Wörterbuch der Soziologie. Группа авторов

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oder urkommunistischen Formen mit einer hohen Promiskuität (Engels Vermutungen zum Ursprung der Familie) hin zu eher patriarchischen Formen oder von der erweiterten Familie zur Kleinfamilie (Kontraktionsgesetz der Familie bei Durkheim) – dominiert in der modernen Familienforschung der Versuch, die genauen Bestimmungsgründe einzelner familialer Organisationsformen zu untersuchen und auf strukturelle Unterschiede zurückzuführen. So ist beispielsweise die Polygynie (ein Mann hat mehrere Frauen), aber auch die wesentlich seltener vorkommende Polyandrie (eine Frau hat mehrere Männer) das Ergebnis dauerhafter ökonomischer Ungleichheit und Knappheit und – wie nahezu alle genannten komplexeren Familienformen – meist nur in Gartenbau- und einfachen Ackerbaugesellschaften zu finden. In Europa und den Vereinigten Staaten wurde von der historischen Familienforschung mit Hilfe verschiedenster Verfahren – unter anderem der Ableitung von Biographien aus alten Kirchenbüchern – die familiale Lebenssituation in den einzelnen Epochen rekonstruiert (vgl. Gestrich et al. 2003; Ketzer/Barbagli 2001). Viele Vermutungen mussten aufgrund dieser Ergebnisse revidiert werden: so war die Familiengröße nie besonders hoch, unvollständige Familien waren bei den Bauern selten, kamen jedoch in unterbäuerlichen Schichten durchaus häufig vor, Stieffamilien waren aufgrund der hohen Sterblichkeit vor allem von Frauen und einem ökonomisch bedingten Rollenergänzungszwang keine Seltenheit, das Heiratsalter war in der Regel relativ hoch, und durch die Industrialisierung lassen sich vielerorts sogar stärkere und nicht schwächere familiale Beziehungen beobachten. Bei allen Problemen hinsichtlich der Datenlage lässt sich zudem vermuten, dass die Emotionalität zwischen den (Ehe-)Partnern, aber auch gegenüber Kindern keine Erfindung der Moderne ist. Familiale Verhaltensweisen waren immer eine Reaktion auf die äußeren Umstände, Emotionen waren ein Bestandteil des Handlungskalküls.

      Zur demographischen Entwicklung von Partnerschaften und Familie

      Während sich für die Zeit bis etwa zum Ende des 19. Jh.s mit Hilfe dieser geschichtswissenschaftlichen Verfahren nur lokal vereinzelt Aussagen über die Struktur familialen Lebens machen lassen, ist es im 20. Jh. mit Hilfe der amtlichen Statistik und verstärkt [121]seit Mitte der 1970er Jahre aufgrund der Ergebnisse der empirischen Sozialforschung möglich, die Entwicklungen genauer zu erfassen und zu untersuchen. Hierbei werden zuerst die einzelnen familiendemographischen Prozesse wie das Heiratsalter und die Zahl der Eheschließungen, die Zahl der Geburten und das Alter der Frau bei der ersten Geburt, die Zahl der Ehescheidungen oder die durchschnittliche Größe der einzelnen Haushalte genauer fokussiert. Auch wenn bei diesen Studien durchaus interessante Ergebnisse zu beobachten sind – das Heiratsalter sinkt bis Mitte der 1970er Jahre und hat seitdem einen historisch nie erreichten Höchststand erlangt, einen ähnlich u-förmigen Verlauf kann man hinsichtlich des Alters bei der Erstgeburt beobachten, die Zahl der Eheschließungen ist rückläufig, die Zahl der Ehescheidungen steigt seit 1880 nahezu linear an und die Zahl der in einem Haushalt lebenden Personen nimmt stetig ab – stellte sich rasch heraus, dass derartige Trendbeschreibungen nur sehr wenig Erkenntnisse hinsichtlich der Ursachen dieser Prozesse und vor allem auch nur ein geringes Potenzial zur Vorhersage der weiteren Entwicklung hervorbringen, zumal sich in einer regional und international vergleichenden Perspektive deutliche Unterschiede beobachten lassen. Mit der Einsicht in die Unmöglichkeit allgemeiner makrotheoretischer Trendaussagen ist auch ein Wechsel in der theoretischen Sichtweise der Familie verbunden.

      Theoretische Perspektiven der Familienforschung

      Wenn man von eher soziographischen Versuchen der Erfassung unterschiedlicher Lebensformen innerhalb einer funktionalistisch orientierten Sozialanthropologie und ihren mikrotheoretischen Fortsetzungen in einzelnen Milieustudien absieht, so dominieren heute vor allem theoretische Überlegungen aus dem Bereich der Handlungs- und Austauschtheorie, die zugleich eine Lebensverlaufsperspektive einnehmen (vgl. als Überblick Hill/Kopp 2006; White 2005). Besonders hervorzuheben sind dabei die Überlegungen der Familienökonomie bzw. der »new home economics« (Becker 1981), die die vielfältigsten Aspekte menschlichen Sozialverhaltens mit Hilfe eines gemeinsamen handlungstheoretisch fundierten Rahmens erklären. Die Bedeutung der verschiedenen theoretischen Ansätze lässt sich jedoch am besten anhand ihrer Erklärungsleistung hinsichtlich konkreter Beziehungs- und Familienprozesse beurteilen. Hierzu werden im Folgenden die wichtigsten Schritte in diesen Abläufen nacheinander betrachtet und einige empirische Befunde berichtet – ohne dabei jedoch auf die Details der theoretischen Argumente und empirischen Analysen eingehen zu können.

