Handbuch der Soziologie. Группа авторов

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Handbuch der Soziologie - Группа авторов

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Letztere steht im Fokus des Beitrags von Christoph Deutschmann zu »Wirtschaft, Arbeit und Konsum«. Die Aufgabe der Wirtschaftssoziologie wird anhand der Infragestellung der klassischen [18]Arbeitsteilung mit den Wirtschaftswissenschaften umrissen, der zufolge diese die Logik wirtschaftlichen Handelns und jene die soziokulturellen Kontextfaktoren betrachtet. Gegen die modelltheoretischen Annahmen der Wirtschaftswissenschaften zeichnet Deutschmann nach, dass die von der vorherrschenden neoklassischen Theorie als ahistorisch unterstellte ökonomische Handlungsrationalität selbst ein Produkt der geschichtlichen Entwicklung ist, das man zu dem in seiner Wirkungsweise und Dynamik nur verstehen kann, wenn die institutionellen Einbettungen der Wirtschaft nicht als deren äußerlicher Rahmen, sondern als ihre ambivalenten und instabilen Hervorbringungen konzipiert werden. Wirtschaftssoziologische Forschung ziele darauf, die mit der räumlichen sowie sozialen Entgrenzung der Märkte freigesetzte Dynamik zu erfassen, die die gesamte Gesellschaft, das Arbeitsleben und den Konsum inklusive der markteinbettenden Institutionen, Organisationen, Netzwerke und Leitbilder einem fortlaufenden Veränderungsdruck aussetzen.

      Auch der anschließende Beitrag stellt die herkömmliche Scheidung und Entgegensetzung von Wirtschaft und Kultur, von Materiellem und Symbolischem in Frage. Die Kultursoziologie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend verändert. Diese Transformationen manifestieren sich am augenfälligsten in der Entstehung der Cultural Studies. Unter dem Titel »Kultur, Medien und Technik« erläutert Scott Lash, wie weitgehend unsere Lebensform und ihre medialen Kommunikationsweisen heute technologisch durchdrungen sind. In der Folge nehmen gesellschaftliche Zusammenhänge zunehmend einen verselbstständigten, systemischen Charakter an. Der Beitrag fragt nach den kulturellen Grundlagen dieser Entwicklung, die ganz in der Tradition kultursoziologischen Denkens in den gesellschaftlich vorherrschenden, aber kontingenten Rationalitätsmustern identifiziert werden: einer Kontexten gegenüber unsensiblen, kategorisierenden theoretischen Vernunft und einer individualistischen Zweckrationalität. Lash ruft dagegen die antike Erörterung des Technikbegriffs in Erinnerung und findet in diesem Zusammenhang bei Aristoteles die Alternative einer pragmatistischen, produktiven Vernunft, die sich gegen die neoliberale Vereinnahmung unserer technischen Kultur wenden lässt.

      Auch das Themencluster »Wissen, Sprache und Macht« wird aus einer kulturtheoretischen Perspektive vorgestellt, die Bedeutungsfragen nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit den materiellen Aspekten des Sozialen erörtert. Sven Opitz und Ute Tellmann skizzieren zunächst, wie sich das kulturtheoretische Paradigma der Soziologie als Bedeutungswissenschaft durch strukturalistische, wissens- und wissenschaftssoziologische Impulse in Abgrenzung zur Hermeneutik entwickelt und die Disziplin für poststrukturalistische Einflüsse geöffnet hat. Sodann stellt der Beitrag dar, wie diese Mittel zur Erforschung von Prozessen der Bedeutungsproduktion für soziologische Machtanalysen der Formierung kollektiver Identitäten fruchtbar gemacht werden. Mit postkolonialen, hegemonietheoretischen, gendertheoretischen, affekttheoretischen und netzwerkanalytischen Ansätzen kommen dabei insbesondere solche Impulsgeber zur Sprache, die derzeit noch jenseits des disziplinären Mainstreams liegen.

      Die Politische Soziologie im engeren Sinne thematisiert Hauke Brunkhorst mit Blick auf die Forschungsfelder »Nationalstaat, Demokratie und Solidarität«. Die Ordnungsmuster, entlang derer Gesellschaften sich politisch strukturieren, werden in diesem Beitrag über den Begriff der Solidarität eingeführt. Bei diesem handle es sich nicht etwa um eine auf Freundschaft beruhende soziale Beziehung oder ein ähnlich geartetes affektuelles Band, sondern, wie am römischen Zivilrecht belegt wird, um einen formalen Rechtsbegriff, der die Verbindung von Fremden ermöglicht. Dessen Synthese mit dem egalitären Universalismus des Christentums habe eine Verrechtlichung des Republikanismus und schließlich eine Demokratisierung der politischen Gewalt in die Wege geleitet, als deren zentrales Problem sich bald die Beherrschung des kapitalistischen Systems herausgestellt habe. Eine im Sozialstaat als soziale Gerechtigkeit organisierte gesellschaftliche [19]Solidarität hänge vor allem von starken Gewerkschaften und einem etablierten Parlamentarismus ab. Im Zuge von Europäisierungs- und Globalisierungsprozessen müssen beide durch andere Mechanismen ergänzt, können aber nicht ersetzt werden. So führt der Blick auf den Zusammenhang von Recht, Solidarität und Demokratie zu den in der politiksoziologischen Forschung vordringlichen Fragen nach den zivilgesellschaftlichen Akteuren und Organisationen, den politischen Institutionen und den nationalen, inter-, trans- und supranationalen Strukturen, die die Spannung zwischen Demokratie und Kapitalismus zu mildern in der Lage waren, heute unter Druck geraten und teilweise zusammengebrochen sind.

