Die NATO. Falk Ostermann

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stets auf relative Vorteile bezogen (Mearsheimer 1994, 20; Masala 2017, 143).3 Der NeorealisRealismus (Neo-)mus ist sich aber nicht vollends einig, welche generellen Handlungsimperative hieraus für Staaten erwachsen. Es wird daher zwischen defensivem Realismusdefensiver RealismusRealismus (Neo-) und offensivoffensiver RealismusRealismus (Neo-)em Realismus unterschieden. Joseph M. Grieco (1990) und Stephen Walt gelten als Verfechter des defensive structural realism, und Kenneth Waltz’ struktureller Realismusstruktureller RealismusRealismus (Neo-) wird ebenfalls defensiv charakterisiert (Masala 2017, 159). Defensive Realist*innen unterstreichen die Gefahren von (zu) offener Konfrontation und MachtMachtprojektion, die zu mehr Unsicherheit führen können, da Konfrontationen stets mit einem Unvorhersagbarkeitsmoment einhergehen. Daher ziehen sie ein Status quo-orientiertes Handeln von Staaten vor, bei dem Akteure Gefahren neutralisieren (balance of threatbalance of threat) und relative MachtMacht erhalten, ohne sie notwendigerweise zu maximieren (Walt 1987, 5; Elman 2008, 20ff.). MachtMacht ist dabei nur Mittel zum Zweck. Dem halten Vertreter des offensive structural realism wie Mearsheimer oder Randall Schweller (1994) entgegen, dass es im internationalen System revisionistische Staaten gibt, die mehr MachtMacht wollen, um sich selbst in eine bessere Position zu bringen. Gegen solche Akteure, die die ursprüngliche, oben beschriebene Unsicherheit erst erzeugen, helfe nur MachtMachtexpansionismus (Schweller 1994; Masala 2017, 159). Für sie balancieren Staaten nicht Gefahren, sondern MachtMacht (balance of powerbalance of power), weil hohe relative MachtMacht das Aufkommen von Gefahren im Keim erstickt. Im offensivRealismus (Neo-)en Realismus ist also die Maximierung von MachtMacht gleichbedeutend mit der Sicherung des Überlebens – MachtMacht ist ein Ziel an sich (ibid., 22ff.; s. auch Mearsheimer 2001, 21; Feng und Ruizhuang 2006, 123f.). Diese Überlegungen verdeutlichen, dass NeorealisRealismus (Neo-)t*innen – vor allem die offensiven – in ihrer Theorie besonders das Verhalten von GroßmächteGroßmacht(konfrontation)n (ChinaChina, Russland, USA) thematisieren, während die Entscheidungen von weniger mächtigen Staaten stets von der Polarität des Systems (unipolarunipolarPolarität, bipolarPolarität oder multipolar) und somit von der Anzahl der GroßmächteGroßmacht(konfrontation) bestimmt werden.4 In offensiv-realistischer Lesart ist es deshalb die beste Versicherung des Überlebens, ein regionaler HegemonHegemonie (USA) zu werden, der anderen Staaten in seinem Umfeld ihre Politiken diktieren oder zumindest sicherstellen kann, dass diese aufgrund des MachtMachtgefälles nicht gegen ihn gerichtet sind. Den mit weniger MachtMacht ausgestatteten Staaten bleibt manchmal nur die schlechtere Handlungsstrategie des bandwagoningbandwagoning, sich einem größeren Staat zur Herstellung der eigenen Sicherheit anzuschließen, was sie aber mit Freiheitseinbußen bezahlen. Daher ist bandwagoningbandwagoning niemals die bevorzugte Strategie, sondern stets die Fähigkeit zum balancingbalancing (Walt 1987, 17) – entweder von Gefahren (defensiv) oder von MachtMachtansprüchen (offensiv).

      3.1.2 Neorealistische Allianztheorie und die NATO

      InRealismus (Neo-) ihrer SkepsisAllianztheorie gegenüber der Relevanz von Institutionen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik haben Realist*innen dennoch die Rolle von Allianzen theorisiert, die Staaten zum Zweck der Abwehr eines Feindes gründen. Stephen M. Walt hat mit seinem 1987er Buch The Origins of Alliances eine umfassende Studie vorgelegt, die das Zustandekommen, Bestehen und die Auflösung von Allianzen in historischer Perspektive betrachtet. Walt definiert Allianzen als formelle oder informelle Sicherheitsarrangements zwischen Staaten, die auf Gegenseitigkeit beruhen und exklusiv gegen andere Akteure gerichtet sind, von denen eine Gefahr für die Mitglieder ausgeht (Walt 1987, 12; 1997; s. auch Wallander und Keohane 1999, 23ff.). Walt führt fünf Erklärungen für das Zustandekommen von Allianzen an:

      1 balancingbalancing: Staaten verbündeten sich gegen eine Gefahrenquelle;

      2 bandwagoningbandwagoning: Ein Staat verbündet sich mit der Gefahrenquelle, um Appeasement zu betreiben oder als Sieger dazustehen;

      3 ideologiIdeologiesche Gemeinsamkeiten: eine Allianz wird auf Basis gemeinsamer Prinzipien gegründet, um die Legitimität des eigenen Handelns zu steigern;

      4 Bereitstellung von Gütern: Allianzgründung erfolgt, weil ein Staat gemeinsame Güter bereitstellt (z. B. militärische FähigkeitenKapazitäten (militärische)), die ein anderer Staat nicht hat. Abhängigkeitsbeziehungen (Dankbarkeit, Gefolgschaft) werden geschaffen oder gute Absichten kommuniziert;

      5 Einflussnahme von außen verändert die öffentliche Meinung (z. B. durch Propaganda) oder politische Positionen von Personen in einem anderen Land (Walt 1987, Kap. 2).

