Der Clan der Auserwählten. Hans-Peter Vogt
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Hier in dieser Mietwagen-Filiale beschließt Artemis, sich zu teilen. Er hat in den letzten Wochen genug Kräfte gesammelt, dass er dies jetzt gefahrlos tun kann. Er spaltet zwei Teile ab, die jetzt auch alle Erbinformationen der Cantara in sich tragen, und er gibt ihnen den Rat, dem Fluss des Geldes zu folgen, und immer mit ihm vernetzt zu bleiben, um die Erfahrungen auszutauschen.
Artemis weiß nicht, wie weit dieses Europa entfernt ist. Es wird vielleicht unmöglich sein, sich auf solche Entfernungen mit der Energie der Cantara auf direktem Weg zu verständigen, aber er hat begriffen, dass Computer und Smartphones eine Kommunikation über den gesamten Globus ermöglichen. Er hat seinen Nachkommen diese Fähigkeit mitgegeben, diese technischen Geräte effektiv zu nutzen. Es wird einfach sein, stets miteinander vernetzt zu bleiben.
Die Reise hatte 3 Monate lang gedauert. Artemis ist ungefähr die Hälfte davon mitgefahren. Er hat längst gelernt, dass es auf diesem Planeten eine Zeitrechnung gibt, und dass Tag und Nacht sich abwechseln, anders als bei seinem Heimatplaneten.
Jetzt also sitzt Artemis mit diesen drei Menschen im Flieger nach Berlin. Unerkannt und ohne Ticket. Er ist gespannt auf diesen neuen Erdteil, den die Menschen Europa nennen.
2.3. Folge dem Geld
In den nächsten Wochen wird Artemis viel lernen. Er ist stets vernetzt mit seinen beiden Spähern, die in Frisco geblieben sind.
Sie docken sich einfach an die verschiedenen Menschen an. Sie besuchen Golfplätze, Reitturniere, Tennisplätze, Gestüte, Farmen, um sich mit der Spezies der Wohlhabenden und Reichen vertraut zu machen.
Sie dehnen ihren Radius aus, bis nach Sacramento und ins Silicon Valley und nehmen Kontakt auf zu den Bossen der Hih-Tech-Unternehmen. Sie besuchen Los Angeles, mit den Beverly Hills und den Filmstudios in Hollywood.
Es ist eine regelrechte Parallelwelt, die sie da vorfinden. Eine Welt der Reichen, gewiss, aber auch eine Welt der Snobs, der Macht, der Unterwerfung anderer, der Konkurrenz, und sie lernen wieviel Bedeutung tatsächlich dieses Geld über den Menschen hat. Nicht nur das. Einige dieser Menschen haben die Macht über wesentliche Kommunikationsmittel, die sich wie ein Netz über den Globus spannen.
Eine höchst interessante Erfahrung. Sie kriechen auch in die Großcomputer und beobachten diesen Fluss von ständigen Informationen und Energien.
Sie tauschen sich mit Artemis regelmäßig aus, denn Artemis hat in derselben Zeit ganz andere Erlebnisse, und sie beschließen, sich jetzt in bestimmten Abstännden immer neue Wirte zu suchen, um dieses System noch besser zu verstehen, und vielleicht die Kontrolle darüber zu erhalten.
Sie verstehen aber auch, dass diese Menschen, in deren Köpfe sie da kriechen, nach dem Verständnis der Cantara eine Spezies sind, die man zähmen muss, wenn man auf diesem Globus ein Gleichgewicht der Arten herstellen will, denn das ist eine Aufgabe, die im Erbgut der Cantara verankert ist.
So leicht ist das nicht. Sie sehen in den Computern, dass es diese Spezies auf dem ganzen Globus gibt. Was können drei Überlebende der Cantara da machen?
So gibt Artemis die Losung aus, vorerst weiter zu beobachten, und das Problem, dass sie da sehen langsam, bedächtig und nachhaltig anzugehen. Sie haben ja Zeit. Noch kann ihnen diese Spezies nicht gefährlich werden. Absolute Tarnung und Unsichtbarkeit ist die Vorraussetzung des Überlebens der letzten Überlebenden der Cantara.
2.4. Die neuen Kontakte des Artemis
Zurück zu Artemis, der ganz andere Erfahrungen macht.
