Die Suche nach der Identität. Hans-Peter Vogt
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Читать онлайн книгу Die Suche nach der Identität - Hans-Peter Vogt страница 3
Es hat sich nichts geändert, dachte Dennis. Dann fragte er, ob Conny Zeit hätte. „Ich nehm mir diese Zeit“, hatte Conny geantwortet. Sie hatte schon telefoniert und einige Termine abgesagt, während das Badewasser einlief. „Aber sag mal. Was sind das für seltsame Klamotten, mit denen du aufgekreuzt bist?“
Dennis seufzte. „Das ist schwer zu erklären. Ich war weit weg. Nicht nur das. Ich war in einer Welt vor dieser Zeit.“ Er zog mit der Hand denselben Kreis durch die Luft.
Conny wartete ab. Sie kannte Dennis Eigenheiten.
„Ich weiß nicht, wann das war“, fuhr Dennis fort. „Es gab kein Telefon, keine Autos, keine Flugzeuge, keine Post und auch keinen elektrischen Strom. Die Klamotten sind sehr alt und sie sind sehr kostbar. Mehr als das hab ich im Moment nicht.“
Dennis hatte seine „Klamotten“ - vorsichtig wie er war - ins Badezimmer mitgenommen. Sie lagen in der Ecke, auf einem Stuhl.
„Du gibst immer noch Konzerte“, fragte Dennis, und als Conny leicht nickte, fügte er hinzu: „Hast du jemals dieses einzigartige Klangerlebnis gefunden, was du immer verwirklichen wolltest?“
Conny schüttelte den Kopf. „Ich bin nah dran. Aber nein. Ich hab’s nie gefunden. Es liegt irgendwo vor mir, ganz nah. Immer, wenn ich danach greife, dann entzieht es sich mir, wie wenn ich in einen Nebel hineinfasse.“
Dennis hob die Hand aus der Wanne und griff nach Connys Hand. „Vielleicht kann ich dir helfen. Ich habe dieses Klangerlebnis gefunden. Es ist gewaltiger, als wir uns das damals jemals vorstellen konnten. Ich habe es viele Male erleben dürfen.“
Er überlegte einen Augenblick. „Ich war tief in der Vergangenheit. Vielleicht gibt es das heute nicht mehr, aber es muss irgendwo auf der Welt Reste davon geben. Dort wo ich war, und vielleicht auch auf anderen Kontinenten. Wenn wir dieses Klangerlebnis finden wollen, dann müssen wir in die Vergangenheit reisen.“ Er fügte hinzu. „Vielleicht nicht zeitlich, aber doch so, dass wir Kulturen aufspüren, die Reste solcher Klangerlebnisse aufbewahren.“
Conny hatte eine Ahnung, was Dennis damit sagen wollte, aber sie konnte es noch nicht wirklich begreifen.
Dennis ließ Wasser nachlaufen, dann wusch er sich die Haare mit Shampoon. Das hatte er über zwei Jahre nicht gehabt. Es war anders, als in dem kalten Wasser der Flüsse und Bergseen zu baden. Es war nicht besser. Es war anders. Aber im Moment war es das, was Dennis brauchte. Dann erkundigte er sich nach seinen Freunden. Trifter, Laura, Bübchen, Allan, Susi… alles klar? Was ist mit der Stiftung, was mit den U-Bahnkids, was ist mit „dem Dicken“? Conny lächelte. „Alles paletti. Laura hat deine Position in der Stiftung übernommen. Damals, als du verschwunden warst. Sie macht es anders als du, aber sie macht es sehr gut. Sie wäre nicht unsere Laura, wenn sie nicht perfekt wäre in allem, was sie tut.“
„Und meine Mutter“, fragte Dennis.
„Der ging es sehr schlecht. Jetzt hat sie wieder geheiratet. Trifter hat das eingefädelt. Der Mann ist freier Filmproduzent für das Fernsehen. Deine Mutter ist wieder glücklich.“ Sie sah Dennis an. „Sie erwartet ein Baby.“
Dennis schaute Conny überrascht an. Dann sagte er „Ich freu mich. Ich freu mich für sie. Vielleicht hat sie Patricks Tod endlich überwunden.“
Conny wusste nicht alles, was damals geschehen war. „Das musst du selbst herausfinden“, sagte sie.