      In seinen ursprünglichen Überlegungen sah Walt vor allem die balancingbalancing- und bandwagoningbandwagoning-Logiken als bestimmend für Allianzgründungen an, während er den anderen drei Erklärungen nur eingeschränkte Gültigkeit attestierte. Im Bereich der IdeologiIdeologiee gäbe es sowohl trennende als auch einende Aspekte (z. B. würde die Zusammenarbeit mit oder unter autoritären Staaten eher konfliktiv, die unter liberalLiberalismusen Republiken eher einend verlaufen). Die Bereitstellung von Gütern als Grund, eine Allianz einzugehen, funktioniere nur, wenn der Anbieter des Gutes (z. B. Sicherheit) ein Monopol innehabe (nur er kann Sicherheit für den Käufer garantieren) und der annehmende Staat bedroht sei, der Anbieter jedoch nicht. Und schließlich sah er den Grund der innenpolitischen Beeinflussung von vielen gesellschaftlichen Kontextfaktoren im Zielland abhängig. Insgesamt wies Walt somit den Erklärungen 3-5 nur einen mittelbaren, intervenierenden Einfluss auf Allianzgründungen zu. Niemals sei das ideologiIdeologiesche Argument wichtiger als die Sicherheit eines Staates. Der primäre Grund, in eine Allianz einzutreten, sei daher immer in der Herstellung von Sicherheit und Überleben zu suchen (Walt 1987, 33ff.). Gemein ist den verschiedenen Ansätzen der AllianztheorieAllianztheorie die Betonung des nichtdauerhaften Charakters von Allianzen. Sie sehen auf militärischen Beistand zielende Bündnisse als spezifische Antworten auf konkrete Probleme, die beim Wegfall dieser Probleme erhebliche Kosten, vor allem für den HegemonHegemonie (USA), erzeugen können (buck-passing, s. Mearsheimer 1990, 15f.; Mearsheimer und Walt 2016).

      Der Wandel internationaler Politik nach dem Ende des Kalten Krieges hat zu Anpassungen der realistischen AllianztheorieAllianztheorie geführt. Mearsheimer hat der NATO im Jahr 1990 den Untergang prophezeit, weil die Bedrohung durch die Sowjetunion nicht mehr bestand und das wiedervereinigteWiedervereinigung (deutsche) Deutschland bald seine neuen MachtMachtmöglichkeiten ausspielen würde (Mearsheimer 1990). Bekanntlich ist weder das eine noch das andere eingetreten: Die NATO feierte im Jahr 2019 ihren 70. Geburtstag und Deutschland setzte seine zurückhaltende ZivilmachtZivilmacht (Deutschland)-Außenpolitik unbeeindruckt von der Verbesserung seiner MachtMachtposition fort (Duffield 1999; Maull 2007). Walt überdachte daraufhin seine Theorie und räumte vier Aspekten größere Bedeutung ein: Erstens müsse man die identitäIdentitättsstiftende Rolle von gleichgerichteter IdeologiIdeologiee zwischen Staaten höher bewerten. Mit dieser Neubewertung bezieht er sich u.a. auf die Forschung zu Sicherheitsgemeinschaften von Karl W. Deutsch (Deutsch et al. 1968 [1957]; Deutsch 1970 [1954]; Adler und Barnett 1998).1 Politische Debatten wie die um ein globales Concert of DemocraciesConcert of Democracies (Alessandri 2008; Balladur 2008) oder eine Global NATOGlobal NATO (Adam 2007; Daalder und Goldgeier 2006; Bunde und Noetzel 2010; Clarke 2009; McCain 2008; Müller 2008, 45f.; Alessandri 2008) spiegeln letztlich die Rolle und Bedeutung von IdeologiIdeologiee für die Allianz wider. Zweitens wirke sich ein hoher InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)ierungsgrad – also das Vorhandensein von Gremien, Bürokratie und Prozessen – auf das Fortbestehen von Bündnissen aus. Drittens könnten mächtige innenpolitische Eliten ein Interesse an der Aufrechterhaltung einer Allianz haben. Viertens könnte eine stark ungleiche Kostenverteilung zu Ungunsten eines wohlwollenden HegemonHegemonie (USA)en (Layne 2006, 17, mit Bezug zu Ikenberry), der daraus Vorteile zieht, ein stabilisierender Faktor sein (Walt 1997, 164ff.; ähnlich McCalla 1996, 456ff.). Die USA nehmen die Rolle des wohlwollenden HegemonHegemonie (USA) seit 1949 ein und haben sie trotz alle Konflikte in der Allianz um die Lastenverteilungburden-sharing aufrechterhalten. Erst unter TrumpTrump, Donald J. ist die NATO in einen manifesten Konflikt hierüber geraten, ohne die Rolle völlig abzulegen

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