Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer
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• Über den taktilen Kanal nehmen wir Körperberührungen wahr. Dazu zählt etwa der Händedruck bei Begrüßungen, Verabschiedungen, Beglückwünschungen, Vertragsvereinbarungen etc. ebenso wie v. a. Körperberührungen in der Intimkommunikation (z. B. zwischen Eltern und Kind oder zwischen zwei Liebenden).
• Eng verbunden mit dem taktilen ist der thermale Kanal, über den wir, z. B. beim Händedruck bei einer Begrüßung oder beim Streicheln in der Intimkommunikation, zugleich auch die Körperwärme unseres Kommunikationspartners wahrnehmen.
• Der olfaktorische Kanal vermittelt uns Gerüche, die von Kommunikationspartnern ausgehen können und die für das Gelingen oder Misslingen von Kommunikation von Bedeutung sein können (wie etwa der angenehme oder unangenehme Duft von Parfüm, ebenso Transpirations-, Mundoder anderer Körpergeruch).
• Schließlich ist auf den gustatorischen Kanal zu verweisen, der, wie etwa beim Kuss, Geschmacksempfindungen vermittelt. Solche Geschmacksempfindungen können aber auch z. B. von einem guten Essen ausgehen, das einer Kommunikation zuträglich (oder, wenn das Gegenteil der Fall ist, abträglich) sein kann.
Die Menschen benutzen ihre Kommunikationskanäle nicht isoliert. Zwischenmenschliche Kommunikation bedient sich zumeist »gleichzeitig mehrerer dieser Kanäle« (Bentele/Beck 1994, S. 40); und »je mehr Kanäle in der Kommunikation jeweils zusammenwirken, desto höher ist der Grad der Präzision und der Reflexivität der Kommunikation« (Schreiber 1990, S. 132). Als besonderes Beispiel für Mehrkanalität nennt Erhard Schreiber den Kuss, »bei dem im […] optimalen Fall der taktile (Berührung), gustatorische (Geschmacksempfindungen), olfaktorische (Riechen von Körpergeruch), thermale (Wärmeempfindungen), optische (sektoraler Gesichtsausdruck) und der akustische (›typische‹ Kussgeräusche) Kanal beteiligt sind« (ebd.).
Für Bergler/Six (1979, S. 35) ist Kommunikation »immer die integrierte Einheit verbaler und nonverbaler Kommunikation«. In diesem Kontext verweisen sie auf unterschiedliche Vermittlungsleistungen verbaler und nonverbaler Kommunikation. So vermittelt verbale Kommunikation in erster Linie Tatsachen, Meinungen, Probleme, Sachverhalte. Sie wird nicht ausschließlich, aber primär kognitiv erfasst. Die nonverbale Kommunikation stellt oftmals erst die eigentliche emotionale Beziehung zum Angesprochenen her. Sie wird stark gefühlsbezogen wahrgenommen. Von nonverbaler Kommunikation gehen folglich wichtige Leistungen aus (Bergler/Six 1979, S. 33; vgl. auch Kunczik/Zipfel 2005, S. 37f; Schmidt/Zurstiege 2007, S. 35).
»Nonverbale Kommunikation
• reguliert unmittelbar soziale Kontakte: Weckt Sympathie (und damit erhöhte Kontaktbereitschaft) oder Antipathie [und damit Verringerung der Kontaktbereitschaft – Ergänzung H. P.];
• bereitet den Zuhörer auf kommende verbale Information vor;
• hält das Interesse des Zuhörers wach: Weckt Aufmerksamkeit und Bereitschaft zur weiteren Informationsaufnahme und Kommunikation;
• ist die glaubwürdigere Information im Falle auftretender Diskrepanzen zwischen verbaler und nonverbaler Information;
• unterstützt die verbale Kommunikation;
• ersetzt und ergänzt verbale Kommunikation« (Bergler/Six 1979, S. 33).
Zwischenmenschliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht bedient sich in aller Regel stets mehrerer Kommunikationskanäle. »Nicht isolierte, abstrakte Worte und Sätze werden wirksam, [71]sondern die verbalen Elemente werden immer von bestimmten Menschen, mit einem charakteristischen Äußeren, einem spezifischen Attraktivitätswert, in einer spezifischen stimmlichen Artikulation, Stimmlage, mit einer spezifischen Mimik, Gestik etc. vorgetragen. […]. Diesem nonverbalen Verhalten […] kommt im Sinne von sozialen Techniken zentrale Bedeutung für die psychologische Wirksamkeit der eigentlichen Sachinformation zu« (Bergler/Six 1979, S. 35).
