Der Clan der Auserwählten. Hans-Peter Vogt
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Artemis teilt sich noch einmal, und er schickt seinen Nachkommen diesmal in den Kopf von Claudio da Silva, den Leiter der archäologischen Abteilung in Lima, der für die Auswertung, Restaurierung und den Fundus aller ausgegrabenen Schätze der Königsstadt zuständig ist. Mila wird die Chefarchäologin vor Ort. Sie koordiniert alle Ausgrabungen und den sicheren Transport der Fundstücke, aber auch die Beschaffung und Verwendung von Geldern und den Schutz der Ausgrabung.
Leon übernimmt den Vorsitz der neu gegründeten Firma, die sich der Ausgrabung der Königsstadt verschreibt. Zwischen den Staaten von Peru, Bolivien und der Stiftung gibt es jetzt einen neuen Vertrag, demzufolge alle künftigen Einnahmen aus der Ausgrabung zu je einem Drittel zwischen den beteiligten Instituten aufgeteilt werden.
Leon verkauft dieses Goldgefäß aus seinem ersten Fund jetzt an das archäologische Museum in Lima und erhält dafür 150.000 Euro. Sicher ist der archäologische Wert weit höher anzusetzen, aber Leon schenkt diesen Mehrwert dem Museum und erhält für sein Entgegenkommen viel Bereitschaft, mit ihm in Zukunft auf ehrlicher Basis zusammenzuarbeiten. Das ist nicht zu unterschätzen, findet Leon. Freundschaft ist nie zu unterschätzen. Alle anderen Funde, die er zusammen mit Mila und Nakoma entdeckt hat, bringt er in den Fundus des gemeinsamen Unternehmens ein, dazu zählen diverse Knochenstücke, Zähne, aber auch Scherben, Gold- und Kupfermünzen und einige Goldbleche, die offenbar von militärisch hohen Rängen getragen wurden, um Kleidungsstücke zusammenzuhalten, und den jeweiligen Rang zu demonstrieren. Auch diese Geste wird ihm hoch angerechnet.
Der Erlös aus dem Goldgefäß wird Leon zusammen mit seinem Goldfund aus der Mine helfen, Fäden zu spinnen und die Kontrolle über die Ereignisse in Peru zu behalten.
Die UNESCO wird die Fundstätte schon bald als Weltkulturerbe einstufen. Wir müssen hier nicht über weitere Details reden, aber die beteiligten Kräfte beginnen mit der Ausgrabung.
Leon bleibt zunächst in Peru. Er wird hier dringend gebraucht. Er kabelt seinen Eltern, dass er die Schule jetzt abbricht. Vielleicht nur ein Studienjahr, wer weiß. Jetzt wird er hier gebraucht. Von seinen Telefonaten nach Deutschland weiß er, dass die Eltern von dieser Entscheidung zwar mächtig geschockt sind, aber dass sie auch mächtig stolz auf ihren Sohn sind, und ihm alles Gute wünschen.
Die antike Stadt, die zunächst noch ohne Namen ist, wird auf Vorschlag der Chefarchäologen schon bald "Sonnenstadt" oder auf spanisch Ciudad del Sol genannt, weil es dort so viele Artefakte mit Sonnensymbolen gibt.
Der erst 16-jährige Leon und die um vieles ältere Archäologin Mila verlieben sich ineinander. Es ist ein seltsames Feuer, was den Berliner Leon und die viel ältere indianische Archäologin vom Volk der Aymara miteinander verbindet. Eine Liebe, die von Artemis unterstützt wird, spürt er doch, dass diese Beziehung gemeinsame Kinder hervorbringen, und auch das Volk der Cantara erhalten und vermehren wird.
Als Leon ein halbes Jahr Später nach Berlin zurückfliegt, teilt sich Artemis erneut. Er lässt seinen Nachkommen im Körper von Leon, aber er selbst zieht dort aus, und er bleibt zunächst in der Ausgrabung. Er wird dort ein vorläufiges Zuhause finden und über den Fortgang der Arbeiten wachen. Er hat schon mitbekommen, dass die Ausgrabung Dutzende von Goldsuchern und Gaunern ermuntert hat, sich illegal auf die Suche nach antiken Artefakten zu machen, die gutes Geld versprechen. Das ist ein gefährliches Potenzial, das er unter Kontrolle bringen muss, wenn er Leon und Nakoma weiterhelfen will. Es gibt noch andere "Goldgräber", die ebenso gefährlich sind. Private Unternehmer, geldgierige Politiker, Militärs. Mila und Nakoma brauchen den Schutz von Artemis in den nächsten Monaten dringender als je zuvor.
