Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer
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Von der Sprachwissenschaftlerin Hadumod Bußmann stammt der Versuch, Sprache nicht nur aus linguistischer Sicht, sondern als gesellschaftliches Phänomen kompakt zu beschreiben. Sie definiert Sprache als ein »auf kognitiven Prozessen basierendes, gesellschaftlich bedingtes, historischer Entwicklung unterworfenes Mittel zum Ausdruck bzw. Austausch von Gedanken, Vorstellungen, Erkenntnissen und Informationen sowie zur Fixierung von Erfahrung und Wissen« (Bußmann 1990, S. 699). Auf den »kognitiven Charakter« von Sprache (verbaler Kanal) wurde bereits hingewiesen. »Gesellschaftlich bedingt« heißt, dass Sprache in ihrer Ausprägung und Anwendung auf gesellschaftlichen Konventionen (Übereinkünften) beruht. Die im deutschen Sprachraum 1996 durchgeführte (und 2006 nochmals modifizierte) Rechtschreibreform, die de facto auf geänderten gesellschaftlichen Konventionen der Anwendung von Sprache bzw. sprachlichen Zeichen aufbaut, ist ein gutes Beispiel dafür. Im Zusammenhang damit steht der Gedanke, dass Sprache ein historischer Entwicklung unterworfenes Ausdrucksmittel darstellt. Sprache verändert sich im Laufe der Zeit, entlehnt aus anderen Sprachen Begriffe, kreiert (nicht zuletzt durch die Übernahme fachsprachlicher Begriffe in die Umgangssprache) Wortneuschöpfungen und streicht mitunter auch veraltete Ausdrucksformen aus ihrem Begriffsrepertoire.
Schrift schließlich stellt die optische Fixierung sprachlicher Laute zu einem Zeichensystem dar und gilt als eine der genialsten Erfindungen des Menschen. Sie »schuf die Möglichkeit, Kommunikationsinhalte zu speichern und in dieser Form auch persönlich Abwesenden und persönlich Unbekannten mitzuteilen« (Hunziker 1988, S. 5), und sie ermöglicht weit besser als mündliche Überlieferung die Speicherung von »Erfahrung und Wissen« und damit auch die soziokulturell so bedeutsame Fixierung von Kulturtradition. Das Grundinventar des (alphanumerischen) Zeichensystems der deutschen Sprache besteht bekanntlich aus 26 (Grund-)Buchstaben (A bis Z) und zehn Ziffern (0 bis 9).
Merten verweist im Hinblick auf das Kriterium der Reflexivität von Kommunikation auf die sachlichen, zeitlichen und sozialen Leistungen bzw. Dimensionen von Schrift. So erlaubt Schrift in der sachlichen Dimension »gegenüber mündlicher Weiter- und Wiedergabe eine immens gesteigerte Wiedergabe des Inhalts, entlastet also von subjektiver Verfälschung und konvergiert damit den Interpretationsspielraum« (Merten 1977, S. 140). In der zeitlichen Dimension »erlaubt Schrift die Akkumulation großer Erfahrungsbestände und deren Nutzbarmachung für alles zukünftige Handeln« (ebd.). In sozialer Hinsicht »erlaubt Schrift die Heranführung beliebig vieler und zueinander indifferenter Personen an die fixierbaren Selektionsleistungen, insbesondere die Bindung an die Kenntnis und die Befolgung aufgeschriebener Normen« (ebd.). Merten verweist allerdings auch darauf, [73]dass »Schrift […] nicht nur exakte Reproduktion [zulässt], sondern gerade auch wirkungssichere Fälschung« (ebd.).
Sprache dient in erster Linie der zwischenmenschlichen Verständigung. Dazu ist es erforderlich, dass von den Kommunikationspartnern die gleichen sprachlichen Zeichen benutzt und identisch interpretiert werden. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, 1) unter Bezugnahme auf die Semiotik auf die Dimensionen sprachlicher Zeichen zu verweisen; 2) aus psycholinguistischer Sicht kurz die Funktionen von Sprache zu erörtern; 3) den Inhalts- und Beziehungsaspekt von sprachlicher Kommunikation kurz anzusprechen sowie schließlich 4) auch noch kurz zu erörtern, worin Sprachbarrieren begründet sein können.
Die Semiotik, die Lehre von den sprachlichen Zeichen, unterscheidet die folgenden drei Dimensionen sprachlicher Zeichen (Morris 1938; Pelz 1975; Kunczik/Zipfel 2005, S. 33; Stöber 2008, S. 34; Beck 2010, S. 44): die semantische, die syntaktische und die pragmatische Dimension:
• Mit der semantischen Dimension ist die Beziehung zwischen den sprachlichen Zeichen und den Gegenständen, d. h. Personen, Sachverhalten, Dingen, Ereignissen etc. gemeint, »auf die sie verweisen, die sie ›be-zeichnen‹ sollen« (Burkart 1998, S. 76). Die Semantik als Zeichen- bzw. Wortbedeutungslehre befasst sich folglich mit der Bedeutung sprachlicher Zeichen und Zeichenfolgen (Wörter).