      Die Entstehung und Verfestigung von Partnerschaften und die Wahl der Lebensform

      Es erscheint unbestritten, dass der Wunsch nach einer romantischen Beziehung sicherlich zu den Universalien menschlichen Daseins gehört. Soziologisch interessant sind dann die Umstände der Partnerwahl sowie die ersten Entwicklungsschritte von Partnerschaften. Auch wenn sich innerhalb der Psychologie ab und an Versuche finden, die Entstehung einer konkreten Liebes- und Paarbeziehung zu erklären, so liegt das Augenmerk soziologischer Forschungen doch eher auf strukturellen Gemeinsamkeiten. Wenn allein die sicherlich bedeutsame ›romantische Liebe‹ die Entstehung von Partnerschaften bestimmen würde, wäre die in vielen Dimensionen beobachtbare Ähnlichkeit zwischen den Partnern nicht erklärbar. Sozialstrukturell homogene Partnerschaftsmärkte – hier ist nur an die Bildungsinstitutionen zu denken – und die Partnerwahl im engeren sozialen Umfeld bilden dabei wichtige Ergänzungen. Gerade in der ersten Phase der Partnerschaftsentwicklungen sind dabei vielfältige kleine Schritte der Institutionalisierung beobachtbar, die letztlich auch als Investitionen in die Beziehung verstanden werden können, die dann wiederum ihre Stabilität erhöhen (Kopp et al. 2010). Trotz aller Vermutungen finden sich kaum verlässliche Daten, die eine Aussage über das Alter bei Beginn der ersten Liebesbeziehung im Zeitvergleich erlauben. Erste Hinweise sprechen dafür, dass sich in den letzten Jahrzehnten keine dramatischen Veränderungen beobachten lassen. Analytisch sind mit der Paarbildung und dem entsprechenden gegenseitigen Commitment, der Gründung eines gemeinsamen Haushaltes, der Heirat und der Geburt eines Kindes verschiedene Dimensionen der Verfestigung von Partnerschaften zu unterscheiden. Während bis in die 1970er Jahre in der Bundesrepublik diese Prozesse relativ zeitnah stattgefunden haben, lassen sich heute vielfältige Unterschiede, vor allem aber klare zeitliche Muster ausmachen. Während [122]die Aufnahme sexueller Beziehungen und das Commitment zu dieser Beziehung relativ zeitnah und rasch stattfinden, erfolgt die Gründung eines gemeinsamen Haushaltes und damit einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit einer deutlichen zeitlichen Verzögerung. Ein wichtiger Erklärungsfaktor ist dabei sicherlich neben allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungstrends die durch die Bildungsexpansion bedingte späte und unsichere berufliche Platzierung beider Partner. Besonders hervorzuheben ist aber, dass diese Phase des nichtehelichen Zusammenlebens heute immer mehr zum Lebenslauf gehört und nicht immer durch eine Eheschließung beendet wird. Als Dimensionen dieser Entscheidung zwischen Partnerschaften mit getrennten oder gemeinsamen Haushalten werden die Möglichkeiten gemeinsamer Aktivitäten, die – berufs- oder ausbildungsbedingten – Opportunitäten, aber auch der Wunsch nach einer weiteren Verfestigung der Partnerschaft genannt. Ergänzend muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass derartige Fragestellungen eine biographische und lebensverlaufsorientierte Herangehensweise und vor allem entsprechende Daten nötig machen. Trotz vielerlei Fortschritte ist hier ein deutliches Forschungsdefizit zu konstatieren.

      Der Übergang zur Ehe

      Trotz der zunehmenden Verbreitung nichtehelicher Lebensgemeinschaften stellt die Ehe keine überholte Institution dar, sondern ist ein fester Bestandteil der Lebensplanung der meisten Menschen. Immer mehr wird die Eheschließung dabei mit der Familiengründung, also mit der Geburt eines ersten Kindes, verbunden. Neben normativen Aspekten und dem subjektiv vielleicht wichtigsten Motiv der Liebe spielen dabei auch Überlegungen eine Rolle, die sich auf die rechtliche Absicherung der durch die neue Lebenssituation entstandenen Unsicherheiten beziehen. Ehen stellen darüber hinaus den verfestigten institutionellen Rahmen, das ›nomoserzeugende Instrument‹, in dem Paare ihre jeweils eigene Lebenswelt bilden, dar (Berger/Kellner 1965). Immer noch wird zudem ein traditionelles Familienmodell durch sozialstaatliche Regelungen unterstützt. Trotz aller Angleichungsprozesse lassen sich hinsichtlich der verschiedenen partnerschaftlichen und familialen Prozesse deutliche

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