Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer

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Publizistik- und Kommunikationswissenschaft - Heinz Pürer

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erreichen – also das, was wir heute »persuasive Kommunikation« nennen (vgl. Hovland/Janis/Kelly 1953; Koeppler 2000).

      Die nach dem Ende der antiken Großreiche einsetzende Völkerwanderung führte zum Abhandenkommen materieller, politischer und kultureller Voraussetzungen organisierter gesellschaftlicher Kommunikation, wie es sie im Römischen Reich gab. Erst mit der Herausbildung einer neuen, stabilen Ordnung im Mittelalter »entstanden äußere Bedingungen, unter denen sich […] geordnete Kommunikationsbeziehungen« entwickeln konnten (Wilke 2000, S. 10). Mit der Herausbildung von Zentralgewalten werden »Funktionen, die später auf den modernen Staat übergehen, von korporativen Einrichtungen übernommen […]« (ebd.). Es sind dies Universitäten (damals noch nicht ›universitas literarum‹), Zünfte, christliche Orden, Klöster, städtische ›Magistrate‹ und ›Kanzleien‹ von Königen und Herzögen (Hof, Burg) sowie Bischöfen. Die Kirche hatte dabei eine besondere Stellung: Sie wirkte als übergreifende Gemeinschaft und war ein Bindeglied zwischen den Gesellschaftsschichten, sie war »der eigentliche Raum der Öffentlichkeit» (Wilke 2000, S. 11 mit Bezugnahme auf Benzinger 1970). Sie hatte einerseits besondere Bedeutung als »Trägerin und Ort der Kommunikation« und bediente sich selbst der Mittel der Kommunikation zur Verkündigung (ebd.): Die Kanzel war »Stätte amtlicher Bekanntmachung«, der Kirchplatz »Ort für das persönliche Gespräch oder die Unterredung in der (Klein-)Gruppe« (ebd.). Als Räume »okkasioneller Öffentlichkeit» (ebd.) fungierten Reichstage (von denen die Allgemeinheit eher ausgeschlossen war und man daher kaum von Öffentlichkeit sprechen konnte). Des weiteren Märkte, die neben ihrer wirtschaftlichen Funktion auch eine kommunikative hatten: Spielmänner und Sprecher zogen von Ort zu Ort, um Neuigkeiten in Reim und Lied bekannt zu machen. Sie berichteten auch von politischen Ereignissen und sensationellen Vorfällen. Oralität (mündliche Vermittlung) und Visualität (Bilder) herrschten vor (Wilke 2000, S. 11). Schriftlichkeit gab es v. a. an den Klöstern und (oft aus Klöstern hervorgegangenen) Universitäten, in denen geschrieben und mittels Abschreiben vervielfältigt wurde. Sofern [33]man überhaupt von Öffentlichkeit(en) sprechen konnte, waren dies sozial voneinander relativ abgegrenzte, differenzierte Kommunikationsräume wie (hier mit Bezugnahme auf Wilke 2000 und Faulstich 1996): Burg und Hof (als Herrschafts-, Macht- und Kulturzentren); Klöster und Universitäten (als Bildungszentren); die Kirche (die quer zu und teils über den anderen Zentren stand) (vgl. Wilke 2008, S. 11); die Städte (in denen sich Verwaltungs- und Handelszentren herausbildeten); Dörfer (die weitgehend agrarisch strukturiert waren, in denen es aber Handel gab) sowie Marktplätze (die dem Handel und der wirtschaftlichen Grundversorgung dienten). Agenten zur Herstellung von Öffentlichkeit waren kirchliche Lehrer, Prediger, ›Professoren‹, Bibliothekare und sog. Mundpublizisten, die Neuigkeiten von Ort zu Ort brachten: Fahrende, Dichter, (Bänkel-)Sänger, Spielleute. Durch Vervielfältigen (weitgehend) in den Schreibstuben der Klöster und Universitäten entstanden vorwiegend wissenschaftliche, historische und religiöse Texte (sowie auch Bilder). So gab es auch erste Drucke/Druckwerke (in Form von sog. Blockbüchern mit ganzseitigen Einblattdrucken), ehe gegen 1445 der Buchdruck mit beweglichen Lettern aufkam. Werner Faulstich (1996) sieht im Mittelalter den Übergang von den ›Menschmedien‹ (Sänger, Erzähler, Spiele, ritualisierte Feste etc.) zu den ›Schreibmedien‹ (Blatt, Brief, Buch, aber z. B. auch bemalte Fenster mit zeitbezogenen Darstellungen). Der Funktionsverlust der ›Menschmedien‹ (»primäre Oralität«) zeichnet sich, so Faulstich, gegen Ende des Mittelalters infolge des starken Bevölkerungswachstums, der Zunahme des Wissens sowie der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern ab (vgl. Faulstich 1996, S. 269–272).

