Der Clan der Auserwählten. Hans-Peter Vogt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Clan der Auserwählten - Hans-Peter Vogt страница 26

Der Clan der Auserwählten - Hans-Peter Vogt

Скачать книгу

geflossen. Ohne Humus kein Wachstum. Die Reste von Wurzeln faulen. Es entstehen Microorganismen und Algen, die in großen Mengen Methangas, Lachgas und Stickoxide freisetzen. Die Faulgase steigen in die Luft. In diesen Gebieten gibt es kein Leben mehr. Keine Falter, keine Vögel, keine Säugetiere. Nichts. Es sind Todeszonen."

      Sie seufzt, "die Männer der Patrones sind längst weitergezogen und die nächsten Flächen sind in Flammen aufgegangen, nur um nach drei Jahren wieder verlassen zu werden. Man macht sich oftmals nicht mal die Mühe, die Bäume zu roden, und das Holz zu verwenden, denn das kostet Zeit, und die Barone haben bei solch kurzen Anbauzyklen keine Zeit zu verschwenden, weil sie mit Raps und Mais viel mehr verdienen als mit Holz. Bei den Bränden kommen auch alle Tiere um, die dort leben, und alle die wertvollen Pflanzen werden ausgerottet, die wir für unsere Medizin brauchen. Seit das Rapsöl gewonnen wird, um als Benzinzusatz zu dienen, haben sie in großem Stil den Wald verbrannt. Die Nachfrage hat die Preise in die Höhe getrieben. Das war ein lohnendes Geschäft. Inzwischen sind das Flächen, zehn mal so groß, wie Deutschland. Du weist selbst, wieviele Millionen Tonnen Gas das jährlich sind."

      Sie schweigt betreten und traurig. Dann fährt sie fort, "der Urwald ist zwar nur sehr dünn besiedelt, aber natürlich leben dort Menschen. Diese Großgrundbesitzer haben die Indios am Amazonas vertrieben, zwangsumgesiedelt, oder mit Stromerzeugern, Farbfernsehern und befristeten Arbeitsverträgen bestochen. Die Armut in diesen Gebieten ist traditionell groß, das spielt den Bossen in die Hände. Wer sich nicht freiwillig untergeordnet hat, der wurde Opfer der schwarzen Garden, dieser brutalen Geheimkommandos. Männer und Kinder wurden einfach ermordet. Die Frauen sind vergewaltigt, und dann zu Liebesdiensten gezwungen worden. Überall gibt es solche Bordelle für die Erntearbeiter und LKW-Fahrer. Die Natur wurde rücksichtslos ausgeplündert. Wir Indianer und Mestizen wissen das seit Jahren. Die Geschichten werden von Mund zu Mund weitergetragen.“

      Sie schüttelt wütend den Kopf. "Der Sauerstoffgehalt verringert sich weltweit dramatisch, und das Ozonloch ist inzwischen gigantisch gewachsen. Du weist, dass der Meeresspiegel in den letzten 20 Jahren um fast zwei Meter angestiegen ist. Die Polkappen sind fast komplett abgeschmolzen. In Australien und auf Feuerland kommt es zu heftigen Hautverbrennungen durch die ungefilterten UV Strahlen. Dort ist die Krebsrate rasant angestiegen. Die Zustände am Amazonas haben diesen Prozess beschleunigt. Wir graben uns unser eigenes Grab.“

      Ana Théla macht noch einmal eine kurze Pause, dann fährt sie fort, „die Geschwister und ich, wir waren entrüstet. Naja. Wir waren stinkesauer, aber wir waren noch sehr jung und unerfahren, und wir haben für unseren Protest die falsche Methode gewählt. Papa hat gesagt, dass wir unsere Fehler selbst machen müssen, um daraus zu lernen. Wir haben in unserem jugendlichen Aktionismus und mit Hilfe unserer Energie Hubschrauber in die Luft gejagt und Lastwagen verbrannt. Wir haben uns als Spinnen und Schlangen verwandelt und Vorarbeiter getötet. Wir haben uns alles mögliche ausgedacht, um diesen Irrsinn zu stoppen. Es hat alles nichts genutzt. Sie haben andere Arbeiter geschickt. Sie haben neue Hubschrauber und neue Lastwagen und neue Bagger und Planierraupen geschickt. Einmal haben wir eine dieser Pflanzer-Familien komplett ausgelöscht. Wir haben gedacht, dann ist Schluss. Irgendein entfernter Verwandter hat das Erbe angetreten. Er hat eine Gesellschaft gegründet, und die hat dort weitergemacht, wo die getötete Familie aufgehört hat. Wir waren wirklich verzweifelt. Wenn nicht einmal der Tod hilft, um das Elend zu stoppen, was dann? Die Gewinne waren immens, angetrieben nur durch die Gier und durch den weltweiten Nahrungsmittel- und Treibstoffbedarf. Die Rohstoffbörsen haben das ganze System immens angeheizt.“

