Der Clan der Auserwählten. Hans-Peter Vogt

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Der Clan der Auserwählten - Hans-Peter Vogt

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1, Kapitel 4.

       Die Cäsur

      Auch wenn seine gute Freundin Bea jetzt von ihnen gegangen ist, so ist dies eben nur eine Zäsur, ein äußeres Zeichen dafür, dass der Clan in ein neues Stadium der Entwicklung eingetreten ist.

      Leon del Sol, der heute in der Frauenkirche zwischen seinen Freunden und Familienangehörigen sitzt, und um Bea trauert, ist sich bewusst, dass auch er diese Erde bald verlassen wird. Es ist kein Unglück. Er hat sein Leben gelebt. Er hat die Geschicke seiner Familie in neue Hände übergeben. Das Leben von Leon ist geordnet. Er fühlt nur eine Art Wehmut, weil eine Ära gerade zu Ende geht. Mit ihm und seiner langjährigen Geliebten Katharina würden die letzten beiden Überlebenden der Urzelle ihres Clans aus dem Leben scheiden. Angst vor dem Tod hat Leon nicht. Er hat das noch nie gehabt. Sein Geist wird in seinen Nachkommen und den vielen Freunden weiterleben.

      Leon schaut hinüber zu Katharina, zu seiner Tochter Chénoa Maria und zu seinen andern Kindern, und plötzlich umspielt ein Lächeln sein Gesicht. Katharina spürt diese Energie, schaut auf, und auch sie lächelt. Um Chénoa Maria zeigt sich plötzlich ein leichter Lichtschein, zart, wie der Schimmer, den ein Adventskranz verbreitet. Die Kinder von Leon spüren den Energiestrom, der zwischen Leon, Kathy und Chénoa Maria hin- und herläuft, und einige Gäste in der vollbesetzten Kirche, die schauen entweder wissend oder verwundert auf, weil sich innerhalb des kalten Steingebäudes plötzlich eine Art Wärme verbreitet, wie von der Glut eines verglühenden Kaminfeuers. Zart, einschmeichelnd und wohltuend.

      Auch das ist ein Teil der Kraft des inneren Zirkels des Clans. Eine Kraft, über die nie öffentlich gesprochen wird, aber sie ist da, so wie gedachte Gedanken da sind, aber wissenschaftlich nicht nachzuweisen sind, es sei denn, man verbindet die Gehirne mit Elektroden und schließt sie an Geräte an, die imstande sind, solche elektrischen Impulse zu lesen.

      Anders als Leon spürt Chénoa in diesem Moment noch etwas anderes. Es ist, als ob plötzlich ein Schalter umgelegt wird, und sie beginnt mit den Menschen um sie herum Kontakt aufzunehmen. Sie kann nicht einmal etwas dafür. Mit den Menschen in der Kirche, und mit denen außerhalb, dort auf dem großen Platz. Und plötzlich sieht sie eine Häufung von Personen, die dieselbe DNA in sich tragen, wie sie selbst. Anders, als bei ihr, oder bei Clarissa oder Solveig trägt diese DNA bei diesen vielen Menschen nicht den sprühenden Lichterglanz, der Chénoa, Solveig oder Clarissa als Führer des Clans auszeichnet. Diese einzigartige DNA weist diese vielen Menschen aber als Teil ihrer Bruderschaft aus, obwohl sie nicht zur leiblichen Familie von Leon und Chénoa zählen. Chénoa spürt in diesem Moment, dass sich die Energiefelder all dieser Personen zusammenschließen zu einem einzigen, ungeheuren Energiefeld, und Chénoa begreift plötzlich, dass sie ein Mutant ist. Eine Verbindung aus diesem "Etwas", was immer schon ihr Leben bestimmt hat, und einem Erdling. Sie atmet tief ein, und sie schaut um sich. Es ist plötzlich so, als wenn all diese Menschen über ihre Augen Kontakt zueinander suchen. Es sind Wirtschaftskapitäne darunter, Politiker und hohe Militärs, und in diesem Moment beginnt sich in der Iris all dieser Menschen ein Funkeln zu zeigen, das zu einem hellen Schein auflodert, um dann langsam und behutsam in ein leichtes und bleibendes Glühen überzugehen.

      Whow.

      Chénoa hat zwar die Leitung des Firmenimperiums bereits an die nächste Generation übergeben, aber sie ist immer noch das ungekrönte Oberhaupt ihres familiären Clans, der umgeben ist von tausenden von Unterstützern und Helfern aus Freunden und Mitstreitern.

