Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer

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Publizistik- und Kommunikationswissenschaft - Heinz Pürer

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und Zeitschriften wird durch Leserbriefe oder E-Mails nicht tangiert. Rückkopplungen von Lesern, Hörern oder Zusehern verharren eben meist auf einem Niveau, welches spätestens dann seine Grenzen erfährt, »wenn die Struktur des Mediums berührt wird« (ebd.). Wechselseitigkeit und Rollentausch, wie sie in der Face-to-face-Kommunikation zwischen den Kommunikationspartnern hauptsächlich vorliegen, stellen in massenkommunikativen Prozessen eher die Ausnahme dar.

      Klassische Massenkommunikation ist daher in erster Linie Übertragung, nur ganz selten Austausch von Mitteilungen; der Kommunikationsprozess ist weitestgehend einseitig und damit asymmetrisch. Ausnahmen sind allenfalls dann gegeben, wenn Beiträge, die z. B. auf Onlineauftritten von Zeitungen durch User oft angeklickt (und damit meist auch gelesen) werden, auch in Printmedien abgedruckt werden. Doch selbst in solchen Fällen reagiert das klassische Medium Tageszeitung produktionsbedingt mit Verzögerung. Dies gilt auch für Radio- und TV-Sendungen mit Einbindung der Nutzer.

      Für klassische Erscheinungen der Massenkommunikation ist ferner kennzeichnend, »dass sich die an einem solchen Kommunikationsvorgang beteiligten Kollektive hinsichtlich Zusammensetzung, innerem Aufbau und Tätigkeitsweise wesentlich voneinander unterscheiden« (Hunziker 1988, S. 6).

      So sind die in der Massenkommunikation tätigen Kommunikatoren (Sender) zumeist in komplex aufgebauten Organisationen tätig, die die Produktion von Massenkommunikationsinhalten bewerkstelligen. Die Kommunikatoren (z. B. Journalisten) sind Personen, »die arbeitsteilig sowie unter Einsatz vielfältiger technischer Hilfsmittel und fachlicher Kompetenzen routinemäßig Kommunikationsinhalte hervorbringen« (ebd.). Massenkommunikation bedient sich aufseiten der Sender einer hoch entwickelten Technologie, um in Printmedien wie auch in Funkmedien sowohl die Produktion als auch die Verbreitung der Inhalte zu ermöglichen.

      Das Publikum, die Rezipienten der klassischen Massenkommunikation »weisen demgegenüber einen […] niedrigen Organisationsgrad auf. Als Mitglieder eines Publikums sind sie zwar gemeinsam der Massenkommunikation ausgesetzt; die Rezeption besorgt aber typischerweise doch jeder für sich, ohne dabei auf breiter Basis mit den Mitrezipienten in Kontakt zu treten« (ebd.). Solche Kontakte finden jedoch oft beim ›Public Viewing‹ statt, das eine modifizierte Form der Rezeption massenmedial verbreiteter Inhalte durch Präsenzpublika ist.

      Verständlicherweise resultiert aus dieser Asymmetrie im Organisationsgrad und in der Sachkompetenz ein Machtgefälle zwischen Sendern und Empfängern, zumal die Sender den Kommunikationsprozess aktiv gestalten und die Empfänger mehr oder weniger passiv darauf reagieren (wiewohl Mediennutzung durch die Leser, Hörer und Zuseher sehr wohl als ein aktiver Vorgang zu bezeichnen ist). »Dieses Machtgefälle findet seinen Ausdruck darin, dass der Prozess der Massenkommunikation praktisch einseitig verläuft und dass ein Rollentausch zwischen Kommunikatoren und Rezipienten auch bei vorhandenen übertragungstechnischen Möglichkeiten (Zweiwegekommunikation) kaum zu verwirklichen ist. Typisch für [klassische – Ergänzung H. P.] Massenkommunikation ist [82]außerdem, dass die Kommunikationspartner sich [in aller Regel – Ergänzung H. P.] nicht persönlich kennen« (Hunziker 1988, S. 7; Hervorhebung i. Orig.).

      Massenkommunikation ist ferner eine Form der indirekten Kommunikation. Dies resultiert nicht nur aus der Tatsache, dass Massenkommunikation auf technische Medien als Ver- und Übermittlungsinstanzen angewiesen ist. Hinzu kommt nämlich, dass zwischen Kommunikator und Rezipient eine räumliche Distanz (wie z. B. bei Livesendungen in Hörfunk und Fernsehen) sowie eine raumzeitliche Trennung (wie etwa beim Lesen einer Zeitung oder einer aufgezeichneten Fernsehsendung) besteht. Auch von einer Interaktion der Kommunikationspartner kann in der klassischen Massenkommunikation nicht die Rede sein. Sie erscheint allenfalls gegeben, wenn Leser einer gedruckten Zeitung via Telefonanruf oder E-Mail spontan auf einen Beitrag reagieren und ein unmittelbares Feedback vom Verfasser des Zeitungsbeitrages erhalten. Im Kontext von Massenkommunikation kann man noch den Aspekt parasozialer Interaktion ansprechen, wenn etwa ein TV-Zuschauer einen Moderator, Präsentator oder Kommentator einer Sendung auf Grund langjähriger Mediennutzung gut zu kennen meint und dieser ihm vertraut vorkommt (vgl. Merten 1977, S. 145).

