Der Clan der Auserwählten. Hans-Peter Vogt
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Clan der Auserwählten - Hans-Peter Vogt страница 11
Artemis begleitet diese Gruppe, bis sie in Frisco ankommen, und dort beschliesst er, ihnen in dieses Flugzeug zu folgen, das sie nach Berlin bringen wird, mit Zwischenlandung in New York und Paris.
Noch etwas ist völlig neu. Die Beziehungen zwischen den Menschen sind durch etwas gekennzeichnet, das sie Geld nennen. Manchmal sind das Scheine, manchmal Münzen, und manchmal Plastikarten, die sie Credit Card nennen. Artemis kann schnell lesen, was diese Chipkarten gespeichert haben. Es ist ein Leichtes, diese Magnetkarten zu entziffern, und er kann problemlos Kontakt aufnehmen zu Konten und Banken, zu Computern und Sicherungssystemen. Es sind einfach nur Systeme aus zusammengesetzten Nullen und Einsen. Völlig Simpel.
Artemis findet auch schnell heraus, dass diese Familie reichlich von dem besitzt, was hier als Geld bezeichnet wird. Die Eltern des Kindes sind selbständige Broker. Er hört ihre Telefonate mit. Er sieht, was sie auf ihren Laptops eintippen, wenn das Kind schlafen gelegt worden ist. Er kriecht in ihre Köpfe und beobachtet sie bei ihren Geschäften, denn obwohl sie Urlaub machen, können sie nicht von ihren Geschäften lassen, und dann werden große Summen hin- und hergeschoben, von dem, was diese Menschen Geld nennen. Nicht nur das. Aktien, Wertpapiere, Kommissionen, Obligationen, Rohstoff-Optionen. Es gibt einen intensiven Handel mit Gütern, die den Menschen offenbar wertvoll sind. Man kann sie auf dem Rechner nicht sehen, aber Artemis kann die Zahlen sehen, die da hin- und hergeschoben werden, um etwas zu machen, das sie profit nennen.
Artemis kann die Zusammenhänge noch nicht komplett verstehen, aber er lernt.
Er beobachtet die Eltern auch bei ihren Telefonkonferenzen, die sie hin und wieder mit Anlegern führen. Sie investieren nur selten eigenes Geld. Sie verwalten das Geld anderer, um es zu vermehren, wie sie nicht müde werden zu versichern. Für diese Arbeit kassieren sie eine Gebühr, Spesen und einen Bonus. Aber ja, es kommt auch vor, dass sie eigenes Geld investieren. Er beobachtet sie bei ihren Geschäften. Er hört ihre Ratschläge mit, wie Firmengruppen aufgekauft, zerschlagen und in Einzelteilen wieder veräußert werden. Er hört von Optionen auf viele Tonnen von Reis, Mais und Weizen, die es noch gar nicht gibt, aber er begreift schnell, was eine Spekulation ist. Diese Menschen verdienen ihr Geld damit, das vorhandene Geld auf der Welt umzuverteilen, so dass Reiche noch reicher werden. Er hört aber auch von Verlusten. Das scheint so etwas zu sein, das schlimme Schmerzen verursacht.
Die Eltern des Mädchens verstehen sich als ehrenwerte Makler und Händler, die ihre Kunden nicht über den Tisch ziehen. Er hört, dass es Menschen gibt, die das ganz anders sehen. Menschen, die keine Skrupel haben, ihre Kunden finanziell auszunehmen, bis zum Bankrott. Über Zuverlässigkeit von Anlageberatung wird mit den Investoren immer wieder gesprochen, und die Eltern des Mädchens haben sich einen Ruf aufgebaut, die Interessen ihrer Klienten zu schützen. Das ist ihr Kapital, wie sie sagen. Der Vertrauensvorschuss, den man braucht, wenn man Anleger berät, oder ihr Geld verwaltet. Sie scheinen Erfolg damit zu haben, denn während ihrer Tour durch Amerika können Sie nur übers Telefon eine ganze Reihe von neuen Kunden akquirieren. Es gibt da offenbar ein Netz an Informanten und Informationen, das die Reputation dieser Geschäftsleute als zuverlässig und ehrlich am Leben erhält. Er sieht das, wenn er in die Computer kriecht, und Informationen aufruft, die sie Webseiten nennen. Heimlich, und zu Zeiten, in denen diese Menschen schlafen. Er bekommt aber auch mit, dass sie ihre Geschäfte oft am Rande der Legalität abwickeln, was auch immer das heißt.
Artemis beobachtet, aber er urteilt nicht. Diese Menschen sind für Ihn nur Wirte, an die er sich andockt, wie an einen Hund, eine Pflanze, einen Stein oder eine Gaswolke. Er versucht ihre Welt zu verstehen, die sein neuer Lebensraum sein wird. Es gibt Millionen dieser Spezies. Auf eine Million mehr oder weniger kommt es aber nicht an. Artemis greift nicht ein. Nicht in diesem Stadium. Diese Welt bietet ihm Bedingungen zum überleben und durch Zellteilung ein neues Volk zu gründen, und er wird irgendwann dafür Sorge tragen, dass dies auch so geschieht.