In Berlin zieht Artemis mit der Familie in ihr großes Haus ein. Es gibt hier viele Zimmer mit unendlich vielen Dingen, wie Wasserhähne, Betten, eine Waschmaschine oder eine Mikrowelle. Einiges hatte Artemis schon auf der zurückliegenden Reise kennengelernt. Es gibt ein Kindermädchen, was jetzt dafür Sorge trägt, dass Kathy wieder in die Schule geht und den Lernstoff nachholt, den sie versäumt hat. Es gibt sogar einen Chauffeur und einen Gärtner, und er sieht, dass sich die Eltern bald wieder verabschieden. Sie haben einen Job, bei dem Reisen zum Handwerk gehört. New York, Tokio, Frankfurt, London. Überall, wo es große Börsen gibt, an denen das Geld umgesetzt wird, um sich zu vermehren. Dass Geld sich vermehren kann, ist etwas, was Artemis zunächst nicht begriffen hat. Das ist doch nur tote Materie, und manchmal nur ein ideeller Wert. Inzwischen weiß er, dass es sich nur um eine fiktive Vermehrung handelt, und dass diese Vermehrung nichts zu tun hat mit Zellvermehrung, oder auch mit dem, was den Familien zum Leben bleibt. Nun, bei einigen schon, bei den meisten jedoch nicht, aber dies ist Artemis zunächst nicht bewusst. Einige wenige Wochen reichen nicht für den kompletten Durchblick, und es gibt so unendlich viel zu lernen.
Er wird bald mehr wissen von diesem Geld, wenn er die ersten Berichte seiner beiden Späher erhalten wird.
Artemis lernt vor allem, dass Urlaub und Arbeit für die Eltern zwei Lebensbereiche sind, die nicht unbedingt vermischt werden. Sie haben jetzt Aufgaben. Sie wollen neues Geld verdienen. Sie wollen reisen. Sie brauchen die Kontakte, und die Bestätigung, erfolgreich zu sein.
Katharina bleibt alleine Zuhause, in Begleitung des Kindermädchens, das nun die Rolle der Ersatzmutter übernimmt und dem Chauffeur, dessen Aufgabe es ist, Einkäufe zu erledigen und das Kind zur Schule, in den Sport, oder zum Reitunterricht zu fahren.
Nachdem die Eltern abgereist waren, sieht Artemis, dass Kathy wirklich ihren eigenen Kopf hat. Manchmal geht sie zu diesen Reitstunden, manchmal zum Sport, aber nicht immer, dann schwänzt sie diese Stunden. Sie liebt es, mit der U-Bahn zu fahren, und sie hat dort offenbar eine ganze Menge Freunde, die das genauso halten.
Artemis lernt zum ersten mal eine Gang aus Jugendlichen kennen. Er lernt andere Gangs kennen, und er lernt, dass sich diese Gangs untereinander befehden. Es geht manchmal um einen Ehrenkodex, manchmal um Geld und Macht und Imponiergehabe. Manchmal ist das äußerst rigide, über Erpressung bis hin zur nackten Gewalt. Das Geschehen bedroht ihn nicht, er findet das spannend, und er beobachtet das Geschehen, neutral, wie er sein kann, als ein Studierender.
Kathy ist in einer Gruppe, zu der mehr als fünfzig Kinder gehören. Sie sprechen von Haus aus unterschiedliche Sprachen, und sie stammen aus unterschiedlichen Ländern, aber sie benutzen untereinander ein Kauderwelsch, das aus mehreren Sprachen zusammengesetzt ist. Es gibt viele Worte, welche nur diese Kinder benutzen. Andere verstehen den Inhalt jedoch nicht. So können sich die Kids untereinander verständigen, und sie zeigen sich damit zugleich, wir alle sind ein Teil desselben Clans. Einige der Kinder leben vom Diebstahl, aber nicht alle.
Ein Großteil dieser Kinder ist irgendwie nach Deutschland eingewandert. Sie haben ihre Eltern verloren oder verlassen, und sie haben sich zu einer Schutztruppe zusammengeschlossen. Ein Teil der Kinder lebt sogar in den Tunneln der U-Bahn. Sie fühlen sich hier zu Hause, und kennen den Fahrplan in- und auswendig. Sie kennen die Schächte. Sie kennen die Signale. Sie wissen, wann sie Schutz suchen müssen, wenn einer dieser Züge auf sie zurollt, ja, sie haben sogar eine eigene Schule gegründet, weil sie keine Papiere haben, die ihnen den Besuch einer regulären Schule erlauben, die von den Menschen geführt wird, die da oberhalb der U-Bahnröhren leben.
Dank seines Gespürs findet Artemis bald heraus, dass es solche, oder ähnliche Gruppen auch in Paris, London, New York und anderen Städten gibt, aber die Gruppen haben grenzübergreifend keinen Kontakt. Sie agieren nur lokal und regional, völlig unabhängig voneinander.
Katharina