Im Unterschied zu Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ist technisch vermittelte Kommunikation (Telekommunikation, Massenkommunikation, computervermittelte Kommunikation) von der Zahl der benutzten Kanäle bzw. Sinne betrachtet eingeschränkte Kommunikation. So wird beim Lesen der visuelle Kanal beansprucht; beim Radiohören der auditive; beim Fernsehen, beim Kinofilm sowie teilweise auch in der computervermittelten Kommunikation visueller und auditiver zugleich. In Telekommunikation, Massenkommunikation und computervermittelter Kommunikation gibt es aber keine Berührungen, keine Wärme- oder Geschmacksempfindungen sowie keine Gerüche. Auszunehmen sind allenfalls die Druckmedien: Sie verschaffen ihren Nutzern oftmals auch ein haptisches Erlebnis (und möglicherweise regt neben dem Inhalt auch der vertraute Geruch der Druckfarbe einer Zeitung, einer Zeitschrift oder eines Buches zum Weiterlesen an).
3.1.7 Exkurs: Man kann nicht nicht kommunizieren
Von den amerikanischen Kommunikationsforschern Paul Watzlawick, Janet Beavon und Don Jackson stammt u. a. das metakommunikative Axiom, wonach man nicht nicht kommunizieren kann. Es handelt sich dabei um einen nicht beweisbaren Grundsatz von Kommunikation. Begründet wird er von seinen Urhebern wie folgt (vgl. Watzlawick et al. 1990, S. 53ff):
Voraussetzung, um von Kommunikation sprechen zu können, sind zwei Systeme: jenes der Informationsabgabe und jenes der Informationsaufnahme. Bei der Informationsabgabe kann wieder zwischen zwei Haupttypen unterschieden werden, nämlich zwischen beabsichtigter (intentionaler) und nicht beabsichtigter (nichtintentionaler). Allein dadurch aber – und nun ist die nicht beabsichtigte Informationsabgabe angesprochen –, dass ein Mensch existiert, sich kleidet, sich im Raum oder in der Zeit bewegt etc., können von anderen Menschen Informationen über die Gestalt, das Aussehen, die Bewegungen, die Zugehörigkeit (z. B. zu einer sozialen Gruppe), den Gemütszustand etc. entnommen werden, ohne dass die Person beabsichtigt, solche Information gezielt über sich abzugeben. Dazu ein Beispiel: Ich fahre in der U-Bahn und nehme bewusst eine sitzende Person mit eingegipstem Bein wahr, die in einem Buch liest und lächelt. Das eingegipste Bein vermittelt bzw. zeigt (scheinbar) eine Verletzung an, das Lächeln (scheinbar) eine freudige Emotion.
Bentele/Beck weisen darauf hin, dass dieses Axiom eine bedeutsame Unterscheidung verwischt, »nämlich die zwischen Verhalten und Kommunikation. Tatsächlich kann jedem beobachteten Verhalten von einem wahrnehmenden Subjekt (oder einem anderen informationsaufnehmenden System) eine Bedeutung beigemessen werden, doch unterscheidet sich dieser Vorgang wesentlich von dem einer bewussten Verständigung« (Bentele/Beck 1994, S. 20; vgl. Kunczik/Zipfel 2005, S. 30; Stöber 2008, S. 22; vgl. dazu auch Rau 2013, S. 158ff, insbesondere S. 163ff). Ungeachtet dessen besteht Kommunikation »meist zugleich aus absichtlicher Mitteilung und nichtabsichtlicher Informationsabgabe: Wir teilen nicht nur eine bestimmte Aussage mit, sondern bieten durch unser Kommunikationsverhalten unserem Kommunikationspartner eine Fülle weiterer Informationen, aus denen er Schlüsse ziehen kann« (Bentele/Beck 1994, S. 20; vgl. auch Kunczik/Zipfel 2005, S. 30; Stöber 2008, S. 22f). Folgerichtig nehmen Beth/Pross (1976, S. 71ff) die Unterscheidung von intendierter (also beabsichtigter und zielgerichteter) Kommunikation und von anzeigender (oder indizierender) [72]Kommunikation vor. Gegenstand der Kommunikationswissenschaft ist »nicht das gesamte Verhalten«, sondern primär »der Mitteilungsaspekt« (Bentele/Beck 1994, S. 20).
3.1.8 Sprache und Kommunikation
In den Sozialwissenschaften besteht Einigung darüber, »als Sprache nur die Verständigung mithilfe von Symbolen zu bezeichnen« (Maletzke 1998, S. 44). Die Sprache »ist das für den Menschen allein typische und bei weitem am höchsten entwickelte Kommunikationsmittel« (Griese 1976, S. 28). Sie entsteht »durch Laute, die sich nach bestimmten Regeln zu