Die Schamanin. Hans-Peter Vogt

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Die Schamanin - Hans-Peter Vogt

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der langen Geschichte der Stadt und der Ausgrabung einer 4000 Jahre alten Königsstadt ist Ciudad del Sol eine junge und durchaus moderne Stadt.

      Die größte Fabrik der Stadt liefert Nahrungsmittel, die über eine inzwischen gut ausgebaute Fernstraße bis nach Chile geliefert werden. Diese Fabrik gehört der Familie von Solveig, und Großvater Leon war es es auch, der dieser Stadt ein modernes Energiekonzept beschert hatte, wobei er viele Geldmittel in die Hand genommen hatte. Die Familie ist deshalb auch an dem örtlichen Elektrizitätswerk, am Wasserwerk, an der Müllentsorgung und am Biomassewerk beteiligt, das u.a. Biogas herstellt. Kurz gesagt, Solveig ist als Teil der wirtschaftlich führenden Familie dieser Stadt geboren worden, mehr noch, Solveigs Familie gehört das größte Wirtschaftsunternehmen Perus. Größer noch als all die Minengesellschaften, die z.B. Lithium abbauen, aber auch daran ist das Familienunternehmen mit 25 Prozent beteiligt.

      Der See ist tief und das Wasser ist kalt. Es gibt einige wenige Stellen, wo man schwimmen kann, aber das ist nicht ungefährlich, weil es in dem See eine kräftige Strömung gibt. Wehe dem, der in den Sog der Turbinen gerät.

      Unterhalb des Stausees mündet, wie gesagt, ein weiterer Fluss, der etwas schmaler ist. Aus der Luft sehen diese Wasseradern aus wie ein liegendes Ypsilon. Im oberen Teil des Dreiecks erhebt sich ein Berg bis auf 3450 Meter, und dort hatte man eine rund 4.000 alte Königsstadt entdeckt, die in der Zeit, als Solveig geboren wurde, zu etwa 70 Prozent ausgegraben war. Sie hat gewaltige Dimensionen von über 15 Kilometern Durchmesser.

      Diese alte Königsstadt ist der zweite Lebensnerv der Stadt, denn man hatte in dieser Stadt nicht nur Mauern, Katakomben, Skelette, und Keramiken gefunden. Man hatte Münzen, Schwertknäufe, Schulterbleche aus Gold, Fingerringe, Halsketten und riesige Mengen an Silber, Gold und Edelsteinen, gefunden. Diamanten, Opale, Achate, Amethysten, Türkise, Aquamarine und viele mehr. Diese Funde hatte die beiden an der Ausgrabung beteiligten Staaten Peru und Bolivien reich gemacht. Sie hatten einen Teil der Funde an Museen gegeben, einen Teil hatten sie auf Auktionen, an der Börse und an Juweliere, an die Industrie (die stets Bedarf an Brillanten hat, um Schneidwerkzeuge herzustellen) und an Sammler verkauft. Die beiden Staaten hatten auch dafür gesorgt, dass diese Ausgrabung zu einem lebendigen Museum ausgebaut worden war. Es gibt hier Cafés, Restaurants, Ausstellungsgebäude, Seminare, Versammlungen und Events. Es gibt regelmäßig stattfindende Märkte und Animationen, Führungen und Vorträge.

      Die Funde hatten nicht nur Peru und Bolivien reich gemacht, sondern auch die „Stiftung“, die der Familie von Solveig gehört, denn Großvater Leon war es, der damals diese antike Stadt als erster entdeckt hatte, und er hatte damals die Stiftung als dritten Partner in die von Peru und Bolivien gemeinsam gegründete Verwertungsgesellschaft eingebracht, und für kompetente Wissenschaftler und internationale Anerkennung gesorgt.

      Solveigs Großmutter Mila ist die leitende Archäologin der Ausgrabung, und sie hat durch Vorträge und die Organisierung von Ausstellungen weltweit für Anerkennung gesorgt. Sie hat sogar Prokura in der Stiftung. Ja, nun. Solveigs Familie spielt in dieser Stadt eine bedeutende Rolle.

      Oben auf der Spitze des Berges hatten die Archäologen einen Königspalast und eine Stufenpyramide gefunden, einen großen Platz und Befestigungen. Es gibt Reste einer antiken Stadtmauer, Türme, Kasernen für Soldaten, Tiefbrunnen, mehrere Marktplätze und sogar ein funktionierendes Abwassersystem. Die Tiefbrunnen waren seit alters her über Schächte mit dem See verbunden, so dass sie den Bewohnern der antiken Stadt schon damals frisches und kühles Wasser lieferten. Diese Stadt ist etwas Besonderes, und sie war längst als UNESCO Weltkulturerbe anerkannt.

      Etwas Besonderes ist auch das Oster- und das Weihnachtsfest, das inzwischen jedes Jahr auf dem großen Platz unterhalb der Pyramide zelebriert wird. Für dieses Fest kommen Tausende, nur um dabeizusein. Es gibt in dem Open Air Museum auch spezielle Kindstaufen und indianische Hochzeiten für externe Besucher nach alten Bräuchen. Das ist einzigartig, und nur deshalb kommen manchmal die Menschen selbst aus Japan oder Australien, nur um so etwas einmal zu erleben.

