Der Clan der Auserwählten. Hans-Peter Vogt
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Die Gruppe wird von zwei weißen Jugendlichen geführt. Der eine wird Robert gerufen, oder kurz Roy. Er ist ein wahres Multitalent und ein hervorragender Organisator. Auch er hat Witz und die Fähigkeit, viele anstehende Probleme über Lachen und Späße zu lösen. Er ist für die Kids, wie ein Ersatzvater. Manchmal milde, manchmal sehr energisch und bestimmt. Der andere wird Spek genannt. Er heißt eigentlich Winfried Broseke, aber das sagen nur ein oder zwei der Jugendlichen, wenn sie unter sich sind. Spek ist eben Spek, und er hat die Leitung von ein paar Kids, die besonders geschickt sind. Sie trainieren gemeinsam in einer Kampfschule Karate, Taekwondo und Kickboxen, und sie sind in einem Kampf Mann gegen Mann ziemlich gefährlich. Sie sind eine Schutztruppe und sie greifen manchmal ein, um die anderen Kids ihrer Gruppe vor Übergriffen zu bewahren. Sie besorgen aber auch Geld. Illegal erwirtschaftetes Geld, und sie sind richtig gut darin, andere Gangs abzuzocken. Kathy macht bei diesen Touren nur manchmal mit. Sie läßt sich nirgendwo fest verplanen. Sie hat ihren eigenen Kopf, sie ist bereits jetzt eine Art Unterchefin, die andere gut anleiten kann, trotz ihrer jungen Jahre. Sie behält fast stets den Überblick, und sie steht treu auf der Seite ihrer Bandenmitglieder.
Dieser Spek ist eine besondere Hausnummer. Obwohl noch jung an Jahren, ist er der geborene Teamplayer. Er kann ruhig sein und zuhören. Er kann vor Wut explodieren. Er führt eine Art Regime, und er ist der ungekrönte König in seinem Bereich der Aktivitäten. Seine Truppe kann sich aber auch hundertprozentig auf ihren Anführer verlassen. Er steht zu ihnen. Er haut sie heraus, wenn es notwendig ist. Er kann aber auch regelrecht brutal werden, wenn es darum geht, sich gegenüber anderen Gangs durchzusetzen. Dabei ist Spek äußerst erfindungsreich in der Auswahl seiner Methoden und Mittel. Er ist schwer durchschaubar, und man muss immer mit ihm rechnen. Spek könnte eine große Karriere als Mafiaboss vor sich haben, aber er sieht seine Aufgabe im Schutz von Schwachen. Dabei kann Spek sehr kooperativ sein. Er teilt sich mit Roy die Aufgaben, und sie reden sich nicht gegenseitig hinein.
All das ist für Artemis neu und aufregend. Auch das ist eine Parallelgesellschaft, die er bisher nicht kannte.
Er lebt eine Weile unerkannt bei diesen Kindern. Manchmal im Tunnel, manchmal oberirdisch. Er erlebt Konflikte. Er erlebt Schiebereien. Er erlebt Diebstähle und Messerstechereien. Er erfährt, was ein Überlebenskampf bedeutet, der aus Nahrung, Kleidung, Zuneigung und gegenseitigem Schutz besteht, und auch etwas, was als Bildung oder Wissen bezeichnet wird. Er sieht aber auch, was Armut heißt. Er lernt den Begriff der Freundschaft kennen, und so etwas wie einen geheimen Code. Roy sagt dazu Aufgabe, oder auch ethische Verpflichtung. "wir haben eine Aufgabe...", sagt er dann, denn das sind nicht nur kriminelle Kids. Sie besitzen einen strengen Ehrenkodex. Sie haben sich verpflichtet, sich gegenseitig zu schützen, um gemeinsam zu überleben, und zugleich, um ausgewählten anderen Kids Schutz zu bieten, die auch am Ende der Armutsskala stehen.
Sie haben Kontakt zu anderen Kindern und Jugendlichen, die irgendwo in Berlin leben, zusammen mit ihren Eltern, und die in normale Schulen gehen. Öffentlich und ganz legal. Einige dieser Kinder werden von ihnen sogar unterstützt. Dann, wenn es Auseinandersetzungen mit anderen Kids gibt, so dass sie Hilfe brauchen, dann, wenn sie ihre Chancen, oder etwas, was Roy den Lebenstraum nennt, ohne die Gruppe nicht hätten ergreifen können. Eines dieser Kinder ist Beatrice, oder kurz Bea genannt. Bea galt bereits in jungen Jahren als Wunderkind. Schauen wir deshalb ein paar Jahre zurück.
