Die Suche nach der Identität. Hans-Peter Vogt
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Читать онлайн книгу Die Suche nach der Identität - Hans-Peter Vogt страница 6
Dann sagte Dennis: „Noch etwas. Die Musik. Hör mal zu… .“ Er erzählte von den Musikgruppen, von den Instrumenten, von schrillen, schrägen, lustigen, fröhlichen und kämpferischen Liedern. Er erzählte von den Festen und den Hochzeiten. Von Tanz und Orgien. Er merkte, dass er Conny faszinierte.
Dann hatte Dennis eine Idee. "Du hast doch eine Geige hier." Hol sie mal her. Dann begann er Conny leicht zu dirigieren. Spiel irgendein Stück. So jetzt versuch das mal fröhlicher. Noch fröhlicher. Steigere das bis zur Ekstase… und jetzt mach es traurig, wie bei einem Todesfall…
Sie wurden unterbrochen. Trifter ließ sich ankündigen.
Er hatte schnell gehandelt. „Das Gold ist weg“, sagte er. „Die Achate, die Topase und die Smaragde auch. Das waren wertvolle Steine. Alles zusammen gerechnet hat das 160.000 gebracht. Viel mehr, als ich vermutet hatte. Die Qualität ist einmalig. Die Händler waren begeistert. Sie haben gefragt, wo das her ist. Sie wollen mehr. Das Gold war reine 999er Qualität. Besser geht’s nicht. Ich habe für dich ein Konto angelegt. Auf meinen Namen. Hier hast du 5000. Das sollte fürs erste reichen. Außerdem habe ich dir eine Monatskarte gekauft.“
Er fuhr fort, „die andern Sachen hab ich den Safe gelegt. Ich weiß, wer solche Gutachten macht. Morgen geh ich dahin. Einen der Brillianten habe ich prüfen lassen. Der Gutachter war außer sich. Das ist ein ganz seltenes Stück. Er wusste, dass so etwas am Hofe der spanischen und portugiesischen Könige zu finden ist. Es gehört dort zum Kronschatz. Ich habe ihm gesagt, dass der Stein unverkäuflich ist, und ich habe ihm versichert, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Er wollte sich nicht festlegen, aber er hätte mir für den Kleinsten der Steine sofort 100.000 gegeben. Bar auf die Hand. Es gäbe dafür im Moment keinen Markt, aber wenn man diesen Stein ordentlich einführt, würde er mehr bringen als jeder lupenreine weiße Diamant. Er war sich sicher. Allerdings müsste man ihn umschleifen, hatte er gesagt.“
„Noch etwas: Die Sache mit den Papieren hab ich „dem Dicken“ überlassen. Er will ein Foto von dir. Das Ganze ist eine knifflige Sache. Es wird eine Weile dauern, wenn du die Existenz eines Verstorbenen annehmen willst. Ich soll dir ausrichten, nur falsche Papiere auf einen Phantasienamen sind unproblematisch, die kannst du in einer Woche haben. Das kostet inclusive Führerschein 15.000. Also, was sagst du?“
„Trifter“, sagte Dennis, „du bist der Beste. Ich möchte dir danken. Phantom-Papiere will ich jetzt nicht. Wenn du erlaubst, werde ich eine Weile untertauchen zu den U-Bahnkids. Zu Conny kann ich hoffentlich immer kommen, wenn sie nicht grade ein Konzert hat.“
Er sah, dass Conny nickte. „Noch etwas. Ich hab gestern mit Laura über die Schule gesprochen. Ich bin offiziell tot. Außerdem hab ich zu viel erlebt, um das noch einmal anzufangen. Aber ich möchte in die Schule der Kids gehen, wenn es die noch gibt. Ich kann einiges dazu beitragen, glaube ich.“
Trifter war hocherfreut. „Abgemacht. Aber bleib vorerst hier, solange Conny es dir erlaubt. Ich freue mich auf dich. Alle werden sich freuen.“ Er verabschiedete sich. Er hätte noch zu tun. Es gäbe noch zwei Abendseminare.
Conny erklärte Dennis, dass Trifter studierte. „Er lässt sich etwas Zeit. Er hat zu viele andere Aufgaben, aber es läuft ihm nichts weg. Trifter wird nie in die Verlegenheit kommen, um einen Job zu bitten. Er könnte jeden Job haben. Auch jetzt schon.“
Dennis lächelte. Er hatte nichts anderes erwartet.
Dann nahmen sie ihre Übungen wieder auf.
„So, sagte Dennis. „Das letzte Stück noch mal. Dann versuch es kämpferisch zu spielen, als wolltest du einer 5000 Mann starken Armee Mut zum Kampf einflößen.“ Er hörte zu. Er korrigierte. Er ließ manche Stücke noch mal und noch mal und noch mal spielen.
