Medientheorien kompakt. Andreas Ströhl

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Medientheorien kompakt - Andreas Ströhl

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Damit war bereits eine Weichenstellung vorgegeben. Denn der Blick auf das Veröffentlichen bedingt die Untersuchung von Öffentlichkeit an sich. Diese traditionellste Form von Medienwissenschaft ist daher klar den Gesellschaftswissenschaften zuzurechnen; da sie sich häufig mit Fragen der Rezeptionsforschung befasst, macht sie sich zumeist Methoden der quantitativen und empirischen Sozialforschung zu Eigen.

      Die technischen Massenmedien Film, Hörfunk und Fernsehen verändern und erweitern den Forschungsgegenstand schließlich so grundlegend, dass sich aus Zeitungswissenschaft und Publizistik die Kommunikationswissenschaft entwickelt, die einen viel weiter gefassten Anspruch erhebt: Zum einen widmet sie sich sozialwissenschaftlich der Massenkommunikation, das heißt der Funktion und Wirkung von Massenmedien wie Plakaten, Zeitungen, Film, Hörfunk und Fernsehen in der Gesellschaft. Zum anderen jedoch wird ihr Gegenstand ganz allgemein die Kommunikation unter Menschen. Die Mutterdisziplinen, die bei der Ausformung dieser Forschungsrichtung Pate stehen, sind eher geisteswissenschaftlicher Art. Linguistik, Semiotik (→ S. 174), Philosophie und Psychologie liefern hier methodisch die Instrumentarien.

      Beide Ausprägungen der Kommunikationswissenschaft werden später, im Verbund mit philosophischen Disziplinen wie der Erkenntnistheorie, auf das Fach einwirken und das mitbegründen, was wir heute unter »Medientheorie« verstehen.

      Die geisteswissenschaftlich geprägte Erforschung individueller Kommunikation, d. h. derjenige Zweig der Kommunikationswissenschaft, der sich nicht der Sozialforschung zurechnet, dessen Gegenstand weniger die Gesellschaft als vielmehr das Individuum sowie dessen Kommunikationsweiund[26] Mediennutzungsverhalten sind, verbindet sich seit den 1970er-Jahren mit den geisteswissenschaftlichen Fächern der Literatur- und Theaterwissenschaft sowie der Kunstgeschichte zu dem, was seither als »Medienwissenschaft« verstanden wird: Die Medien rücken nun als Gegenstand der Analyse in den Mittelpunkt. Parallel dazu gibt es jedoch auch hier eine zweite, anders orientierte Ausrichtung, nämlich eine soziologisch orientierte Medienwissenschaft, die sich als Weiterentwicklung der ebenfalls sozialwissenschaftlich geprägten Spielart der Kommunikationswissenschaft versteht. Doch nun haben sich die Kräfteverhältnisse deutlich verkehrt: War die klassische Kommunikationswissenschaft eine empirische Sozialwissenschaft, die auch einen am Individuum orientierten, eher geisteswissenschaftlich orientierten Zug aufwies, so versteht sich Medienwissenschaft weit überwiegend als geistes- und kulturwissenschaftliche Disziplin, bei der eine sozialwissenschaftliche Orientierung eher als Ausnahme denn als Regel zu verstehen ist.

      Die geistes- und kulturwissenschaftliche Orientierung der Medienwissenschaft brachte eine Fokussierung auf das Medium als zentralen Faktor im Kommunikationsprozess mit sich sowie eine Hinwendung zur Medialität als grundlegender Eigenschaft und Bedingung von Wahrnehmung. Der medial oder mediatic turn → S. 180) machte in den 1980er-Jahren die Medientheorie plötzlich zur – vonseiten der Schulakademiker zunächst verpönten – Leitwissenschaft für alle, nicht nur für die geistesund gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen. Die Differenzierung der Medienwissenschaft in ihre drei Zuständigkeitsbereiche Medienanalyse (strukturalistischer oder diskursanalytischer Provenienz), Mediengeschichte (oder -archäologie), sowie Medientheorie im engeren Sinn bestimmt seither das Geschehen. Diese Medientheorie ist im Kern eine Wiederkehr zum Teil Jahrtausende alter philosophischer Grundunterscheidungen und -fragestellungen.

      Wo Medienwissenschaften der Status und Titel einer universitären Disziplin ist (deren Plural immer noch eine Restturbulenz signalisiert), war Medientheorie die längste Zeit ein Geschehen, das sich – wenngleich […] meist nicht unter diesem Namen – in verschiedensten Wissensdomänen (der Philosophie, den Naturwissenschaften, den Künsten) seit längerer Zeit ereignet hat und immer noch ereignet. Daher ist Medientheorie (über eine Laufzeit von mindestens 2500 Jahren) überhaupt nicht an die Existenz einer akademischen Medienwissenschaft gebunden (ja sie muss nicht einmal an Universitäten stattfinden bzw. [27]sich in Büchern und Aufsätzen niederschlagen, d. h. wissenschaftsförmig sein), kann (und sollte) aber sehr wohl deren bevorzugter Gegenstand im Rahmen einer historisch-epistemologischen Betrachtung sein. (Pias 2011, 18 f.)

      Die in diesem Buch skizzierten Medientheorien lassen sich allesamt als anregende, spekulative Medienphilosophien beschreiben. Mit ihnen kehren teilweise uralte erkenntnistheoretische Fragestellungen im neuen Gewand des modisch-postmodernen Dekors zurück. Aber es geht ihnen unverkennbar um Grundfragen menschlicher Kommunikation und des menschlichen Zusammenlebens. Die Kritik der Schulphilosophie an dieser Art neuen Philosophierens war häufig harsch. Und doch greift der Vorwurf des alten Weins in neuen Schläuchen nicht: Dass unter vollständig veränderten Lebens- und Kommunikationsbedingungen die alten, ungelösten Fragen im neuen Gewand erscheinen, spricht nicht gegen, sondern vielmehr für die Relevanz des neuen Blickwinkels auf die Grundsatzfragen menschlicher Verständigung. In wesentlichen Punkten ist Medienphilosophie, wie sie besonders seit Marshall McLuhan, Vilém Flusser und Jean Baudrillard betrieben wird, ganz zu Recht die Leitwissenschaft der heutigen Welt geworden. Ein immer wieder aufblitzender Zug von unseriösen (bis größenwahnsinnigen) Welterklärungsversuchen und endzeitlicher Spekulation gehört da wohl durchaus dazu. Analyse und Programm, Welterklärung und Millenarismus lassen sich in einer Zeit, in der jede Beschreibung von Phänomenen bereits im Verdacht unzulässiger Sinngebung und Konstruktion steht, nicht mehr trennscharf unterscheiden.

      Auch mit dieser schematischen Verkürzung und Vereinfachung ist letztlich noch nicht viel an Klarheit gewonnen. Denn auch innerhalb der philosophischen Medientheorien gibt es eine Vielzahl sich widersprechender und einander ausschließender Ansätze, die alle mehr oder weniger ausdrücklich einen Anspruch auf Gesamtgeltung erheben – und darauf, die Welt der Medien, ihrer Produktion und Rezeption, ihrer kommunikativen, weltkonstruierenden und gesellschaftsbildenden Aspekte allein und vollständig erklären zu können.

      Dennoch hier ein grob schematisierter Stammbaum der modernen Medienwissenschaften:

      [28]

      Abbildung 3: Schematischer Stammbaum der Medienwissenschaften

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