      Von den im deutschen Sprachraum vorhandenen Definitionen über Massenkommunikation ist jene von Gerhard Maletzke am weitesten verbreitet und – trotz mancher Kritik (z. B. Bergler/Six 1979; Faulstich 1991; Wagner 1998) – auch allgemein anerkannt. Er bezeichnet Massenkommunikation als »jene Form der Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich, durch technische Verbreitungsmittel indirekt und einseitig an ein disperses Publikum vermittelt werden« (Maletzke 1963, S. 32; Pürer 1998, S. 149ff). Trotz der Einseitigkeit des Prozessverlaufes sieht Maletzke Massenkommunikation jedoch nicht als ausschließlich lineare Form der Kommunikation vom Kommunikator zum Rezipienten. Vielmehr macht sich der Rezipient auch ein Bild vom Kommunikator und es reagieren viele Rezipienten spontan, indem sie versuchen, »die Einseitigkeit der Massenkommunikation durch Antworten, Anfragen, Beschwerden, Vorschläge etc. zu überwinden« (Maletzke 1963, S. 41). So betrachtet ist Massenkommunikation ein rückgekoppelter Prozess.

      Zusammenfassend kann man auf folgende Merkmale verweisen, die für traditionelle Massenkommunikation kennzeichnend sind:

      • Massenkommunikation ist öffentlich. Im Unterschied zur privaten, zwischenmenschlichen Kommunikation ist der Kreis der Adressaten weder eine begrenzte noch eine bestimmte Anzahl von Personen. Jeder kann sich im Prinzip den Aussagen der Massenmedien zuwenden. Es besteht ein räumlicher, zeitlicher oder raum-zeitlicher Abstand zwischen den Kommunikationsteilnehmern.

      • Massenkommunikation läuft einseitig ab, weil der Fluss der Information – von den bereits erwähnten Ausnahmen abgesehen – weitestgehend nur in eine Richtung erfolgt. Der Adressat bleibt in aller Regel Empfänger, es findet de facto kein Rollenwechsel zwischen Aussagendem und Aufnehmendem statt, wie dies etwa in der zwischenmenschlichen Kommunikation von Angesicht zu Angesicht der Fall ist. Gleichwohl ist Massenkommunikation ein rückgekoppelter Prozess.

      • Massenkommunikation bedient sich immer technischer Medien, ist also stets vermittelt und übermittelt. Sender und Empfänger sind räumlich, zeitlich oder raum-zeitlich voneinander getrennt; damit ist klassische Massenkommunikation auch indirekt. Als klassische Medien fungieren nach wie vor Zeitung, Zeitschrift, Flugblatt, Plakat, Buch; Hörfunk und Fernsehen; Film sowie Schallplatte, Audiokassette, Videokassette, CD, DVD u. a. m.

      • In der Massenkommunikation werden als Aussagen bzw. Botschaften unzählig große Mengen von Mitteilungen informierender, kommentierender und unterhaltender Natur vermittelt. Diese Botschaften werden dem Publikum in äußerst vielfältigen formalen, dem jeweiligen Medium angepassten Präsentationsformen an- und dargeboten.

      • Die Adressaten der Massenkommunikation stellen ein disperses Publikum dar, d. h. eine vielschichtig inhomogene Vielzahl von Menschen, die in aller Regel untereinander keine engeren zwischenmenschlichen [83]Beziehungen unterhalten, unstrukturiert und unorganisiert sind und sich auch nicht kennen – es sei denn, die Zuwendung zu den Medieninhalten erfolgt z. B. gemeinsam im Familienverband, im Verwandten-, Freundes- oder Bekanntenkreis.

      Interpersonale Kommunikation und Massenkommunikation sind »historisch und aktuell miteinander verknüpft. Historisch gesehen kann Massenkommunikation als ein relativ junges Phänomen begriffen werden, das sich entwickelt hat, um bestimmte räumliche, zeitliche oder soziale Grenzen interpersonaler Kommunikation zu erweitern« (Bentele/Beck 1994, S. 34). Oftmals sind über die Massenmedien vermittelte Botschaften auch Gegenstand zwischenmenschlicher Kommunikation. Sie können also kommunikationsstiftenden Charakter für interpersonale Kommunikation haben. Allerdings ist in einer Zeit der zunehmenden Ausdifferenzierung des Medienwesens mit immer mehr Angeboten eine Tendenz zur Individualisierung der Mediennutzung verbunden. Daher wird es für den Einzelnen schwieriger, sich in persönlichen Gesprächen über genutzte

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