Der Clan der Auserwählten. Hans-Peter Vogt
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Clan der Auserwählten - Hans-Peter Vogt страница 24
Als Leon an diesem Abend in seine Wohnung kommt, wird er von Bratengeruch empfangen.
Seine älteste Tochter Chénoa Maria und Ana Théla sind schon da. Er hört sie in der Küche lachen. Er stellt die Tasche mit den Unterlagen ab, die er heute noch prüfen will, und schaltet das Smartphone aus, das ihn jetzt nur stören würde. Dann geht er in die Küche.
„Oh Opa“, wird er begrüßt. „Schön, dass du kommst. Wir haben Hammelfleisch und Reis mit Gemüse und Salat. Das isst du doch?“
„Opa, Opa“, beschwert sich Leon. „Mach mich nicht älter, als ich bin. Du weißt, dass du mich nicht so nennen sollst.“
„Ach Opa“, meint Ana Théla und fällt ihm um den Hals.
Leon hält sie auf Armeslänge von sich. Er hat Ana Théla schon länger nicht geseh'n. Er ist zwar immer wieder mal in Peru, aber er hat nie viel Zeit. Schließlich will er dort vor allem seine Frau besuchen, die Mutter von Chénoa Maria. Dieses Verhältnis ist immer noch, wie vor dreißig Jahren. Sie lieben sich, auch wenn sie sich nicht sehr häufig sehen. Im Winter geht er regelmäßig mit Mila auf Reisen, wenn sie Vorträge und Seminare in den amerikanischen Städten und in Europa hält. Sie gilt als die Kapazität schlechthin für die indianische Geschichte Südamerikas, und sie ist im Winter ständig unterwegs zu Vorträgen, auch im Rahmen von Ausstellungen über die Ausgrabungen. Sie haben Mila in der Welt der Geschichtsschreiber berühmt gemacht.
Ana Théla ist die zweitälteste Tochter seines Adoptivsohnes Nakoma, der nur knapp vier Jahre jünger ist als sein Adoptivvater. Allerdings hat sich Nakoma mit dem Kinderzeugen deutlich mehr Zeit gelassen, als sein Adoptivvater. So ist Ana Théla gerade 18 geworden und sie ist bildhübsch. Eine Mischung aus Indio und der energievollen dunkelhaarigen spanischstämmigen Peruanerin, die ihre Mutter ist. Sie hat schwarz-braune lange Haare, ähnlich wie seine älteste Tochter Chénoa, sie hat diese zarte goldbraune Haut der Mestizen, und die weichen Züge der Jugend.
Chénoa drückt Ana Théla den Kochlöffel in die Hand und meint. „Sieh mal nach dem Fleisch und dem Gemüse, und auch ein bisschen wenden und rühren.“
Sie umarmt ihren Vater. Leon drückt sie vorsichtig an sich. Chénoa ist jetzt 28, und sie ist im fünften Monat schwanger. Sie stehen eine Weile da und genießen die gegenseitige Wärme. Dann meint Leon mit einem Blick auf die Pfanne. „Ich hoffe, es gibt heute richtiges Fleisch und nicht dieses Veggi-Zeugs.“
Chénoa lacht. „Hat Daniel dich also schon kosten lassen? Ist wirklich gut, was?“ Leon droht leicht mit dem Finger. „Du hättest mich informieren sollen.“ Chénoa schüttelt den Kopf. „Wenn’s nichts geworden wäre, dann hätten wir das Zeugs eingestampft. Jetzt wissen wir, dass die Leute begeistert sind, und dass da noch viel mehr Potenzial drinsteckt. Du bist für das große Ganze zuständig, aber du musst nicht jeden einzelnen Schritt wissen, den wir in der Planung haben. Du erfährst schon rechtzeitig alles Wesentliche, du kannst dich auf deine Mitarbeiter verlassen.“
„Genug geschwätzt“, flötet Ana Théla. „Essen ist fertig.“ Wie alle Kinder und Enkel von Leon kann sie perfekt deutsch sprechen.
Leon hatte nichts zu Mittag gegessen und er schlägt jetzt richtig zu. Wenn er ernsthaft nachdenkt, so ist das Fleisch nicht besser als das, was Daniel ihm heute Mittag zu kosten gegeben hatte. Er hat keine Probleme damit, eigene Fehler einzugestehen.
„Ich muss euch ein großes Lob zollen. Euer pflanzliches Fleisch ist wirklich große Klasse. Wenn ihr mir das heute vorgesetzt hättet, ich wäre genauso zufrieden gewesen. Also nun mal ehrlich. War das jetzt Veggi oder Hammel?“ Dann ergänzt er, "... und Mila? Die hat das mit dem Anbau eurer neuen Produkte in den Anden doch sicher gewusst, und mir nichts gesagt?"