      Mit der Erfindung des Buchdrucks durch Johann Gensfleisch zum Gutenberg gegen Mitte des 15. Jahrhunderts verlagerte sich das akademische Interesse von der Rhetorik auf die gedruckte Publizistik. Es waren vornehmlich Pädagogen, (Moral-)Theologen und Politiker, die mehr oder weniger wissenschaftlich über die Zeitungen des 17. Jahrhunderts reflektierten. Groth bezeichnet sie pauschal als Dogmatiker, da sie alle »von bestimmten Dogmen ausgingen, sei es dem absolutistisch-religiösen, sei es dem rationalistischen« (Groth 1948, S. 15). Zu erwähnen sind z. B. der Hofrat und Politiker Ahasver Fritsch sowie der lutherische Geistliche und Superintendent Johann Ludwig Hartmann. Beide richteten sich gegen den Missbrauch der Presse und gegen die Zeitungen als Laster der Zeit (vgl. Groth 1948, S. 17). Diesen kulturpessimistischen Haltungen stehen jedoch auch andere Stimmen gegenüber wie jene Christian Weises oder Daniel Hartnacks. Der Philosoph und Pädagoge Weise, ein Vorreiter der Aufklärung, tritt für die Zeitung ein und will sie zur Ausbildung verwerten (vgl. Groth 1948, S. 17). Der Pädagoge und Pfarrer Hartnack hob u. a. den Nutzen der Zeitungslektüre hervor (vgl. Groth 1948, S. 18). Nicht zu übersehen ist der Literat, Sprachwissenschaftler und Lexikograf Kaspar von Stieler, der für den Übergang von den Zeitungsdogmatikern zu den Aufklärern steht. Aus seiner 1695 verfassten Gelegenheitsschrift »Zeitungs Lust und Nutz« geht, wie der Titel bereits sagt, eine positive Sichtweise des Mediums Zeitung hervor (Stieler 1695; Meyen/Löblich 2006, S. 73ff).

      Auf die moralisierenden Zeitungsdogmatiker des Barock »folgten die analysierenden Zeitungstheoretiker der Aufklärung« (Kieslich 1972, S. 70). Die Staatskunde wendete sich als »Statistik« dem Zeitungswesen zu; und auf vielen Ebenen der gehobenen Gesellschaft wurden sog. Zeitungskollegien eingerichtet (vgl. Groth 1948, S. 33). Diese Kollegien sollten die Studierenden anleiten, »die damaligen Zeitungen mit Gewinn zu lesen, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden und aus den mitgeteilten Informationen auf eventuell verschwiegene Hintergründe zu schließen« (Koerber/Stöber 1994, S. 95). Es entstand eine Zeitungs- und Zeitschriftenkunde, zu deren prominentesten [34]Lehrern Jacob Marperger, Christian Thomasius, Johann Georg Hamann, Johann Peter von Ludewig sowie der Begründer der modernen Staatswissenschaft, August Ludwig Schlözer, zählten (vgl. Groth 1948, S. 35ff). Zu den Aufklärern des ausgehenden 18. Jahrhunderts und gleichzeitig zu den ersten »Opinionisten« gehörte auch der Diplomat Joachim von Schwarzkopf (vgl. Schwarzkopf 1795). Er versuchte, »die Entwicklungsbedingungen des Zeitungswesens historisch zu klären, die Zeitungen typologisch zu ordnen, Wirkungsmechanismen zu demonstrieren und Kriterien für eine vernünftige Zeitungs- und Journalismuspolitik zu entwickeln« (Wagner 1997, S. 84). Schwarzkopf schuf laut Koszyk/Pruys »die Grundlage der Zeitungskunde, wie sie dann in Deutschland bis ins 20. Jahrhundert betrieben wurde« (Koszyk/Pruys 1976, S. 9).

      Für das 19. Jahrhundert ist auf mehrere Entwicklungsstadien der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Presse zu verweisen: auf die Zeit des Vormärz und die in ihr wirkenden Opinionisten; auf den Historismus und die aus ihm hervorgegangenen Pressehistoriografen; sowie schließlich auf nationalökonomische und soziologische Betrachtungen des Pressewesens als Folge des Aufkommens der Massenpresse.

      Mit der Wiedereinführung der 1806 aufgehobenen Zensur als Folge der Karlsbader Beschlüsse von 1819 geriet die Presse in der Zeit des Vormärz unter den Druck politischer Strömungen. Den liberalen und demokratisch gesinnten Opinionisten, die die Presse »als Organ und Spiegel der öffentlichen Meinung» sahen, standen absolutistisch gesinnte Antipoden gegenüber; für sie war die Presse ein »Werk ›subjektiver‹ und ›individueller‹ Geister zur Lenkung oder gar Manipulation der öffentlichen Meinung« (Wagner 1997, S. 84). So forderte der liberale Staatsrechtslehrer und Politiker Carl Theodor Welcker 1830 in einer Petition an die Bundesversammlung die »vollkommene und ganze Preßfreiheit« (Welcker 1830). Auf der anderen Seite stand, gleichsam als »Repräsentant des untergehenden Absolutismus« (Wagner 1997, S. 84), der protestantische Theologe Franz Adam Löffler. Er verfasste 1837 sein umfassendes Werk »Über die Gesetzgebung der Presse. Ein Versuch zur Lösung ihrer Aufgabe auf wissenschaftlichem Wege« (Löffler 1837). Es ist dies ein weitangelegtes System der Presswissenschaft, das u. a. die Wissenschaft des Pressbegriffs, eine Philosophie des Pressrechts und eine Geschichte der Druckerpresse umfasste. Löffler befasste sich auch mit der Bedeutung der Presse für die Entstehung der öffentlichen Meinung, deren soziologische Funktion er erkannte und die durch ihn zum Gegenstand der pressewissenschaftlichen Theorie wurde. Damit war der »entscheidende Schritt vom Medium

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