Der Clan der Auserwählten. Hans-Peter Vogt
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Er nimmt Kontakt auf zu den Spezies, die er hier vorfindet. Menschen, Tiere, Insekten. Er probiert die Speisen, die es hier gibt, und die Bedienung wundert sich, weil sie den Tresen mit einem vollen Teller verläßt, und plötzlich mit einem leeren Teller vor dem Gast steht. Sie bekommt gewaltigen Ärger.
Artemis schaut sich diese Auseinandersetzungen an. So etwas kennt er ja auch nicht. Diese Art von Streit, und er beginnt sich an der Theke zu bedienen. Er sucht Kontakt zur Küche, beginnt von den Fritten und dem heißen Fett zu naschen. Er nimmt Salatblätter und Fleischklopse in sich auf.
Es ist eine fremde Welt, die sich da zeigt, und Artemis sucht den Kontakt zu all diesen Stoffen und den Energieströmen, die zwischen Menschen und Tieren hin- und herlaufen.
Es gibt hier Kakerlaken, Fliegen, Schimmelpilze, vereinzelte Hunde und hunderte mikroskopisch kleiner Erkältungsviren. Es dauerte nicht lange, dann kennt er ihre Sprache und ihre Form der Verständigung, und er wundert sich, warum diese Menschen es nicht schaffen, sich mit den anderen Lebewesen in deren Sprache zu verständigen. Diese Menschen sind äußerst simpel gestrickt, trotz dieser Bauwerke und dieser technischen Hilfsmittel, die sie da entwickelt haben.
Artemis versteht schon bald diese Laute, welche die Menschen verwenden. Er hat zwar keine Ohren, aber empfängt die Atemstöße, die Absonderungen des Schweißes, die Wärmeabstrahlungen und die elektromagnetischen Impulse, die von den Gehirnen und Körpern dieser Menschen ausgehen, und er kann schon bald mühelos verstehen, was sich die Menschen da in ihrer Sprache zuwerfen. Immerhin erkennt er diese Gattung als eine Spezies, die in ihrem Lebensraum eine Führungsposition beansprucht. Nun ja. Es gibt konkurrierende Arten, aber zwischen Insekten, Viren und den Menschen besteht eine Art Symbiose, wie ein Kreislauf des Lebens.
Artemis ist vorsichtig. Er schlüpft zunächst nicht in die Körper der verschiedenen Arten. Er beobachtet nur.
Dieses Lokal ist für Artemis eine reine Fundgrube. Es ist mit einer Tankstelle verbunden, und hier fahren viele Gefährte ein- und aus. Lastwagen, Pickups, Limousinen, Motorräder.
Er hat keine Ahnung, was das bedeutet, aber er lernt sehr schnell. Er kriecht schon bald in die Köpfe dieser Menschen und sieht sich in ihren Gehirnen um. Es ist wie ein Buch. Ein Fundus von Wissen, und Artemis spürt noch andere Dinge auf. Impulse, die Zuneigung, Aufmerksamkeit, Liebe, Gleichgültigkeit, Neugier, Hass, Angst, Neid, oder Gier ausdrücken. Auch das ist ihm fremd, und er nimmt das erstaunt zur Kenntnis.
Da ist noch etwas, das er bereits von den Tieren seiner Heimat kennt. Diese Menschen können Gerüche und Geschmacksrichtungen unterscheiden. Sie verfügen über Tast-Sensoren und ein Sehvermögen. Die Gattung hat Muskeln und ein Skelett. Im Verhältnis zu anderen Spezies ist das Gehirn viel größer ausgebildet, auch wenn das im Vergleich zu den Cantara als sehr gering zu bezeichnen ist. Diese Gattung hat von allem etwas, aber das reicht dieser Spezies offenbar, um einen Anspruch über ihren Herrschaftsanspruch über ihren Planeten zu begründen.
Diese Menschen sind ganz anders als sein Volk der Cantara, das beinahe ausgelöscht worden ist, und auch ganz anders, als alles, was er aus seiner Heimat kennt. Er vergleicht das mit all seinen Erbinformationen, und er kommt zu dem vorläufigen Schluss, dass ihm diese Spezies in ihrer heutigen Entwicklungsstufe nicht gefährlich werden kann.
2.2. Die Reise durch Amerika
Es gibt hier Gefährte, die von den Menschen als Motorhome bezeichnet werden. Fahrende Blechkästen, in denen es nicht nur Möbel gibt in Form von Gestühl, wie bei einem Lastwagen, es gibt dort auch Kühlschränke, Matratzen, einen Kocher und vor allem Nahrung.
Als einer dieser Camper von der Tankstelle auf den Parkplatz fährt, folgt Artemis der kleinen Gruppe aus drei Personen. Er hat schon gelernt, dass es bei den Menschen weibliche und männliche Exemplare gibt. Er sieht ihnen beim Pissen zu. Er beobachtet ihre spezifischen Körpersprache, nein, er nimmt sie amüsiert zur Kenntnis. Es gibt auch Kinder in verschiedenen Größen, manche mit hohen, fast piepsigen Stimmen, manche geradezu kleinwüchsig.
