts garantiert ist, aber konkret im Forschungsprozess ganz unterschiedlich eingeholt werden kann.

      Vor allem in der medizinischen Ethik ist die Informiertheit der Probanden (informed consent), welche die Voraussetzung darstellt für eine freie Zustimmung zur Beteiligung am Forschungsprozess, durch den Übergriff und die Erfahrungen im sogenannten »Dritten Reich« zum Grundbestand der wissenschaftlichen Selbstverpflichtung geworden (vgl. Yuko/ Fisher 2015). In Forschungsverfahren, die nicht auf Experimente, sondern methodisch auf Befragung, Interview (→ Keuneke, S. 302 ff.) und daran anschließend auf qualitative Interpretation der erhaltenen Aussagen setzt (vgl. die Beiträge im Abschnitt 6 dieses Handbuchs), steht weniger die Erhebung selbst als die Intention der Forschenden und die Verwendung der erhobenen Daten im Mittelpunkt (vgl. Friedrichs 2014). Wie aber auch schon in experimentalen Forschungskontexten ist auch hier nach dem Verhältnis von Erkenntniswille, Informationsanspruch und sozialem Interesse an bestimmten Daten (z. B. dem Einkommen der Befragten) zu fragen und dieses abzuwägen. Dabei ist nicht nur die jeweilige unterschiedliche Einschätzung des Verhältnisses von Individuum und Gemeinschaft oder Gesellschaft ein Problem (vgl. Friele 2012), sondern auch das Forschungssetting als solches – ein partizipativer Ansatz, der gerade in qualitativen Forschungsvorhaben häufig anzutreffen ist, wird informed consent grundlegender fassen als eher quantitative Befragungen, die individuelle Daten anonymisiert erheben oder verarbeiten (vgl. Gelling/Munn-Gidding 2011). Unabhängig davon wird man von ethischer Seite her die individuelle Entscheidungsfähigkeit höher einschätzen als kulturelle Relativierungen. Allerdings sehen die Kodizes experimentell arbeitender Wissenschaften und auch die meisten philosophischen Ethiker hierbei die Notwendigkeit, zwischen der Gefährdung der Probanden bzw. Versuchspersonen und dem Nutzen, der aus der Forschung entstehen kann, abzuwägen (risk benefit balance).

      Informed consent in qualitativer Medienforschung spielt mehr in den Bereich der Sicherung des Probandenschutzes (vgl. Jacob et al. 2013, 226–227) hinein, der formal auch dem Datenschutz und dem Schutz der Privatsphäre zuzuweisen wäre. Informed consent scheint daher entgegen der Tradition der experimentell arbeitenden Wissenschaften im Rahmen der qualitativen Sozialforschung auch die anderen oben genannten Aspekte der Forschungsethik zu tangieren bzw. den Kern qualitativer Forschungsethik auszumachen. Daher sind für die qualitative Medienforschung eigenständige Analysen (und ggf. eigene Strukturen für die Entwicklung forschungsethischer Institutionalisierungen wie Ethikkommissionen) notwendig (vgl. Burr/Reynolds 2010).

      Obwohl also einerseits die unmittelbare Gefährdung des Individuums wie auch der Gesellschaft in qualitativer bzw. nichtexperimenteller und nicht primär technisch umsetzbarer Forschung gering oder z.T. auch zu vernachlässigen sind, so stehen andererseits gerade die Medienforschung und speziell die Medienwirkungsforschung unter einem sozialen und politischen Legitimationsdruck. Sie sind der Praxis ihres Forschungsobjekts sehr nahe, zum einen, weil sie Ergebnisse zeitigt, die unter Umständen dieser Praxis im Sinne handlungsleitender Imperative dienen, zum anderen, weil ihre Ergebnisse zugleich das Rohmaterial abgeben für normative Bewertungen eben dieser Praxis, z.B. auf dem Gebiet der Rahmengesetzgebung. Der erste Aspekt eröffnet der Medienforschung (und anderen anwendungsbezogenen Forschungsbereichen) das lukrative Feld der privaten Auftragsforschung, der zweite Aspekt deutet auf die Gefahr einer Verstrickung anwendungsbezogener Forschung in forschungsfremde Interessen hin.

      4. Medienforschung als Auftragsforschung

      Als Auftragsforschung ist die Medienforschung spätestens seit Einführung der privaten Rundfunksender in Deutschland auch außerwissenschaftlich besonders relevant. Mit dem Aufbrechen des öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopols Anfang der 1980er Jahre begann die Diskussion um die Qualität des privaten Rundfunks – Schlagwörter sind hierfür vor allem Pornographie und Gewalt. Die klassische Kommunikationsforschung konnte hierbei nur einen bedingten Beitrag leisten, wenn auch die klassische Bestimmung ihrer Grundfrage von Lasswell (1948, S. 37), »Who Says What In Which Channel To Whom With What Effect?«, die Wirkung bereits als Thema benennt. Von der Quotenforschung abgesehen blieb Medienforschung an einzelne Auftraggeber gebunden, private wie öffentlich-rechtliche.

      Dieser Sachverhalt ist zunächst einmal nicht problematisch. Auftragsforschung ist in vielen Bereichen gang und gäbe. Für manche wissenschaftliche Institution ist Auftragsforschung Grundbestandteil der Finanzierung und damit unabdingbar. Die Finanzierungsform kann zunächst also nicht als ein ethisches Kriterium herhalten. Um die ethische Problematik zu erkennen, ist es sinnvoll, eine Unterscheidung aufzugreifen, die bereits Irle (1983) für eine andere anwendungsbezogene Sozialwissenschaft, die Marktpsychologie, erarbeitet hat. Er unterscheidet zwischen einer »quasiparadigmatischen«, theoriegeleiteten Forschung, einer problemorientierten oder »Domain«-Forschung und schließlich der praxisorientierten »technologischen« Forschung. Die technologische Forschung unterscheidet sich von den anderen Forschungsformen durch ein zusätzliches Forschungsziel. Sie soll »rationale Maßgaben dafür bereitstellen, was getan werden soll, um etwas hervorzubringen, zu vermeiden, zu verändern, zu verbessern usf.« (ebd., S. 836). Die Auftragsforschung »instrumentalisiert« also ihre Probanden zu einem außerwissenschaftlichen Zweck. Daraus ergibt sich eine erhöhte ethische Sorgfaltspflicht, vor allem im Bereich des informed consent, zum Beispiel mit der Pflicht, immer den Auftraggeber der Forschung mitzuteilen. Aber es ergibt sich im Medienbereich noch eine weitere Differenzierung. Medienforschung kann ein Instrument operativer Produktplanung oder strategischer Öffentlichkeitsarbeit sein.

      4.1 Medienforschung als »in-house«-Phänomen

      Als »in-house«-Phänomen dient die Medienforschung vor allem dazu, Bedeutung, Leistung, Akzeptanz und Wirkung medialer Produkte zu erheben, um dem Medienanbieter ein operatives Instrument in die Hand zu geben, seine Produkte zu optimieren. In diesem Fall hat der Auftraggeber Interesse an einer möglichst genauen und wissenschaftlich korrekten Erforschung des jeweiligen Objekts. An der Praxis medialer Vermarktbarkeit orientiert, will der Auftraggeber wissen, wie seine Produkte wirken, wo sie Defizite, gemessen an einem bestimmten Akzeptanzmaß (Einschaltquote, verkaufte Auflage,

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