      Der Befund, dass vertikale soziale Ungleichheiten gegenwärtig zunehmen, stellt auch den Ausgangspunkt des Beitrags von Klaus Dörre zur Sozialstrukturanalyse dar. Unter dem Titel »Prekarität, Achsen der Ungleichheit und Sozialstruktur« skizziert der Beitrag zunächst entlang der zentralen makrosoziologischen Kategorien zur Beschreibung sozialer Ungleichheit die Zurückdrängung klassentheoretischer Konzeptionen durch individualisierungstheoretische Ansätze, die der gegenwärtigen Lage nicht angemessen seien. Als Alternative dazu wie auch zu den früheren Begrifflichkeiten, die der gegenwärtigen Lage ebenfalls nicht gerecht werden, ist in den vergangenen Jahren das Konzept der Prekarität als Schlüsselkategorie der Sozialstrukturanalyse ausgearbeitet worden. Dörre stellt den Verlauf der Diskussion, die begrifflichen Innovationen sowie empirische Forschungsergebnisse vor, bettet das Konzept in den theoretischen Rahmen der Intersektionalitätsforschung ein und widmet sich den Herausforderungen, die sich daraus ergeben, die Strukturierung sozialer Ungleichheit aus der Perspektive gesellschaftlicher Unsicherheit in den Blick zu nehmen.

5.Bedarf es einer neuen Soziologie?

      Die zentralen Herausforderungen, mit denen die Soziologie heute konfrontiert ist, bilden das Thema des fünften und letzten Abschnitts dieses Handbuchs. Wie die Beiträge zu den etablierten soziologischen Untersuchungsfeldern und Teildisziplinen verdeutlichen, sind diese ausnahmslos im Wandel, sowohl aufgrund wissenschaftsinterner Dynamiken und theoretischer Impulse wie auch aufgrund gesellschaftlicher Transformationsprozesse, die nach neuen Beschreibungskategorien, Deutungsansätzen und explanativen Theoremen verlangen. Der durch die Konfrontation konkurrierender Perspektiven vorangetriebene Fortschritt wissenschaftlicher Erkenntnis berührt häufig jedoch nicht die Grundannahmen und paradigmatischen Selbstverständlichkeiten der jeweiligen Forschungsfelder oder gar der Disziplin insgesamt. Nicht jede unvorhergesehene gesellschaftliche Entwicklung stellt die Soziologie vor eine fundamentale Herausforderung, doch einige lassen sich nicht mit dem bestehenden Forschungsinstrumentarium oder durch kleinere begriffliche Anpassungen und theoretische Fortentwicklungen verständlich machen. Die Herausgeber haben sechs gesellschaftlich virulente Problemfelder identifiziert, zu denen die Beiträge einen allgemeinverständlichen Einblick entlang der Frage geben, inwiefern jüngere soziale Entwicklungen und Ereignisse noch innerhalb der vorhandenen sozialwissenschaftlichen Paradigmen adäquat erfasst werden können oder aber die Soziologie ihre bisherigen Grenzen überschreiten muss, um ihrer gesellschaftlichen Funktion gerecht zu werden, einen relevanten Beitrag zur Aufklärung gesellschaftlich drängender Problemkonstellationen zu leisten.

      Der Beitrag von Bernd Sommer und Harald Welzer widmet sich dem Feld ökologischer Herausforderungen, die einstweilen vorrangig mit Blick auf den Klimawandel und unter naturwissenschaftlichen und technischen Gesichtspunkten konzipiert werden. Gegen diese Auffassung wird in doppelter Hinsicht die wechselseitige Abhängigkeit der Entwicklung natürlicher und [20]sozialer Zusammenhänge hervorgehoben. Einerseits sind Naturereignisse nur im Kontext gesellschaftlicher Ordnungen herausfordernd, andererseits haben Lebensformen Auswirkungen auf natürliche Systeme, deren Regulierung notwendigerweise diese Lebensformen tangiert und deswegen nicht rein technisch erfolgen kann. Die Einsicht in den Zusammenhang von Klima- und Gesellschaftswandel führt zu der Überlegung, dass es sich bei Ersterem lediglich um ein Symptom menschengemachter Ressourcenknappheiten handelt, deren Ursache in der gewaltigen Zunahme umweltbeeinflussender menschlicher Aktivitäten seit der Industrialisierung zu finden ist und die dem energieintensiven Modell der expansiven Moderne Grenzen setzen. Die Soziologie steht damit vor der Aufgabe, die Möglichkeiten einer alternativen Moderne auszuloten, die bestandsfähige Lebensstile ermöglicht.

      So wie die moderne Gesellschaft bislang durch

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