Grundlagen der Funktionswerkstoffe für Studium und Praxis. Janko Auerswald
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Abb. 1.5 Strukturmodell von Kunststoffen (Polyethylen). Kunststoffe bestehen aus kettenförmigen Makromolekülen mit Tausenden von Atomen. Der Kohlenstoff ist sp3-hybridisiert, seine vier Bindungsarme zu den Nachbaratomen spannen einen Tetraeder auf.
Polymere Werkstoffe (Kunststoffe) mit Tausenden von Atomen in den Molekülketten basieren auf einem eigenen Strukturmodell (Abb. 1.5). Sie bestehen aus sehr langen Makromolekülen, die chemisch vernetzt (Elastomere, Duroplaste, Photore-sists) oder nicht vernetzt (Thermoplaste) sein können. Sind Segmente dieser langen Ketten regelmäßig angeordnet, z. B. abschnittsweise parallel, spricht man von teilkristallinen Polymeren, andernfalls von amorphen. Die Bindungen innerhalb der Kettenmoleküle (Primärbindungen) sind sehr starke Atombindungen. Der E-Modul und die Festigkeit werden jedoch definiert durch die schwachen zwischenmolekularen Bindungen. Produkte aus Kunststoff sind billig herstellbar, nicht sehr temperaturbeständig, leicht und besitzen im Normalzustand eine schlechte thermische und elektrische Leitfähigkeit.
Im Bereich der Funktionswerkstoffe werden Polymere eingesetzt als Isolatoren, Kondensator-Dielektrika, Sensoren und Aktuatoren (Polyvinylidenfluorid (PVDF) als Piezo), Polymere als Matrix für diffusionsgesteuerte Medikamentenabgabe über die Haut oder als Implantat, Substrate für Leiterplatten und Flexprints, Polymerhalbleiter oder als Ionenleiter (Ionenaustauschpolymere) in Brennstoffzellen.
Verbundwerkstoffe Durch Kombinationen verschiedener Werkstoffklassen entstehen Verbundwerkstoffe mit besonderen Eigenschaften, welche die Nachteile der einzelnen Komponenten kompensieren. So verleihen Fasern aus sprödem Glas dem Duroplast Epoxidharz eine höhere Temperaturbeständigkeit und Steifigkeit, ohne dass sich der LeiterplattenwerkstoffFR 4 spröde verhält. Ein offenes Thema ist aber das Recycling von Verbundwerkstoffen.
1.3 Nah- und Fernordnung
Amorphe Werkstoffe) besitzen eine Nah-, aber keine Fernordnung (Abb. 1.6). Die Abstände zwischen benachbarten Atomen oder Ionen entsprechen wegen der chemischen Bindung ungefähr denen der kristallinen Phase, d. h. zwischen 0.1 und 0.5nm. Aber es gibt kein Kristallgitter, weil die Bindungswinkel variieren. Beispiele für amorphe Stoffe sind anorganische Gläser wie Fensterglas, Lichtwellenleiter aus Quarzglas, thermoschockbeständiges Borosilikatglas oder chemisch gehärtetes Gorilla-Glas von Smartphones. Zu den amorphen Werkstoffen zählen ebenso die metallischen Gläser für Transformatoren ohne Ummagnetisierungsverluste oder amorphe Kunststoffe wie Polymethylmethacrylat (PMMA, Plexiglas).
Abb. 1.6 (a) Amorphes Quarzglas mit Nahordnung. Innerhalb der SiO4-Tetraeder gibt es definierte Abstände der Silizium- und Sauerstoffionen und damit eine Nahordnung. Es gibt aber keine Fernordnung wegen der unregelmäßigen Bindungswinkel benachbarter Tetraeder. (b) Vereinfachte zweidimensionale Struktur des regelmäßigen Quarzkristalls mit Nah- und Fernordnung. Die 3D-Strukturen der Tetraeder sind zur besseren Anschaulichkeit in einer Ebene dargestellt.