2.6.2. Zurück in Berlin bespricht sich Leon mit dem neuen Stiftungsrat, der aus vier Aufsichtsratsmitliedern besteht, aus Leon selbst, aus Kathy, Roy und Spek. Außerdem gibt es fünf beratende Direktoren, darunter ist auch die Geigenvirtuosin Bea. Ziel ist zunächst der Aufbau eines autonomen Jugend- und Musikzentrums in Berlin, das den Jugendlichen in Berlin und Brandenburg offen stehen soll, und das ihre Musik, ihre Lebenseinstellungen und ihre Jugendkultur aufnehmen wird. Eine weitere Aufgabe ist die Integration und der interkulturelle Austausch zwischen Völkern und Kulturen, aber ohne dass eine Kultur die andere domestizieren soll. Der Stiftungsrat findet ein Gelände vor den Toren von Ostberlin. Die Leitung erhält die Unterstützung der Stadt, und die Freunde beginnen die ersten Gelder aus dem peruanischen Goldfund in den Ausbau des Geländes zu investieren. Dritte Aufgabe ist es schließlich, die Ausgrabung in Peru zum Erfolg zu führen, und in den Anden ein indianisches Zentrum zu bauen. Mila und Nakoma werden auf Vorschlag von Leon als die beiden letzten beratenden und operativen Direktoren der Stiftung bestellt, um die südamerikanischen Aktivitäten zu koordinieren.
Auf Leon warten so viele Aufgaben, dass er beschließt, die Schule ganz abzubrechen. Er kann notwendiges Wissen jederzeit auf dem Abendgymnasium nachholen, wenn er will. Es gibt heftige Diskussionen mit den Eltern, die dem Geist des Bildungsbürgertums verhaftet sind, und es gerne sehen würden, wenn ihr Sohn ordentlich studiert, aber Leon setzt sich durch. Vielleicht hilft ihm auch, dass er bereits jetzt einer der Direktoren der Stiftung ist, dass er der Stiftung enorm viel Geld mitgebracht hat, und dass er große Ziele hat, die er verwirklichen will.
Die Eltern beugen sich schließlich seiner Hartnäckigkeit und seinen guten Argumenten.
2.6.3. Leon ist längst vernetzt mit Nakoma in Peru, und sie beschließen bereits im Winter, rund um die Ausgrabung eine Stadt zu bauen, ein indianisches Kulturzentrum und ein Hotel zu errichten. Sie brauchen dazu nicht einmal zu telefonieren. Die Kräfte von Artemis machen es ihnen möglich, diese Energie in Form einer Gedankenübertragung auszutauschen. Sie waren zunächst verblüfft, wie einfach das ist, aber inzwischen haben sie sich daran gewöhnt, und praktizieren diese Fähigkeit, die sie auch geheimhalten, weil das sonst nur unnötige Fragen aufwirft.
Die an der Ausgrabung beteiligen Archäologen sind fast alles Weiße, aber Mila und Nakoma haben sich dafür ausgesprochen, ausschließlich indianische Arbeiter einzustellen. Die Staaten Peru und Bolivien sind ohnehin einverstanden, denn indianische Arbeiter gelten als billige Arbeitskräfte. Nakoma weiß aus eigener Anschauung um die untergeordnete Stellung der Indios in diesem Land. Er nimmt die Gelegenheit wahr, um seinem Volk der Quechua in Peru langfristig zu einer gesellschaftlichen Stellung zu verhelfen, die von Anerkennung geprägt ist. Die Ausgrabung wird ihm dabei helfen. Er weiß, es wird nicht einfach werden. Jede Gruppe, die in Südamerika einen Anspruch auf demokratische Rechte einfordert, ist der Gefahr der Zerschlagung durch das Militär ausgesetzt.
Der Ruhm, der sich dank der Einbindung der UNESCO entfalten wird, die wird sich auf die Stellung der Indios in diesem Land allerdings positiv auswirken, wenn man die Öffentlichkeit geschickt ausnutzt. Dafür wird er sorgen, und er ist sich in diesem Ziel mit Mila und mit Leon einig. Er hat aber auch erkannt, wie gefährlich die Situation ist, wenn sie solche Schätze ausgraben, und die Gier von Tausenden von Glücksrittern entfachen. Er sorgt dafür, dass die Indios unter seiner Leitung eine kleine Schutztruppe zusammenstellen, um drohende Übergriffe bereits im Vorfeld zu erkennen und Diebstähle zu verhindern. Das dient nicht zuletzt ihrem eigenen Schutz, denn Gerüchte und Unterstellungen sind schnell in die Welt gesetzt, wenn man einen unliebigen Beteiligten loswerden will, der von diesem Kuchen ein Drittel kassiert. Allein der Vorwurf der Unterschlagung kann dafür sorgen, dass die Beteiligten für Monate oder Jahre hinter Gittern verschwinden. Mila übernimmt die Aufgabe, dass jedes gefundene Stück detailliert erfasst und katalogisiert, und dass jeder investierte Dollar auch ordentlich verbucht wird.
Die Ereignisse in Peru haben Leons Weg vorgezeichnet. An ein Studium