Auch die Kleidung, die sie tragen ist seltsam. Wozu braucht man so etwas? Aber Artemis kriecht in die Körper dieser Menschen und er spürt, dass sie diese Stoffe brauchen, um sich vor Kälte und Hitze zu schützen. Dann gibt es da noch etwas, was er zuerst nicht begreift. Die Kleidung ist ein Signal. Sieh her. Beachte mich. Nimm mich zur Kenntnis. Sei aufmerksam zu mir. Bewundere mich. Ich will mich ver-mehren. Manche drücken noch etwas ganz anderes aus. Ich bin sehr lässig. Ich bin cool. Du kannst mir nichts. Wieder andere explodieren geradezu vor Aggression und Verdrängung. Sie haben eine mächtige Aura um sich gelegt. Er studiert diese Signale aufmerksam. Diese Wesen sondieren auch Körpergerüche ab, welche ähnliche Signale signalisieren, oder sie sprayen sich mit seltsamen Duft- und Lockstoffen ein.
Nun also verfolgt er diese kleine Gruppe aus drei Personen. Sie sprechen anders, als die anderen Menschen hier. Nein, nicht immer, nur dann, wenn sie sich miteinander unterhalten. Sonst sprechen sie die Sprache der Anderen, aber irgendwie ungeübt, und es gelingt ihnen nicht alles so auszudrücken, wie sie es wollen, obwohl sie diese Sprache ziemlich gut beherrschen. Nur die Körpersprache ist dieselbe, und sie kennzeichnet diese Gruppe aus als Menschen, so wie die anderen. Er hat auch schon festgestellt, dass Menschen eine unterschiedliche Hautfarbe haben, und dass dies manchmal eine soziale Rangordnung symbolisiert.
Für Artemis ist das eine neue Information, und nachdem die kleine Gruppe gegessen und sich frisch gemacht hat, folgt er ihnen in dieses Motorhome, das sich kurz darauf in Bewegung setzt.
Artemis hat schon mitbekommen, dass diese kleine Gruppe etwas macht, was sie als Urlaub bezeichnet. Die Eltern des Kindes erfüllten sich einen lang gehegten Traum, einmal quer durch die USA zu reisen. Die Nebenstraße hier hat die Nummer 66, nicht zu verwechseln mit der legendären historischen Route 66, die von Chicago nach Los Angeles verläuft. Sie waren in New York gestartet, waren auf der Interstate 80 quer durch Michigan gefahren, über Cleveland, Chicago und im Süden der großen Seen, die Kanada und die USA voneinader trennen. Sie hatten Omaha passiert und sie sind jetzt auf dem Weg nach Chayenne, Salt Lake City und Sacramento bis zu ihrem Ziel in San Franzisco. Dort werden sie einen Flieger besteigen und zurück nach Deutschland fliegen. Artemis findet das alles sehr spannend.
Er nimmt diese Reise als willkommenes Geschenk, um mehr von diesem Planeten zu lernen. Er dockt sich einfach an diese Stoffe an, die von den Menschen als Kleidung bezeichnet werden. Unsichtbar. Er lebt von den Salzen, die von den Menschen ausgeschieden werden, von Aminosäuren, von ihrer Wärme, von Fett und von in Zellen abgelagertem Wasser, von ihrem Urin, dem Speichel, dem Kot und den Schuppen, die er als abgestorbene Haut identifiziert, von den Gasen, die sie absondern, aber auch von der Umgebungs-Luft. Für Artemis sind das alles nur Zell- und Energieformen, die ihn am Leben erhalten. So etwas wie Ekel ist ihm fremd. Er begreift schnell, dass die Menschen das anders sehen als er, und auch das erstaunt ihn. Die Menschen haben zu ihrer Körperlichkeit und zu ihrer Umgebung eine seltsam gestörte Verbindung. Sie waschen sich mit Seife, um ihren Schweiß loszuwerden. Sie putzen sich die Zähne, um ihren Atem frisch zu machen, sie waschen sich mehrfach am Tag ihre Hände, angeblich, um sie von Schmutz zu befreien, oder beträufeln sich mit Duftstoffen, die sie Parfüm und Rasierwasser nennen.
Manchmal gehen sie in eines der Motels entlang dieser über 5.000 Km langen Fernstraße, nur um ausgiebig warm zu duschen. Sehr oft verlassen sie die Interstate 80, um kleine Orte und Städte, Seen oder Flusslandschaften anzufahren. Mit Hilfe des von ihnen genutzten Navigationsgerätes ist das sehr bequem, und Artemis kann diese elektronische Hilfe schon nach kurzer Zeit entschlüsseln.
Die Eltern des