Ana Théla ist brottrocken, als sie sagt, "Opa, in Wirklichkeit haben wir Hundefutter genommen. Chénoa hat gesagt, sie würzt das so ab, dass selbst du keinen Unterschied merkst. Ein kleiner Test deiner Geschmacksnerven. Im Vertrauen. Das war erstklassiges Fleisch, aber es war eben nur Hundefutter. Jetzt darf ich dir das sagen."
Leon schaut irritiert, aber bevor er böse wird, verzieht er das Gesicht zu einem Grinsen, und er haut Ana Théla leicht in die Seite.
Ana Théla lacht. “War wirklich Hammel. Chénoa hat’s vom Türken in Berlin. Wir haben einen kurzen Umweg gemacht, um Katharina Hallo zu sagen. Chénoa meint, deine Kathy sollte aus erster Hand erfahren, dass ich einen Anschlag auf dich vorhabe.“
Chénoa ergänzt, "Papa, entschuldige. Mama und die Kinder von Nakoma waren in der Entzifferung der Tontafeln federführend. Es war meine Entscheidung, das Forschungsprojekt Veggi-Fleisch unter Verschluss zu halten, und ich habe dabei die Unterstützung des Ministerpräsidenten gehabt. Gottlob muss der ja nicht aus wahltaktischen Gründen jeden vermeintlichen Erfolg seiner Landespolitik an die große Glocke hängen. Wir wollten mögliche Nachahmer an der illegalen Rodung und dem illegalen Anbau hindern. Unser Veggi-Rezept wird vorerst auch ein Geheimnis bleiben. Das gilt natürlich nur für unsere neuen Pflanzen, aus denen wir unsere Veggi-Linie herstellen, nicht für die verschiedenen alten Sorten von Gemüse, die bereits seit Längerem wieder auf Terrassen kultiviert werden. Das letztere ist allgemein bekannt, und in vielen Forschungsberichten nachzulesen. Du weist das. Terres des Hommes hat an dieser Entwicklung ja einen entscheidenden Anteil, um die kleinbäuerliche Produktion zu stärken. Wir arbeiten mit denen Hand in Hand. Du hast das Projekt seiner Zeit angeregt, aber du hattest dann keine Zeit mehr, um dich mit fachlichen Einzelheiten aufzuhalten. Bei mir ist das anders. Ich bin schließlich seit zehn Jahren für Südamerika zuständig."
Sie ergänzt: "Was die neuen Pflanzen für unser Veggi-Fleisch angeht, haben die Kooperativen ausschließliche Lieferverträge mit unserer Firma, und das ist auch gut so. Schließlich finanzieren wir dieses Projekt, und wir garantieren den Kleinbauern faire Preise, von denen sie ihre Familien ernähren können. Natürlich ist es so, dass sich die Sache in Südamerika in einigen Fachkreisen bereits herumgesprochen hat, und die Regierung hat Anträge von vielen Firmen, sich an diesen neuen Terrassenanbauten zu beteiligen. Industriell ist dieser Anbau aber nicht zu bewerkstelligen. Das hat aus unserer Sicht Vorteile, weil es Investoren abschreckt, die nur den schnellen Profit im Auge haben. Wir haben auch einen eindeutigen Vorsprung im Know How, der soviel Abstand schafft, dass uns etwaige Konkurrenten nicht gefährlich werden können. Naja. Noch nicht. Übrigens: auch Katharina hat Bescheid gewusst. Sie ist da schließlich für den Haushalt der Stiftung verantwortlich, und sie hat immer wieder Forschungsgelder bewilligt."
Erinnern wir uns: Katharina ist nicht nur die "Frau" von Leon in Berlin, sondern auch eine der Aufsichtsratsmitglieder und Direktoren der Stiftung Kultur & Kommunikation, die wiederum die Eigentümerin von Mac Best Food und von anderen Unternehmungen ist. Dann gibt es noch seine "zweite Frau" Mila in Peru, von der Chénoa Maria abstammt. Ethisch mag das vielleicht bedenklich sein, aber sowas wird immer wieder praktiziert, und auf dem Papier ist Leon sowieso nicht den beiden Frauen verheiratet, auch wenn er alle seine unehelichen Kinder adoptiert hat.
Er macht eine Handbewegung, „ich bin ganz Ohr.“
Ana Théla mischt sich wieder ein, „also. Ich habe jetzt mein Abitur. Jetzt sind Sommerferien und ich will in Deutschland anfangen Chemie, Biologie und Botanik zu studieren, und als Nebenfächer auch Bakteriologie und Virologie belegen. Zuerst mal hier und nach dem Vorexamen in Cambridge/England. Chénoa hat mir geraten, mich bei euch ein wenig einzunisten und ein Dreimonats-Praktikum zu machen. Das macht sich für die Aufnahme gut. Sie meint, euer Chefchemiker könne mir ein wenig unter die Arme greifen, auch wenn die Nahrungsmittelchemie nur ein Teilgebiet meines