Wörterbuch der Soziologie. Группа авторов

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Objekte ihre Positionen durch auf sie einwirkende Kräfte erhalten. Bereits seit Galilei wird die Erde nicht mehr als das Zentrum des Universums verstanden, sondern erhält nach Newton eine relative Position innerhalb eines Systems von Planeten. Die Position wird damit durch die Gravitationskräfte der Planeten bestimmt. Übertragen auf den sozialwissenschaftlichen Bereich bedeutet dies, dass die soziale Position eines Menschen nicht auf das Individuum selbst zurückgeführt werden kann, sondern durch ein soziales bzw. gesellschaftliches Kraftfeld bestimmt wird.

      Der erste sozialwissenschaftliche Feldbegriff geht auf Kurt Lewin zurück, der ab den 1920er Jahren für seine Sozialpsychologie einen mikrosoziologischen Feldbegriff entwarf. Lewins Ziel bestand darin, mithilfe der Konzeption eines psychologischen Feldes das Verhalten von einzelnen Menschen zu erklären. Demzufolge sind Menschen von einem Kraftfeld umgeben, auf das ihr Verhalten zurückgeführt werden muss (Lewin 1982a: 159). Das den Menschen umgebende Feld besteht für Lewin aus zwei Teilen: der psychologischen Umwelt, also dem Lebensraum oder der sozialen Welt, und der psychologischen Innenperspektive der Person, also ihren inneren Motiven zu einem bestimmten Verhalten, das sich aus den Erfahrungen der Vergangenheit und den Erwartungen an die Zukunft ergibt (Lewin 1982d: 196 ff., 1982b: 375 ff.). Somit bilden die Person und ihre Umwelt zusammen die beiden Teile eines dynamischen psychologischen Feldes (Lewin 1982c: 294, 1982d: 207).

      Die Struktur dieses Feldes betrachtet Lewin als dynamisch, weil es aus einer Reihe von gerichteten Kräften besteht, den Vektoren (Lewin 1982e: 68, Vester 2002: 62). Das Verhalten einer Person ergibt sich aus allen zu einem bestimmten Zeitpunkt wirkenden Kräften des psychologischen Feldes. Lewin spricht dabei von einer Konstellation oder Topologie (Lohr 1963: 24 f.). Mit seiner Konzeption des psychologischen Feldes intendiert Lewin zwar vorrangig die Beschreibung der psychologischen Innenperspektive, jedoch denkt er dabei explizit auch das äußere soziale Umfeld einer Person mit (Lewin 1982a: 160, 1982d: 187 ff.).

      Unter anderem auf der Basis von Lewins Feldkonzeption entwickelte Pierre Bourdieu einen makrosoziologischen Feldbegriff (Bourdieu 1993, 1996). Die theoretische Grundkonzeption des Feldes entwickelte Bourdieu in Auseinandersetzung mit Max Webers Religionssoziologie (Weber 1972: 245–381, Bourdieu 1986: 156). Weber analysierte darin, dass der Prozess zur Produktion, Reproduktion und Verbreitung religiöser Güter von der sozioökonomischen Entwicklung der Gesellschaft relativ unabhängig verlief, weshalb er den Bereich der Religion als »relativ autonomes religiöses Feld« veranschaulichte (Bourdieu 2000: 53). Bourdieu analysierte im Rahmen seiner Feldtheorie eine Reihe von sozialen Bereichen als Felder. Neben dem religiösen Feld widmete [127]er dem wissenschaftlichen (Bourdieu 1988, 1998) dem künstlerischen (1999) und dem politischen Feld (2001) jeweils eigene Untersuchungen.

      Zudem übernahm auch Bourdieu für seine Feldkonzeption das physikalische Paradigma, also die Vorstellung des Feldes als Kräftefeld: Entsprechend der Feststellung in der Physik, »dass die Sterne nicht auf einem Gerüst hängen, sondern miteinander ein bewegtes Energiefeld bilden«, ist ein soziales Feld bei Bourdieu nicht einfach ein feststehendes, hierarchisch geordnetes »Klettergerüst« der sozialen Positionen, sondern ein Kräftefeld, das erst durch den Kampf der sozialen Akteur/innen untereinander zustande kommt (Vester 2002: 63). Soziale Felder erhalten ihre Struktur also erst durch konkurrierende Positionen von Akteur/innen (Bourdieu 1993: 107). Eine Position auf einem Feld ergibt sich dem zufolge in Relation bzw. Abgrenzung zu anderen Positionen. Damit ist ein Feld »ein Netz oder eine Konfiguration von objektiven Relationen zwischen Positionen« (Bourdieu 1996: 127). Soziale Felder sind folglich Arenen, in denen Konkurrent/innen um die Bewahrung und Veränderung der Struktur des jeweiligen Kräftefeldes kämpfen: »Das generierende und vereinheitlichende Prinzip dieses ›Systems‹ ist der Kampf selbst.« (Bourdieu 1999: 368). Zwar nehmen die Kämpfe auf den unterschiedlichen Feldern unterschiedliche Formen an, jedoch besteht die Grundstruktur immer in der feldinternen Auseinandersetzungen zwischen den auf dem Feld Etablierten, den Herrschenden, und den Anwärter/innen auf die Herrschaft (Bourdieu 1993: 107). Die etablierten Akteur/innen mit den höchsten Positionen neigen unter den gegebenen Kräfteverhältnissen zum Konservativismus, d. h. zu Erhaltungsstrategien, während die Akteur/innen mit niedrigen Positionen zu feldinternen Revolutionen und Umsturzstrategien tendieren (Schumacher 2011: 140).