Er begreift aber auch, dass dieses Geld, was da hin- und hergeschoben wird, in dieser Gesellschaft eine enorme Bedeutung hat. Es verleiht Macht und Ansehen, nun ja, und auch Annehmlichkeiten, wie Komfort und Luxus. Auch die Eltern des Mädchens sind nicht davon frei. Sie tragen goldene Uhren und wertvollen Schmuck, was sie aber in einem im Wohnmobil eingebauten Safe verstecken, wenn sie sich unter Menschen mischen, die viel weniger besitzen, um keine Begehrlichkeiten zu wecken, oder andere Menschen nicht zu Diebstählen oder Überfällen zu verleiten. Artemis staunt.
Er lernt, dieses Mädchen zu lieben. Es ist das einzige Kind dieses Ehepaars. Katharina ist ein kleiner Wirbelwind. Sie wird von ihren Eltern meist liebevoll Kathy gerufen. Zuweilen sagen sie Katharina, dann spürt Artemis, jetzt ist dicke Luft. Manchmal erfolgt nur eine Ermahnung, die sich in dem einen Wort manifestiert: "Katharina".
Sie ist selbstbewusst, vorlaut, gerissen, aber auch verblüffend offen und herzlich. Sie weiß, wie sie begehrte Streicheleinheiten erhält, oder irgendwelche Dinge, die sie sich in den Kopf gesetzt hat. Sie hat eine eigene Kamera und sie hat einen eigenen Laptop. Sie fotografiert alles und jeden und speichert die Bilder hinterher auf ihrem Rechner ab. Sie hat sogar einen mobilen Drucker in ihrem Mobilhome, und Kathy liebt es, diese Bilder auszudrucken und das ganze Wohnmobil damit zu bekleben, nicht immer zur Freude ihrer Eltern.
Artemis lernt von Kathy vor allem eins. Witz, Esprit, Charme, Phantasie und die Fähigkeit zu Späßen und Albernheiten, bis hin zu Tollkühnheiten. Einiges kannte er bereits aus der Tierwelt seines Planeten, vor allem bei Jungtieren im Welpenalter, aber die sprühende Ideenwelt, die Kathy da umweht, ist für Artemis neu.
Einmal fahren sie durch einen kleinen Ort, wo ein Fest angekündigt ist. Kathy überredet ihre Eltern mit allen Tricks, drei Tage hier in ziemlicher Langeweile auszuharren, nur um dieses Fest zu besuchen. Das Szenarium geht vom anschmiegen, lachen, Geschichten-Erfinden, Spiele-Spielen, dem Wunsch, jetzt unbedingt Skateboard zu fahren, oder einen frischen Erdbeer-Milchshake zu trinken, dem Verstecken des Zündschlüssels, bis zum Vortäuschen einer Übelkeit. Am Ende fügen sich die Eltern, obwohl dieser Stopp so nicht geplant war. Manchmal sehen sie sich an, zwinkern, oder schauen kurz weg, um leise zu lachen. Sie durchschauen dieses Spiel, aber Kathy ist ihr Liebling, ihr Augenstern. Artemis erkennt darin die unendliche Geduld, Aufopferung und Fürsorge, die er auch von Tiermüttern im Umgang mit ihren Jungtieren kennt. Später wird er lernen müssen, dass nicht alle Eltern so fürsorglich zu ihren Kindern sind.
Artemis sieht bei dem nachfolgenden Event zum ersten Mal Bullenreiten. Er kriecht in diese Tiere, um sie zu spüren. Er sieht ein Riesenrad und er sieht Schaubuden mit Zuckerwatte, Marsh-Mallows und Lose. Es gibt ein Bierzelt und Artemis sieht spät am Abend, was dieses vergorene Getränk mit den Menschen macht. Da hat sich die kleine Familie längst in ihrem Wohnmobil verkrochen, aber Artemis geht noch einmal aus, um die Menschen zu studieren.
Auch wenn Artemis hier viel Herzlichkeit erfährt, was auf dem flachen Land in den USA vielleicht noch typisch ist, so sieht er auch hier soziale Unterschiede. Es gibt Arbeiter und Angestellte, die harsch angeraunzt werden. Es gibt eine Hackordnung, und auch hier bestimmt das Geld eindeutig das Laben der Gemeinschaft.
Sie überqueren auf ihrer Fahrt die Rockys und sie besuchen den Tahoe National Forrest. In Frisco bleiben sie noch zehn Tage, dann geben sie den Camper zurück, und lassen sich mit einem Taxi zum Flughafen bringen. Einen Großteil ihres Gepäcks lassen sie einfach da. "Verschenkt das", sagen sie der freundlichen Dame an der Mietwagenrezeption.