Qualitative Medienforschung. Группа авторов
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Der organisationssoziologische Medienbegriff
Medientechnologien und ihre Vermarktung bedürfen ausdifferenzierter Organisations- und Arbeitsformen. Die »Doppelnatur des Systems Medium« (Saxer 1975, S. 209) besteht darin, dass jedes (publizistische) Medium einerseits ein bestimmtes kommunikationstechnisches Potenzial aufweist, sich andererseits bestimmte Sozialsysteme um diese Kommunikationstechnologie herum bilden. Im Anschluss an Saxer (1998) zählt Burkart (2002) folgende für einen »medienwissenschaftlich angemessenen« Begriff von »Medium« charakteristischen Begriffsbestandteile auf:
• Medien sind Kommunikationskanäle, die auditive, visuelle bzw. audiovisuelle Zeichensysteme transportieren bzw. vermitteln;
• bei Medien handelt es sich zumeist um (arbeitsteilige) Organisationen, die vielfältige Leistungen und Funktionen für die Gesellschaft (bzw. jeweilige Zielgruppen) erbringen;
• Medien bilden für Herstellungs-, Bereitstellungs- und Empfangsprozesse mehr oder weniger komplexe soziale Systeme;
• Medien stellen Institutionen dar, da Medien um ihres umfassenden Funktionspotenzials willen in das jeweilige gesellschaftliche Regelsystem eingefügt, institutionalisiert (Saxer 1998, S. 55) werden (vgl. Burkart 2002, S. 42 ff.).
Begrifflich unterscheidet man auch zwischen Medien erster Ordnung, die gewissermaßen eine technische Infrastruktur mit bestimmter (publizistischer) Potenzialität darstellen, und Medien zweiter Ordnung, die unter Beteiligung institutionalisierter Kommunikatoren Massenkommunikation ermöglichen (Kubicek/Schmid/Wagner 1997, S. 32 ff.). Medien erster Ordnung dürfen dabei nicht als neutral oder kulturell beliebig missverstanden werden, sondern sind wie jede Technik immer auch schon Kulturobjekt, »kodierte Bedeutung« (Hörning 1989, S. 100).
In der sozialwissenschaftlichen Technikgeneseforschung hat sich eine institutionelle Perspektive durchgesetzt, der zufolge um technische Innovationen herum Institutionen entstehen. Die Implementierung neuer Medientechniken erscheint aus dieser Perspektive im weitesten Sinne als ein Prozess der Organisationsentwicklung technisch vermittelter Kommunikationssysteme (vgl. Kubicek/Schmid 1996).
Medienentwicklung lässt sich auch als ein Prozess der »Technisierung symbolischer Prozesse« (Rammert 1993, S. 307) beschreiben. Medien sieht Rammert als technische Interaktionssysteme, die bestimmte soziale Interaktionsund Kommunikationsprozesse reproduzieren oder ermöglichen. Kommunikation kommt freilich nur zustande, wenn »jemand sieht, hört, liest – und so weit versteht, dass eine weitere Kommunikation anschließen könnte« (Luhmann 1996, S. 14). Diese für die Entwicklung einer neuen Medientechnik zu einem sozialen Medium notwendige Verständigung erfordert den Aufbau sozialer Regelsysteme und Instanzen, durch die die Verwendungsweisen des Mediums in einem bestimmten Kontext definiert werden durch gemeinsam geteilte Codes und Regeln sowie Wissens- und Sinnbezüge, in die das medienbezogene Handeln eingebettet ist.
Massenmedien
Der Begriff Massenmedien ist von allen Medienbegriffen der wohl am besten definierte und auch in der Forschung noch immer geläufigste. »Massenmedien«, »Medien der Massenkommunikation« oder schlicht »Verbreitungsmittel« sind austauschbare Bezeichnungen für »technische Instrumente oder Apparate, mit denen Aussagen öffentlich, indirekt und einseitig an ein disperses Publikum verbreitet werden« (Maletzke 1963, S. 35). Diese in einer Studie zur Psychologie der Massenkommunikation entwickelte Definition ist weithin rezipiert worden und bis heute anerkannt. Synonym gebraucht wird manchmal der Begriff publizistische Medien. Nicht durchgesetzt haben sich die Bezeichnungen Programm-Medien oder Öffentliche Medien, die beispielsweise Baacke statt Massenmedien vorgeschlagen hat, da Masse (im Gegensatz zum Publikum der Massenmedien) »eher an ein ungegliedertes, unstrukturiertes Miteinander einander fremder Menschen denken lässt« (Baacke 1994, S. 315).