• Die syntaktische Dimension meint die Beziehung der Zeichen untereinander. Untersuchungsgegenstand der Syntaktik, der Lehre von den Sprachregeln, sind folglich »die grammatischen Regeln, nach denen sprachliche Zeichen miteinander verknüpft werden können« (ebd.). Sie manifestieren sich u. a. auch in den Satzkonstruktionen sowie im Satzbau.
• Die pragmatische Dimension »meint die Beziehung zwischen den Zeichen und ihren Benutzern« (ebd.). Die Pragmatik als ›Lehre von der Zeichenverwendung‹ […] fragt nach der Art und Weise des Gebrauchs sprachlicher Zeichen und Zeichenfolgen« (ebd.). Sie untersucht, was von einem Sprechenden in einer konkreten Kommunikationssituation mit sprachlichen Zeichen und Zeichenkombinationen »gemacht«, wozu sie »benützt« werden (konkrete Anwendung der Sprache durch einen Sprechenden).
Im Zusammenhang mit der pragmatischen Dimension der Sprache spielt das Lexikon des Sprachverwenders, seine Sprachkompetenz und seine Sprachperformanz eine wichtige Rolle. Mit Lexikon ist der Wortschatz einer Sprache gemeint, der sich durch neu hinzukommende Wörter, Begriffe und Wortzusammensetzungen ständig verändert. Die Unterscheidung zwischen Sprachkompetenz und Sprachperformanz geht auf Benjamin Lee Whorf zurück (Whorf 1963). Mit Sprachkompetenz ist die allgemeine Kenntnis gemeint, die ein Sprachbenutzer von einer Sprache hat. Mit Sprachperformanz bezeichnet man den tatsächlichen Gebrauch, den ein Sprachbenutzer auf Grund seiner Sprachkompetenz in einer bestimmten Sprechsituation von Sprache macht (d. h. die Fähigkeit, Sprache situationsgerecht anzuwenden). Der schweizerische Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure (1857–1913) schließlich nimmt die Unterscheidung von »langue« und »parole« vor. Langue meint Sprache als statisches System (z. B. das Deutsche, die englische Sprache, das Italienische), parole dagegen Sprechen in konkreten sprachlichen Äußerungen (vgl. Saussure 1931), also einen dynamischen Vorgang.
Von dem Psychologen Karl Bühler (1978) stammt die nachfolgende, bereits 1934 entwickelte Systematik der Sprach- bzw. Zeichenfunktionen. In Anlehnung an Plato verstand Bühler unter Sprache ein »Werkzeug« (griechisch: »organon«) des Kommunikationsprozesses. Dieses Werkzeug erfüllt für Bühler drei Funktionen, nämlich die Darstellungsfunktion, die Ausdrucksfunktion sowie die Appellfunktion (Bühler 1978, S. 28ff; vgl. auch Stöber 2008, S. 28ff):
[74]• Mit der Darstellungsfunktion ist die Möglichkeit gemeint, Dinge und Sachverhalte zu beschreiben. Sie ist objektorientiert; im Vordergrund stehen die sprachlich vermittelten Sachverhalte. Das sprachliche Zeichen ist »Symbol für Gegenstände oder Sachverhalte, für die es steht« (Graumann 1972, S. 1197).
• Die Ausdrucksfunktion verweist auf die Fähigkeit der Sprache, Gedanken und Empfindungen auszudrücken. Sprachliche Zeichen sind also »Symptom eines inneren Zustandes des Senders« (ebd.). Die Ausdrucksfunktion ist kommunikationsorientiert, sie vermittelt die emotionalen Färbungen des Sprechers.
• Die Appellfunktion meint die Möglichkeit, mittels Sprache das Verhalten des Kommunikationspartners beeinflussen zu können. Sie ist rezipientenorientiert. Das sprachliche Zeichen ist »Signal für einen Empfänger« (ebd.).
Jede dieser Funktionen kommt bei sprachlicher Kommunikation, insbesondere bei solcher von Angesicht zu Angesicht, zur Geltung. Freilich können in je unterschiedlichen Kommunikationssituationen und je nach physischer und psychischer Verfassung des jeweils Sprechenden einzelne Funktionen überwiegen bzw. etwas stärker zum Ausdruck kommen:
1) | Unter Bezugnahme auf Watzlawick sei darauf hingewiesen, dass sprachliche Kommunikation einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt aufweist. Im Inhaltsaspekt manifestiert sich das, was eine Mitteilung enthält. Im Beziehungsaspekt sollte zum Tragen kommen, wie der Sender seine
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