Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer

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Publizistik- und Kommunikationswissenschaft - Heinz Pürer

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bezeichnet Löffler als den »Begründer« bzw. »Bahnbrecher« der Publizistikwissenschaft (Groth 1948, S. 125).

      Ein scharfer Kritiker der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Massenpresse ist schließlich in dem Historiker, Publizisten und Politiker Heinrich Wuttke zu sehen. Sein Werk »Die deutschen Zeitschriften und die Entstehung der öffentlichen Meinung« (Wuttke 1866) stellt eine »scharfe Absage an das Bismarcksche System der Korrumpierung der Presse durch das Anzeigenwesen« dar (Koszyk/Pruys 1976, S. 10; vgl. auch Groth 1948, S. 209–244).

      Eine wichtige Strömung ist des Weiteren in dem im 19. Jahrhundert aufkommenden Historismus zu sehen. Man versteht darunter die Betrachtung gesellschaftlicher Phänomene unter dem Aspekt [35]ihrer historischen Genese. Zu den prominenten Pressehistoriografen gehören Robert E. Prutz und Ludwig Salomon. Prutz veröffentlichte 1845 die erste »Geschichte des deutschen Journalismus«, eine groß angelegte Gesamtgeschichte des deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenwesens bis in die Zeit des Vormärz (Prutz 1845). Von Salomon stammt eine zwischen 1900 und 1906 in drei Bänden veröffentlichte »Geschichte des Deutschen Zeitungswesens« (Salomon 1906); sie galt lange Zeit als Standardwerk, ist inzwischen aber längst überholt.

      Die 1848 erfolgte Aufhebung der Zensur hatte eine rasche Ausdifferenzierung des Pressewesens sowie eine rapide Vermehrung des Anzeigenaufkommens (v. a. in der sog. Generalanzeigerpresse) zur Folge. Die wirtschaftliche Bedeutung der Zeitungen wurde zunehmend evident. So verwundert es nicht, dass sich Nationalökonomen und frühe Soziologen des Presse- und Nachrichtenwesens annehmen. Von Karl Knies, dem Begründer der modernen Nationalökonomie, stammt zweierlei: eine auf der Ausdifferenzierung des Nachrichtenwesens aufbauende Informationstheorie; sowie eine Theorie der Geschäftsanzeige in ihrer volkswirtschaftlichen Funktion, nämlich die Steuerung von Angebot und Nachfrage durch das Anzeigenwesen (vgl. Knies 1857; Meyen/Löblich 2006, S. 89ff). Der Soziologe Albert E. Schäffle verweist in seinem Hauptwerk »Bau und Leben des socialen Körpers« (Schäffle 1875; vgl. auch Schäffle 1873) auf die eminente Bedeutung der Pressfreiheit für das Funktionieren der Gesellschaft und sieht in der öffentlichen Meinung die »Reaktion des Publikums«, getragen von »Wertbestimmungen«. Gleichzeitig manifestiert sich für ihn in der Tagespresse ein »Erzeugnis der bürgerlichen, kapitalistischen Epoche« und er verurteilt »Preßkorruption« und »Preßmißbrauch« (Groth 1948, S. 255–282; siehe auch Meyen/Löblich 2006, S. 109ff).

      Der Nationalökonom und Begründer der Zeitungskunde, Karl Bücher, war sowohl Zeitungsstatistiker wie auch Zeitungshistoriker. Von ihm stammt eine Fülle zeitungskundlicher und zeitungswirtschaftlicher Veröffentlichungen (vgl. Bücher 1926; Groth 1948, S. 354f). Die Bedeutung der Zeitung sieht er in ihrer Leistung als Vermittler »zwischen dem Volk und seinen führenden Geistern«, als »Stützorgan der Volkswirtschaft« sowie als »Organ der öffentlichen Meinung«. Der kulturelle Nutzen der Tagespresse ist für ihn unbestritten, ihren Schaden sieht er in ihrer Eigenschaft als »kapitalistische Unternehmung«. Insgesamt betrachtete Bücher die Geschichte des Zeitungswesens als einen Teil der Kulturgeschichte (vgl. Groth 1948, S. 282–296). Zu den Soziologen, die sich der Presse widmeten, gehört auch Max Weber. Er selbst hat zwar kein Werk über die Presse geschrieben; von ihm stammt allerdings ein 1910 erarbeiteter Grundriss zu einer »Soziologie des Zeitungswesens« (Weber 1911, S. 39–62; vgl. Kutsch 1988a, S. 5–31; Meyen/Löblich 2006, S. 145ff), der nie realisiert wurde, sondern einem Professorenstreit zum Opfer fiel (vgl. Obst 1986, S. 45–62). Eine angemessene Würdigung dieses Grundrisses stammt von Siegfried Weischenberg (2012).

      Speziell dem Nachrichtenwesen widmete sich Wolfgang Riepl in seinem 1913 publizierten Buch »Das Nachrichtenwesen des Altertums« (Riepl 1913). Riepl erarbeitete allgemeine Prinzipien und Gesetze des Nachrichtenverkehrs; von ihm stammt das Gesetz, wonach neu aufkommende Medien die alten nie gänzlich verdrängt, sondern diese gezwungen haben, »andere Aufgaben und Verwertungsgebiete aufzusuchen« (Riepl 1913, S. 5). Riepl erkannte, wie wir heute sagen würden, den Zusammenhang von Kommunikation und gesellschaftlichem Wandel (vgl. Lerg 1977, S. 9–24; und 1986, S. 134).