Maletzke (1963) differenziert den klassischen Medienbegriff, indem er drei Unterscheidungen vornimmt: zwischen direkter und indirekter Kommunikation, gegenseitiger und einseitiger Kommunikation sowie privater und öffentlicher Kommunikation. Massenkommunikation ist immer indirekte Kommunikation. Während direkte Kommunikation im Gespräch, also face to face stattfindet, gibt es bei indirekter (beispielsweise schriftlicher) Kommunikation eine »räumliche oder zeitliche oder raumzeitliche Distanz zwischen den Kommunikationspartnern« (ebd., S. 28). Anders als im Gespräch, bei dem die Sprecherrolle ständig wechselt (gegenseitige Kommunikation), sind bei Massenkommunikation die Rollen von Kommunikator und Rezipient durch das Medium klar verteilt: »Alle Massenkommunikation verläuft einseitig« (ebd., S. 28). Private Kommunikation definiert Maletzke als »ausschließlich an eine bestimmte Person oder an eine begrenzte Anzahl von eindeutig fixierten Personen« gerichtet. Bei öffentlicher Kommunikation ist der Adressatenkreis weder begrenzt noch definiert, da »die Aussage in der Intention des Aussagenden für jeden bestimmt ist, der in der Lage ist, sich Zugang zur Aussage zu verschaffen, und der willens ist, sich der Aussage zuzuwenden«. Massenkommunikation ist »immer öffentlich in diesem Sinne« (ebd., S. 28).
Dem so definierten Bereich der Massenmedien ordnet Maletzke zunächst vier Medienbereiche zu: Presse, Film, Hörfunk und Fernsehen. Den Begriff der Presse verwendet Maletzke dabei »in seiner weitesten und ursprünglichsten Bedeutung« und versteht darunter »alles veröffentlichte Gedruckte« (Maletzke 1963, S. 36). Neben Zeitung und Zeitschrift, also gedruckten Periodika, sind mit diesem Pressebegriff auch »Buch und Flugblatt, Groschenheft und Werbeprospekt« (ebd.) erfasst (vgl. Abb. 1).
Das entscheidende Kriterium zur Unterscheidung von Massenmedien und »Medien überhaupt« ist das »disperse Publikum« der Massenmedien, das sich vom Präsenzpublikum dadurch unterscheidet, dass Orts- und Zeitfixierung nur auf Letzteres zutrifft. Theater, Zirkus oder Vorträge sind demzufolge keine Massenmedien, dagegen die Schallplatte (ähnlich CD, Video, DVD, Musikstreamingdienste etc.) »als zusammenfassender Begriff für alle zur Veröffentlichung bestimmten Schallaufzeichnungen« (Maletzke 1963, S. 32) sehr wohl. Das Beispiel zeigt, dass bei den Trägermedien die Abgrenzung schwer fällt, da sie sowohl für ein Massenpublikum als auch von einzelnen Nutzern individuell für kleine private Kreise produziert werden können.
Der Begriff »technisches Verbreitungsmittel« schließt die direkte Gesprächssituation aus und dient als Oberbegriff zur genaueren Definition des Mediums, wobei die »Technik« die Unterschiede der Massenmedien begründet. Schanze weist darauf hin, dass Maletzkes Interesse jedoch nicht gerichtet ist auf das »Abstractum der technischen Verbreitungsmittel bzw. auf die verschiedenen Techniken, sondern gerade auf den Komplex der spezifischen Wirkungen der Massenmedien auf das disperse Publikum. Eine Isolation des Medienbegriffs verbietet sich von diesem Ansatz von selbst. Erst das Phänomen Massenmedium als Institution des öffentlichen Lebens kann Untersuchungsgegenstand werden, an dem sich die Theorie der Massenmedien bewährt« (Schanze 1976, S. 34).
An seine Grenzen kommt der Begriff »Massenkommunikation« durch Hybridmedien wie das Internet. In den Computernetzwerken wird Individualkommunikation ebenso praktiziert wie interpersonale Kommunikation in virtuellen Gemeinschaften oder auch Massenkommunikation (vgl. z.B. Höflich 1994, 1995). Angesichts der definitorischen Zuordnungsschwierigkeiten stellt sich daher die Frage, ob man überhaupt noch von Massenmedien reden sollte oder neue Begriffe wie »Massen-Individual-Medien« schaffen müsste.
Wenn man Netzwerke unter Medien subsumiert, lässt sich jedenfalls nicht mehr materialreich nach Medienfeldern (Zeitung, Rundfunk), sondern nur unscharf nach medialen Funktionen differenzieren. Versteht man andererseits Netzwerke nicht als Medien, steht man »den Reichweiten binärer Netze,