Dennis kratzte sich am Ohr und strich über seinen Bart. „Im Moment hab ich keine Papiere…“, bedauerte er, „und offiziell bin ich wohl tot.“
„Das solltest du mit Trifter besprechen. Er gibt solche Sachen stets an „den Dicken“ weiter. Ich weiß nicht genau, was der macht, aber er ist ein großes Tier. Keiner weiß genau, was der macht.“ Conny strich mit der Hand leicht und sinnend über Dennis Narbe am Hals. “Willst du, dass ich Laura und Trifter anrufe?“
„Bin ich hier sicher“, fragte Dennis, und als Conny nickte, bat er sie, „dann lass mich drei oder vier Stunden schlafen, dann bin ich bereit für Laura und Trifter. Das hier“, er machte wieder diese Kreisbewegung mit der Hand, „ist für mich eine ganz neue Welt. Ich muss mich ein wenig eingewöhnen. Außerdem waren die letzten Wochen und Tage nicht ohne… .“
Er schwieg.
Conny hatte ihm einen Trainingsanzug besorgt. „Ich kenne deine Größe nicht, aber das hier dürfte dir passen.“ Mit einem Blick auf Dennis Sachen meinte sie „Ich kann das da für dich in den Safe legen. Es stinkt zwar, aber ich pack’ das in eine Plastiktüte.“ Als Dennis dankbar nickte, führte sie ihn in eines der vielen Zimmer in dem großen Haus. „Du kannst hier schlafen. Wenn du etwas brauchst, dann rufe einfach nach mir.“
2.
Dennis schlief zwanzig Stunden durch. Vielleicht war es die ungewohnte Umgebung. Vielleicht war es die Bettdecke und das weiche Bett. Vielleicht war es auch nur der Anfang für ein neues Leben. Dennis brauchte den Schlaf.
Laura und Trifter waren wie vereinbart gekommen. Sie hatten Dennis tiefschlafend vorgefunden. Sie waren eine Weile geblieben. Sie hatten erneut nach Dennis gesehen. Dann waren sie gegangen. „Morgen früh sind wir wieder da“, hatten sie gesagt. „Wenn du uns vorher brauchst, sag Bescheid.“
Als Dennis am späten Vormittag aufwachte, zog Kaffeegeruch durch das Haus. Es duftete nach aufgebackenen Brötchen und Speck, und er streckte sich. Er zog die Vorhänge auf. Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Er stand auf, und folgte dem Duft des frisch gebrühten Kaffees.
Das Haus hatte eine große Wohnküche. Dennis hörte sprechen und leises Gelächter. Er kannte die Stimmen.
Als er durch die Tür trat, verstummten Laura, Conny, Trifter und „der Dicke“.
Trifter begann über beide Backen zu grinsen. „Na“, feixte er, „von den Toten wieder auferstanden?“ Er ging auf Dennis zu und umarmte Dennis heftig. „Gut siehst du aus. Deine Freundin da…“, er zeigte auf Conny „…hat uns ein bisschen was erzählt. Viel weiß sie ja nicht.“
Auch Laura war aufgestanden. Sie war nicht so gefasst wie Trifter. Sie umarmte Dennis, dann begann sie zu weinen. Dennis hielt sie fest. Er hatte einen Klos im Hals. Dann hob Laura den Kopf, küsste Dennis leicht auf den Mund und zog ihn zum Küchentisch. „Du musst einen mords Hunger haben. Lang zu.“
Dennis sah all das Essen. Es duftete vertraut, aber Dennis war vorsichtig. Er verlangte nach einem stillen Wasser ganz ohne Kohlensäure und fing bedächtig an zu essen.
„Conny“, sagte er. „Bitte sei nicht beleidigt, wenn ich an diesen Sachen nur nippe. Es ist so ganz anders als alles, was ich in den letzten zwei Jahren gegessen habe. Mein Magen und mein Körper müssen sich erst wieder daran gewöhnen.“
Noch während des Frühstücks gab Dennis ein paar Auskünfte, um die gröbste Neugier zu befriedigen. „Ich weiß, wo ich war, aber ich weiß nicht, wann das war. Es gibt doch hier in Berlin so ein Archäologisches Institut. Vielleicht können die mit meinen Sachen eine Altersbestimmung machen. Ich weiß