      Als Zwischenfazit der Fachgeschichte lässt sich festhalten: Das Erkenntnisinteresse an publizistischen Phänomenen, vorwiegend an der Presse, ist bis zum 20. Jahrhundert »eng verbunden mit den kulturellen und politischen Energien der jeweiligen Zeiten« und es »kumuliert in den Namen nicht weniger weltaufgeschlossener, universaler Gelehrter«; jedoch »führten diese […] von einem persönlichen Engagement durchpulsten Untersuchungen […] nicht dazu, eine selbständige Zeitungs- bzw. Publizistikwissenschaft an den deutschen Universitäten durchzusetzen« (Kieslich 1972, S. 71f). Man [36]muss aber einräumen, dass insbesondere in Löffler, Schäffle und Bücher Wegbereiter für die Etablierung der wissenschaftlichen Zeitungskunde zu sehen sind.

      Lehraufträge und Seminare für Zeitungskunde gab es an Universitäten und Hochschulen des deutschen Sprachraumes bereits vor der und um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Sie gingen im Wesentlichen auf persönliche Initiativen von Hochschullehrern verschiedener Fachgebiete zurück (vgl. Wagner 1997, S. 133). Auch sind bereits vor der Jahrhundertwende Promotionen über zeitungskundliche bzw. zeitungswissenschaftliche Themen aus verschiedenen Fachgebieten wie Jurisprudenz, Nationalökonomie, Geschichte etc. bekannt (vgl. Jaeger 1926, S. 17ff). Der in Deutschland früheste Versuch, das Fach zu institutionalisieren, geht auf ein »Journalistisches Seminar« an der Universität Heidelberg zurück. Es wurde 1897 von Adolf Koch eingerichtet und bestand bis 1912 (vgl. Jaeger 1926, S. 12; Obst 1986, S. 45ff).

      Die endgültige Etablierung der Zeitungskunde ist Karl Bücher (vgl. u. a. Bücher 1926) zu verdanken. Er hielt bereits ab 1884 Vorlesungen über das Pressewesen, zunächst in Basel (Schweiz), ab 1892 in Leipzig. Weitere zeitungskundliche Kollegs, Vorlesungen und Seminare von Dozenten unterschiedlicher Herkunft folgten in Heidelberg, Greifswald, Danzig, Darmstadt, Berlin, Köln und München. Die wissenschaftliche Zeitungskunde begann allmählich Fuß zu fassen. Die Etablierung der Zeitungskunde erhielt des Weiteren wichtige Impulse 1) durch den von Max Weber erarbeiteten und vom Deutschen Soziologentag verabschiedeten Plan »Zu einer Soziologie des Zeitungswesens« (vgl. Meyen/Löblich 2006, S. 145ff; vgl. Weischenberg 2012); 2) durch eine Ausbildungsresolution des Reichsverbandes der Deutschen Presse, die vorsah, dass die Vorbildung von Journalisten durch die Zeitungskunde zu pflegen sei und dass bei der Errichtung von Lehrstühlen für Zeitungskunde Medienpraktiker berücksichtigt werden sollen; 3) durch engagierte Verleger, die ebenfalls Interesse an einer praxisnahen, zeitungskundlichen Vorbildung für Journalisten hatten; nicht zuletzt aber 4) auch durch den Ersten Weltkrieg mit seiner auf die Zeitungen durchschlagenden Propagandamaschinerie. Es wuchs die Erkenntnis, dass es an der Zeit war, sich der Zeitungen und des Journalismus konsequent anzunehmen und für einen »systemreformierenden Journalismus« zu sorgen (Kutsch 1996, S. 8).

      Karl Bücher verfolgte genau dieses Ziel. Er verfügte aus seiner früheren Tätigkeit bei der Frankfurter Zeitung über Praxiserfahrung und nutzte als Wissenschaftler die Presse als Quelle für seine Forschungen. 1915 warf er der deutschen Presse vor, sie habe sich den Anforderungen des (Ersten Welt-) Krieges nicht gewachsen gezeigt und verfüge über ein beschämend geringes Bewusstsein von ihrer Pflicht zum Dienst an der Wahrheit. Bücher gründete 1916 in Leipzig unter Mitwirkung des Verlegers Edgar Herfurth (»Leipziger Neueste Nachrichten«) das Institut für Zeitungskunde – die erste Einrichtung dieser Art an einer deutschen Universität. Der Nationalökonom Bücher »trat von seiner Professur für Nationalökonomie zurück und widmete sich hinfort der Zeitungskunde« (Jaeger 1926, S. 14). Sein Nachfolger in Leipzig wurde 1926 der Wiener Korrespondent des liberalen Berliner Tagblattes, Erich Everth – der erste ordentliche Professor (Ordinarius) für Zeitungskunde. »Sein Ziel war es […], die Zeitungskunde als eigenständige Disziplin theoretisch zu begründen«, und zwar »als Typ einer modernen Integrationswissenschaft, die eine sozialwissenschaftliche Beziehungs- und Formenlehre umfasste« (Kutsch/Averbeck o.J.; vgl. Lacasa 2008, 2009). Nach der Leipziger Initiative kam es in relativ rascher Folge zu weiteren Institutsgründungen. Bis 1935 entstanden zehn weitere Institute für Zeitungskunde, Zeitungswissenschaft, Zeitungsforschung (oder

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