      Literatur

      Bourdieu, Pierre, 1986: Der Kampf um die symbolische Ordnung. Pierre Bourdieu im Gespräch mit A. Honneth, H. Kocyba und B. Schwibs; in: Ästhetik und Kommunikation 62/16. – Ders., 1988: Homo academicus. Frankfurt a. M. – Ders., 1992: Rede und Antwort. Frankfurt a. M. – Ders., 1993: Über einige Eigenschaften von Feldern; in: ders. (Hg.): Soziologische Fragen, Frankfurt a. M., 107–114. – Ders., 1996: Die Logik der Felder; in: ders; Wacquant, Loïc J. D (Hg.): Reflexive Anthropologie, Frankfurt a. M., 124–147. – Ders., 1998: Vom Gebrauch der Wissenschaft. Für eine klinische Soziologie des wissenschaftlichen Feldes, Konstanz. – Ders., 1999: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Frankfurt a. M. – Ders., 2000: Das religiöse Feld. Texte zur Ökonomie des Heilsgeschehens, Konstanz. – Ders., 2001: Das politische Feld. Zur Kritik der politischen Vernunft, Konstanz. – Lewin, Kurt, 1982a: Feldtheorie des Lernens; in: Graumann, Carl-Friedrich (Hg.): Feldtheorie, Bern/Stuttgart, 157–185. – Lewin, Kurt, 1982b: Verhalten und Entwicklung als Funktion der Gesamtsituation; in: Weinert, Franz E.; Gundlach, Horst (Hg.): Psychologie der Entwicklung und Erziehung, Bern/ Stuttgart, 375–448. – Lewin, Kurt, 1982c: Psychologische Ökologie; in: Graumann (Hg.) [s. o.], 291–312. – Lewin, Kurt, 1982d: Feldtheorie und Experiment in der Sozialpsychologie; in: Graumann (Hg.) [s. o.], 187–213. – Lewin, Kurt (1982e): Formalisierung und Fortschritt in der Psychologie; in: Graumann (Hg.) [s. o.], 41–72. – Lohr, Winfried, 1963: Einführung zur deutschsprachigen Ausgabe; in: Cartwright, Dorwin (Hg.): Feldtheorie in den Sozialwissenschaften. Ausgewählte theoretische Schriften, Bern/Stuttgart, 15–42. – Schumacher, Florian, 2011: Bourdieus Kunstsoziologie, Konstanz. – Vester, Michael, 2002: Das relationale Paradigma und die politische Soziologie sozialer Klassen; in: Bittlingmayer, Uwe H. et al. (Hg.): Theorie als Kampf? Zur politischen Soziologie Pierre Bourdieus, Opladen, 61–121. – Weber, Max, 1972: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen (1921).

       Florian Schumacher

      Forschung (engl. research) ist in den beiden Hälften der empirischen Sozialwissenschaften, der Theorie und der Empirie, die Tätigkeit des Wissenschaftlers im Bereich der Empirie, d. h. die Tätigkeit, durch die er mit objektspezifischen Methoden in der Wirklichkeit Erkenntnisse über sein Objekt sammelt oder auch die Suche »nach Erkenntnissen durch systemische Auswertung von Erfahrungen (›empirisch‹ aus dem Griechischen: ›auf Erfahrung beruhend‹)« (Bortz/Döring, 5).

      Damit sind quantitative und qualitative Methoden gleichermaßen gemeint, aber stets grundsätzlich Methoden der Feldforschung, auch in deren Modifikation als Laborforschung, weil es auch in dieser um Erforschung am Erkenntnisobjekt geht, nur eben in einer künstlichen Situation. Ausgeschlossen ist damit die »Schreibtischforschung« (desk research im Gegensatz zu field research), die nur ein Irrtum erregender Ausdruck für Theoriearbeit ist. Diese ist entweder vor der Forschung angesiedelt, wenn es um[128] erste hypothetische Erklärungen der Forschungsfragen geht, oder nach der Forschung, wenn deren Ergebnisse für eine revidierende, nun validere Fassung der Theorie ausgewertet werden; dieser zweite Bereich ist in der Soziologie allerdings bisher völlig unterentwickelt. Damit stehen Theoriekonstruktion und Forschung in den empirischen Sozialwissenschaften in einem untrennbaren Zusammenhang, auch wenn dieser im Wissenschaftsalltag längst nicht immer beachtet wird (Babbie, 35–54; Endruweit, 66–69, 78, 125–128), u. a. auch dadurch nicht, dass Theorien i. d. R. nicht »überprüfungsorientiert« formuliert werden.

      Der Grundsatz von Forschung als Feldforschung wird nur vermeintlich durchbrochen von Datensammlungsverfahren, die in der Tat am Schreibtisch, jetzt eher am Computertisch angewendet werden, so etwa bei der Inhaltsanalyse. Hierbei ist beispielsweise das eigentliche Forschungsobjekt die Sozialisationspraxis der Adelsfamilien im 17. Jh., die »im Feld« nicht mehr beobachtet oder

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