      Sie schüttelt den Kopf. "Die Patrones tun das ja nicht ohne ihre Abnehmer in den Industriestaaten. Sie tun das nicht ohne eine politische Lobby in der Regierung und in der Verwaltung und der Polizei. Das ist eine richtige Mafia. Es gibt da Gesellschaften, die sitzen in New York oder London, in Panama oder in Zürich. Die haben überall in der Welt ihre Niederlassungen. Sie machen überall schmutzige Geschäfte. Hauptsache, möglichst viel Gewinn. Wir haben die ökonomischen Zusammenhänge und Verflechtungen am Anfang nicht durchschaut. Da gehören ja ganze Stäbe von Ökonomen, Börsianern, Landvermessern, Geologen und verschiedenen Wissenschaftlern dazu, die da gutes Geld machen. Viele davon haben sich erst durch Abhängigkeiten in dieses System eingeklinkt. Schulden, Spielsucht, Arbeitslosigkeit, und für die Arbeiter auf der untersten Ebene ist das meist nicht anders. Sie wollen einfach nur überleben. Ehrliche Arbeit gibt es in vielen Regionen nicht, nicht in Brasilien und in vielen anderen Ländern auch nicht. Um zu überleben, nimmst du jeden Job an. Das ist eine Frage der fehlenden Infrastruktur und der politischen und sozialen Situation im Land. Die wirklich Reichen werden erst durch illegale Geschäfte wirklich reich. Sie sitzen irgendwo in ihren klimatisierten Büros, und haben den Regenwald noch nie gesehen, außer auf Bildern oder bei Google Map. Natürlich gibt es Umweltschützer. Natürlich gibt es die eine oder andere Polizeieinheit, die sich um den Schutz der Regenwälder kümmert, aber die sind unterbezahlt und unterbesetzt. Ihre Familien werden oft eingeschüchtert und bedroht. Wie willst du da auf Dauer überleben, selbst wenn du dich bis an die Zähne bewaffnest?"

      Nach einer weiteren Pause fügt sie hinzu, "auch deine Tochter hatte immer andere Dinge zu tun. Sie hat manchmal mit Papa und mir gesprochen. Sie hat sich erzählen lassen. Sie hat den Kopf geschüttelt. Sie ist wieder gegangen. Dann hat sie irgendwann eingegriffen. Wir machen das jetzt anders, hat sie bestimmt.“

      "Du weist, dass Chénoa ihre Kräfte auf ganz anderen Gebieten entwickelt hat, als wir Kinder von Nakoma. Wir haben uns um Pferdezucht gekümmert. Wir haben Heilpflanzen aufgespürt und Medizin gebraut. Papa hat hinter dem Haus ein großes Treibhaus bauen lassen, und ein Terrarium, in dem wir Ameisen, Kröten, Schlangen, Spinnen, Riesentausendfüßler, Blutegel, Mäuse, Falter und Käfer züchten. Wir brauchen das für unsere Medizin. So ist es uns gelungen zwei wirksame Heilmittel gegen Arthrose und Gicht zu finden. Wir haben sie synthetisch nachgebaut, und die werden inzwischen in Pacos Fabriken massenhaft hergestellt und weltweit vertrieben. Du weist das sicher."

      Leon nickt, und Ana Théla fährt fort, "es gibt andere Heilmittel, die wir mit Sekreten von Giftschlangen oder Kröten herstellen, und die wir an Heilpraktiker abgeben. Das ist nicht nur unser Hobby, das ist auch ein sehr lohnendes Geschäft."

      Sie lächelt. "Wir sind nicht auf Tiere und Pflanzen fixiert. In Absprache mit Chénoa und Clara waren wir stets vernetzt mit unserer Indiogemeinde in Ciudad del Sol. Wir haben in anderen Bezirken und in anderen Andenstaaten ein Netzwerk gegründet, in dem die Bürgermeister von Indiodörfern, Hebammen, Ärzte, Heilpraktiker, Rechtsanwälte und auch die alten Schamanen Hand in Hand zusammenarbeiten, um die Rechte der Indios zu verteidigen, und um die traditionellen Kulturwerte am Leben zu erhalten. Die Schamanen sind in diesem Prozess ganz wichtig. Sie haben den Spaniern jahrhundertelang widerstanden. Sie haben sich versteckt. Sie haben viele der alten Traditionen und Kenntnisse der Inkas bewahren können. Sie praktizieren immer noch den Sonnenkult, und sie organisieren heimlich Hochzeiten und Beerdigungen, rituelle Beschneidungen, Sonnwendfeiern, und sie sind auch sehr gut bewandert mit Sternenkunde. Sie geben ihre Kenntnisse nur von Mund zu Mund an ihre Nachkommen weiter, aber sie sind seit jeher ein Quell traditionellen Wissens. Viele Heilpflanzen und auch viele alte Pflanzenkulturen haben wir nur mit ihrer Hilfe entdeckt, und wieder kultivieren können. Chénoa weiß das. Sie hält seit langem Kontakt zu diesen Clans."

      Leon nickt. Das große Ganze kennt er, aber nicht die Details, und Ana Thela fährt fort, „damals hat Chénoa schon diese Wissenschaftlerin gekannt, die aus Australien kommt, diese Dr. Bloomfield. Dort haben sie mit den Folgen der Klimakatastrophe schwer zu kämpfen. Vor ihrer Haustür liegt dieses riesige indonesische Inselreich. Das war einmal eines der waldreichsten Gebiete der Welt. Sieh dir Indonesien heute an. Ich habe die Luftbilder im Internet gesehen. Es ist zum heulen. Die haben gebrandschatzt, wo sie nur konnten, nur um Palmöl anzubauen, das so ziemlich für alles verwendbar ist. Margarine, Sonnencremes, Treibstoff ..., du weist das selbst nur zu gut. Die Orang Utans sind längst ausgerottet. Die meisten Schlangen, Spinnen, Vögel und Insekten auch. In den wenigen noch bestehenden Palmölkulturen wächst sonst nichts anderes. Für Tiere ist das kein Lebensraum. Der verfaulte Abfall stinkt zum Himmel. Sie können nicht einmal mehr Reis dort anbauen, weil sie

Скачать книгу