      So massiert hat Chénoa noch nie eine Zusammenkunft ihres Clans gesehen, auch wenn dort auf dem Platz und in der Kirche selbst noch viel mehr Menschen stehen, die nicht ihre spezifische DNA besitzen. Sie begreift, dass all diese Menschen Mutanten sind, die diese spezifische DNA besitzen, so wie sie selbst. Sie sind hier zusammengekommen, um Weichen für die Zukunft zu stellen. Woher dieses geheimnisvolle Wesen stammt, das diese veränderte DNA hervorgebracht hat, und das sie seit ihrer Geburt antreibt, oder was dieses Wesen ist, das weiß Chénoa hingegen nicht, aber es ist da. Immer wenn sie danach ruft. Da sie nicht danach trachtet, Menschen oder die Natur zu zerstören, kann es sich nur um eine positive und einigende Kraft handeln. Aber warum zeigt sich dieses Wesen nie? Warum offenbart es sich ihr nicht anders als durch Impulse und Anleitungen?

      Chénoa lässt den Gedanken fallen, so plötzlich, wie er gekommen ist. Das führt zu nichts. Sie kehrt zurück in diese Kirche und in die reale Szenerie der Feier. In den nächsten Tagen und Nächten wird viel zu tun sein.

      Auch wenn Leon inzwischen ein alter Mann ist, so hat er mit seiner Tochter Chénoa viele Gespräche zwischen fast allen Politikern und Wirtschaftsgrößen eingefädelt, die hier in der Kirche sitzen. Es gibt sogar Geheimdelegationen, die sich hier niemals öffentlich zeigen werden, die aber eigens angereist sind, um an diesen Gesprächen teilzunehmen. Sie sitzen jetzt in irgendwelchen Hotelbars, umgeben von ihren Leibwächtern, und warten auf die große Chance, um von Chénoa und Leon mit anderen Entscheidungsträgern zusammengeführt zu werden. Chénoa begreift plötzlich, dass all die lange vorbereiteten Konferenzen und Gespräche in den nächsten Tagen von Anstrengungen getragen sein werden, die Welt in eine Art natürliches Gleichgewicht der Kräfte zu bringen, soweit das möglich ist.

       Teil 1, Kapitel 5.

       Die Welt hat sich verändert

      In Leons Kindheit und Jugend hat es in Berlin Bandenkriege gegeben. Dann hat sich das Klima verändert. Stürme, Starkregen, Dürren, Hungersnöte und dieser gewaltige Temperaturanstieg, der die Pole und Gletscher schmelzen ließ, und den Permafrost aufweichte, so dass tausende Tonnen von Gestein abbrachen und in Richtung Tal stürzten. Der Meerwasserspiegel hatte sich erhöht und zu gigantischen Sturmfluten und Orkanen geführt. Schlimm sind die lokal auftretenden lokalen Unwetter im Zuge des Global Weirding, die manchmal urplötzlich auftreten und massive Zerstörungen hinterlassen. Als Begleiterscheinung der Erhöhung der Welttemperatur waren neue Krankheiten entstanden. Pilze, Flechten, Viren hatten sich verändert. Tausende von Tier- und Pflanzenarten sind heute ausgestorben. Die Welternährung konnte nur durch gezielte Programme und genveränderte Pflanzensorten gesichert werden. Die Menschheit ist an die Grenzen der Belastbarkeit gestoßen. Dabei hatte die Erde in den letzten Jahrzehnten noch Glück gehabt. Ein unvorhergesehenes Phänomen war daran Schuld, das den Namen Maunder-Minimum trägt. Die Sonne hatte für einige Jahrzehnte ihre Strahlkraft ein Stück weit verloren. Ein Phänomen, das schon in früheren Jahrhunderten hin und wieder zu beobachten war. Im 30-jährigen Krieg fror die Ostsee sogar zu, so dass der schwedische König seine Truppe zu Fuß über das Eis zum Festland führen konnte. Allerdings hatte dieses Phänomen die fortschreitende Klimaerwärmung in den letzten Jahrzehnten nur gebremst. Im Moment steigt das Klima wieder deutlich an. Die Folgen sind kaum absehbar. Leon weiß das, aber er wird das vorhersehbare Chaos nicht mehr erleben.

      Es hatte regionale Verteilungskriege um das Wasser, das Erdöl und um andere Bodenschätze gegeben. Es hatte Machtkämpfe gegeben, die sich hinter dem rechten Glauben an Gott verbargen. Riesige Flüchtlingsströme hatten die alten Machtblöcke immer wieder ins Wanken gebracht und Konflikte wurden in Stellvertreterkriegen ausgefochten.

      In all diesem Chaos hatten Leon und seine Freunde stets versucht, menschliche Wärme, Zuversicht und Hilfsbereitschaft am Leben zu erhalten. Es gab viele Erfolge. Der wohl bedeutendste war die gelungene Agrarreform in den Anden, die heute immer noch als grüne Revolution gefeiert wird. Nun ja. In den Anden war das so. In einigen anderen Teilen der Welt sieht die Situation sehr trübe aus. Besonders die Ausbreitung der Wüsten hat ein erschreckendes Maß angenommen. Die Bilanz ist jedoch rückblickend insgesamt nicht schlecht, und es gab immer viel Unterstützung, auch von konservativen Unternehmern und Politikern, wenn auch oft unter sehr eigennützigen Motiven.

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