      Obwohl die Stadt weit weg von anderen großen Ansiedlungen liegt, ist sie durch diese antike Stadt weltberühmt geworden und wird jedes Jahr von mehr als eine Million Besuchern aufgesucht.

      Unweit der alten Stadt hatte man deshalb einen kleinen Flugplatz gebaut und es gibt eine breite und komfortable Straße, die in die Provinzhauptstadt Cusco und in die peruanische Hauptstadt Lima führt, und eine weitere nach Süden, in die bolivianische Hauptstadt La Paz. Es gibt regelmäßige Busverbindungen und Sammeltaxis. Auf diesen Straßen fahren auch Lastwagen, die alles bringen, was man in der kleinen Stadt braucht.

      Solveigs Familie ist an diesen Ausgrabungsfunden und Einnahmen beteiligt. Opa Leon hatte damals durchgesetzt, dass dort überhaupt Grabungen durchgeführt werden konnten. Die der Familie gehörige Stiftung hatte damals den Vertrag geschlossen, dass ein Drittel aller Einnahmen der Stiftung gehören müsse. Während die beiden Länder die Ausgrabung finanzierten, wobei sie auch Gelder der UNESCO dafür erhielten, reinvestierte die Stiftung von Großvater Leon und Großmutter Mila das eingenommene Geld seit Anfang an großzügig in Infrastrukturprogramme, in den Aufbau der Indiosiedlung, in eine leistungsfähige Wasserversorgung, das Elektrizitätswerk und den Fremdenverkehr. Genau genommen gehört der Familie ein Großteil der Stadt, und sie ist an vielen Unternehmen mindestens beteiligt.

      Die vielen Besucher der Stadt müssen irgendwo schlafen. Sie müssen essen und trinken, und dies spült unglaublich viel Geld in die Kassen. Das größte Hotel der Stadt, mit 360 Betten gehörte der Familie von Solveig, und dort gibt es auch eine Sport-und eine Eventhalle mit regelmäßigen Konzerten von Weltrang. Hier waren schon die New Yorker Synfoniker aufgetreten. Jeder Künstler von Weltrang hatte sich hier bereits dem Publikum gezeigt, und die Besucher strömen von weither, um diesen Konzerten beizuwohnen, selbst aus Lima oder La Paz.

      Die antike Stadt ist zwar das Herz der kleinen Stadt, die um dieses Zentrum herum entstanden war, und das alle Bewohner ernährt, aber ohne die übrigen Teile der lebensfrohen und pulsierenden Stadt würde das alles nicht so gut funktionieren, wie es tatsächlich funktioniert. Ciudad del Sol hat Weltruf. Vielleicht auch, weil regelmäßige Wanderausstellungen mit Funden der Ausgrabung den Namen der Stadt überall auf der Welt verbreitetet hatten.

      Einige Teile der alten Königsstadt (die einmal mehr als 200.000 Einwohner hatte) sind abgezäunt und dort wühlen sich die Archäologen immer noch durch Berge von Erde, um alles ans Tageslicht zu bringen, was dort noch zu finden ist. Zwar glaubt man, inzwischen alle Geheimnisse über die alte Hochkultur gelüftet zu haben, aber man findet immer neue Reichtümer, die in die Staatskassen fließen und Artefakte, die noch weiteren Aufschluss über dieses antike Gesellschafts- und Wirtschaftssystem liefern.

      Man hatte die alte Stadtmauer wieder restauriert, und das gesamte Areal war zusätzlich von einem hohen Zaun umgrenzt worden. Man hatte einen Großteil der Altstadt, die alte Wasserversorgung und die Kanalisation restauriert und natürlich den Königspalast und die Pyramide mit der Sternwarte. Es gibt ein Eingangstor mit mehreren Kassen. Es gibt ständige Führungen, damit die alten Bauwerke nicht durch unkontrollierte Besucherströme wieder zerstört werden. Innerhalb der antiken Stadt finden die Besucher gemauerte Straßen aus großen Felsquadern, und viele hundert Stufen hinauf bis zum Königspalast, den Katakomben und der heiligen Pyramide. Es gibt sogar Esel, auf denen man reiten kann, um diesen Aufstieg nicht selbst machen zu müssen. Für beste Unterhaltung ist gesorgt. Es gibt Animateure in antiken Uniformen mit Lanzen und Schwertern, und auf den Plätzen der früheren Kasernen kann man sich mit Pfeil und Bogen, mit Wurfspeeren und mit Steinschleudern üben. Für die Kinder ist das ein großes Erlebnis, aber nicht nur für die Kinder. Es wird Wert auf Authentizität gelegt, und nicht auf ein billiges Spaktakel. Dies ist man dem Ruf einer Weltkulturerbestadt schuldig.

      2.

      Gegenüber der antiken

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