Bea war schon im Kindergarten aufgefallen durch ihre melodische Stimme und ihr gutes Gehör. Irgendwann hatte sie mit ihrer Mutter vor einem Musikladen gestanden. Sie hatte all die Instrumente betrachtet. Sie hatte viele Fragen. Dann war der Inhaber aus dem Laden gekommen, um eine Zigarette zu rauchen, und als er Bea so stehen sah, fragte er sie, ob sie nicht mal reinkommen wolle. Bea hatte die Instrumente betrachtet und vorsichtig über die Saiten gestrichen. Der Verkäufer hatte die glänzenden Augen gesehen, und hatte ein Etui mit einer 1/16 Zoll Geige geöffnet, sie gestimmt und ihr erklärt, wie man die Geige hält. Bea war damals gerademal vier Jahre alt gewesen. Sie hatte ihre Eltern überredet, ihr diese Geige zu Weihnachten zu schenken. Sie war gebraucht, und kostete damals 200 Mark. Viel Geld für eine Vierjährige. Viel Geld für die Eltern, die sich finanziell gerade so über Wasser halten konnten.
Die Großeltern steuerten einen Teil dazu bei, und nun zeigte die vierjährige ein erstaunliches Talent. Sie sang immer, wenn sie ihr Instrument versuchte zu spielen, und es gelang ihr schon bald, die anfangs nur quitschenden Töne des Instruments zu verwandeln. Sie nahm die Mutter manchmal an die Hand und besuchte den Ladeninhaber. Sie überredete ihn, ihr ein paar Handgriffe und Techniken zu zeigen. Innerhalb von nur einem Jahr konnte sie einfache Kinderlieder spielen, und als es im Kindergarten ein Adventskonzert geben sollte, bat sie darum, die Kinder auf der Geige zu begleiten. Das war der Tag, wo sie vielen Eltern als ein Talent auffiel, das man fördern müsse. Die Eltern von Bea hatten gleichwohl kein Geld für eine Musikschule, und deshalb sprach die Kindergärtnerin mit den anderen Eltern, ob sie ein paar Mark in einen Fonds zahlen wollten, so dass Bea ab und zu eine Übungsstunde bekommt. Das war nicht nötig, weil eine der Mütter selbst Geige spielte, und sich anbot, Bea zu unterrichten. Bea machte schnell Fortschritte, die Geige wurde ausgetauscht gegen eine 1/10 Geige und als sie in die Grundschule kam, wurde
Artemis lernte Bea kennen, da war sie sieben. Sie spielte inzwischen auf einer 1/4 Geige, und spielte inzwischen mit ihre Lehrerin Duette. Sie würde ihre Lehrerin wohl bald an Können überflügeln.
Inzwischen hatte Bea auch die Kids im Untergrund kennengelernt. Es war auf einem der U-Bahnsteige. Sie kam gerade vom Geigenunterricht. Ein Paar Kinder pöbelten sie an und versuchten ihr die Geige zu entreißen. Katharina stand ein Stück weiter, zusammen mit drei ihrer Freunde. Sie sah das, und griff spontan ein, um Bea zu schützen. Das war der Beginn ihrer Freundschaft.
Artemis besucht diese Bea. Er wohnt ihrem Unterricht bei, und er nimmt diese Schwingungen in sich auf, die von dieser Musik erzeugt werden. Er kennt Schwingungen, die von Wind, Regen, dem Rascheln der Blätter, den Rufen von Tieren oder den Flügelschlägen der Vögel entstammen. Er hat auf seiner Reise quer durch die USA Musik gehört, die aus dem Radio kam. Er hat Musikgruppen mit ihren Instrumenten gesehen. Hillbilly, Gospel, Hiphop, Country und Western, aber diese Musik von Conny ist einzigartig. Diese Schwingungen sind einzigartig. Artemis ist sich sofort darüber im Klaren, dass man dieses Talent fördern muss.
Diese Bea ist ein ernstes Kind, aber sie ist mit einer Begeisterung für ihre Musik gesegnet, die Artemis tief beeindruckt. Das ist wahre Hingabe, wahre Liebe zu einer Ausdrucksform, die andere Menschen in gewaltige Schwingungen versetzen kann. Kurz: Bea geht ganz in ihrer Musik auf, aber sie vernachlässigt auch nie ihre neuen Freunde in ihrer Kindergruppe. Mit Katharina verbindet sie inzwischen ein enges Band.
Katharina bittet ihre Eltern, eine Patenschaft zu übernehmen, um Bea den Unterricht an einer richtigen Musikschule zu finanzieren. Sie würde im Gegenzug gerne auf die Tennisstunden verzichten. Das wäre sowieso nicht ihr Ding. Das Reiten wollte sie indes nicht aufgeben, und sie dürften immer gratis in eines der Konzerte gehen, das Bea in Zukunft geben würde.
So kam es, dass Bea in der anerkannten Schule einer Berliner Musikerin unterkam, die früher selbst die erste Geige bei den Berliner Philharmonikern spielte, bis durch einen Unfall der rechte Arm und die Schulter mehrfach gebrochen wurden, so dass sie damit aufhören musste.
Dann gibt es noch einen Jungen, der heißt Leon Mendez. Er hat einen spanischen Vater und eine dänische Mutter. Sie leben in Berlin, und auch Leon hat sich dieser Gruppe angeschlossen. Er ist ein äußerst interessantes Kind,