„Ich sehe, dass du begreifst. Deine Stücke da. Sie sind viel zu einseitig. Musik ist viel mehr als das. Deine Komponisten haben die Stücke für bestimmte Stimmungen geschrieben. Höfischer Tanz, kirchliche Rituale, bürgerliches Spektakel, so etwas. Vielleicht auch nur, um zu zeigen, was sie drauf haben. Ich habe gelernt, dass Musik Leben bedeutet. In all der Bandbreite. Es kann jede kleine und große Gruppe in bestimmte Richtungen beeinflussen. Du bist der Dirigent. Wenn dir das gelingt, dann bist du frei.“
„Wenn du willst, fahre ich mit dir nach Südamerika. Besorg mir auch Unterlagen über die Musik in andern Ländern. In Afrika, Asien, den Steppen Russlands und Sibiriens. Ich will mehr darüber wissen.“
All das hatte Conny längst auch gewusst, aber sie hatte dieses Klangerlebnis dennoch nie gefunden. Dennis zeigte ihr das Ganze in einer Klarheit und Deutlichkeit auf, die verblüffend einfach schien.
„Ich habe alle Konzerte bis zu meinem Abitur aufgeschoben. Aber lass uns jeden Tag üben, wenn du willst. Ich bin froh, wenn du mir zuhörst und mich korrigierst. Ich habe auch meinen Geigenlehrer. Er kommt manchmal. Du kennst ihn.“
Es war ein langer Nachmittag geworden. „Ich bin müde“, hatte Conny gesagt. Es waren viele neue Ideen. Ich muss das erst noch verarbeiten. Ich brauche meinen Nachtschlaf. Morgen ist wieder ein anstrengender Schultag. Lass uns etwas essen."
Noch in ihren Vorbereitungen kündigte sich Laura an. Sie war glücklich, die beiden Freunde zu sehen, aber auch sie war müde. Sie aßen etwas, dann sagte Dennis. „Ich muss raus hier. Ich weiß, dass ich keine Papiere habe, aber ich werde mir zu helfen wissen. Trifter hat mir eine Monatskarte gegeben. Ich kann überall hin. Wollen wir ein wenig laufen? Es ist noch lange hell. Vielleicht an den Müggelsee?” Laura war einverstanden. Vielleicht war es genau das, was sie jetzt auch brauchte. Sie nahmen einen Schlüssel vom Bord (Laura kannte den Platz) und sagten der Wache Bescheid. Dann verließen sie das Haus. Es wurde eine schöne Nacht.
Der Himmel war sternenklar - zumindest für Berliner Verhältnisse. „Du hättest einmal den Himmel da unten sehen sollen“, sagte Dennis. „Das hier über uns ist nur ein trüber Abklatsch. Dann zeigte er Laura einige Sternbilder. „Die Menschen da unten haben sich ganz nach Sternen und der Sonne gerichtet. Sie hatten Kalender, die über viele Jahre im Voraus für jeden Tag genau den Sonnenaufgang und Untergang festlegten. Wir brauchen dafür einen Chronometer und so ein Zeug. In diesen Sachen waren uns die Indios weit voraus.“
Dann hatte Dennis gesagt „Ich werde noch ein paar Tage bei Conny bleiben, aber ich werde hier verrückt. Ich bin es nicht gewohnt, eingesperrt zu sein. Ich muss etwas tun. Ich werde zu den Kids geh’n. Mal seh’n, ob die Aufgaben für mich haben. Du weißt, wo du mich finden kannst.“
Er ergänzte, „übrigens, wohnt Conny alleine in diesem riesigen Haus?“ Laura schüttelte den Kopf. „Im Westflügel gibt es eine zweite Wohnung. Dort wohnen Connys Eltern. Wir haben sie dir noch nicht vorgestellt, weil das vielleicht riskant ist. Wir wollen nichts unbedachtes tun. Conny geht manchmal rüber zu ihnen, aber sie lassen Conny völlig in Ruhe.“
Kapitel 2. Die schwierige Suche nach der Identität
1.
Am nächsten Vormittag dachte Dennis lange nach. Er war alleine. Er hatte Zeit. Die Sache mit seiner Identität ging ihm nicht aus dem Kopf. Es passte ihm nicht, dass er den Namen und die Rolle eines Fremden übernehmen sollte. Da war da diese Stiftung um die er sich kümmern wollte. Da waren diese Kids seiner alten Gruppe: Allan, Susi und Roman. Da war seine Mutter und da war Conny… Er würde den Freunden schlecht erklären können, dass er plötzlich einen andern Namen trägt,