Einkristalline Bauteile sind teuer und erfüllen spezielle Aufgaben. Das ganze Bauteil besteht aus einem einzigen Kristall. Bekannte Beispiele sind die hochreinen Halbleiter für die Elektronik oder für MEMS (Micro Electro Mechanical Systems), einkristalline Turbinenschaufeln für den heißesten Bereich in Flugzeug- oder Gasturbinen hinter der Brennkammer, piezoelektrische Quarzkristalle als Taktgeber für die gleichnamigen Uhren, Einkristalle für Laser und andere optische Komponenten oder Saphir in Messfenstern und Uhrengläsern.
Die meisten Bauteile in der Praxis sind polykristallin. Sie bestehen aus unzähligen Kristallen, deren Größe zwischen einigen Nanometern und einigen Zentimetern variieren kann. Diese kleinen Kristallite werden auch als Körner bezeichnet. Typische Korngrößen liegen zwischen einigen zehn und einigen 100 μm. Die schmalen Bereiche geringerer Ordnung zwischen den Körnern heißen Korngrenzen und sind ca. 10-100 nm breit.
1.4 Die Richtungsabhängigkeit der Eigenschaften
Der Begriff der Tropie beschreibt die Richtungsabhängigkeit der Eigenschaften von Werkstoffen. Die physikalischen Eigenschaften eines Gases, einer Flüssigkeit (auch Schmelzen) oder eines amorphen Festkörpers verhalten sich in allen Richtungen des Raumes gleich. Man bezeichnet diese Stoffe als isotrop (griechisch: iso = gleich).
Die Eigenschaften amorpher Werkstoffe sind immer isotrop.
Abb. 1.7 (a) Einkristalline Turbinenschaufel aus einem Flugzeugtriebwerk; (b) einkristalliner Silizium-Wafer für Halbleiter und MEMS. Der Wafer hat die kubische Diamantstruktur, wobei die Oberfläche eine {001}-Ebene (Würfelfläche) ist und die flachen Kanten rechts und links parallel zu einer (110)-Richtung (Flächendiagonalen) verlaufen. Entlang dieser Richtungen kann Silizium am einfachsten gesägt werden (Spaltrichtungen).
In Einkristallen liegt eine Richtungsabhängigkeit bzw. Anisotropie der Kristalleigenschaften vor. Auch Faserverbundwerkstoffe mit einer Vorzugsorientierung der Fasern sind anisotrop.
Einkristalline Werkstoffe verhalten sich in der Regel anisotrop (Abb. 1.7).
Der E-Modul als Maß für die Bindungskraft ist in den meisten kubischen KristallStrukturen von Metallen wie Gold, Kupfer, α-Eisen oder Aluminium bzw. von Halbleitern wie Silizium oder Germanium in Richtung der Raumdiagonalen der kubischen Elementarzelle am größten (Abb. 1.8). Es gibt aber auch Ausnahmen wie das kubische Wolfram, dessen E-Modul sich nahezu isotrop verhält. Ursache sind der Tensor der elastischen Konstanten und der daraus resultierende Anisotropiefaktor für kubische Kristalle, der im Kap. 2 bei der elastischen Verformung genauer erläutert wird. In Kap. 2 wird ebenfalls die Indizierung der Richtungen und Ebenen in Kristallen erklärt.
Ein polykristallines Gefüge ohne Vorzugsorientierung der Kristalle (ohne Textur) besteht aus vielen einzelnen anisotropen Körnern. Diese nehmen im Allgemeinen aber alle im Raum möglichen unterschiedlichen Orientierungen ein. Daher gleichen sich die Unterschiede der Eigenschaften in verschiedenen Richtungen der einzelnen Kristalle statistisch wieder aus. Der Werkstoff verhält sich als Ganzes nach außen quasiisotrop (Abb. 1.9).
Polykristalline Gefüge mit Textur hingegen zeigen anisotrope Eigenschaften, da die Körner herstellungsbedingt eine bestimmte Vorzugsorientierung besitzen. Ein Beispiel ist die Goss-Textur in Trafoblechen. In dieser Walz-Textur liegen die Eisenkristalle mit ihren Würfelkanten parallel zum äußeren magnetischen Feld und lassen sich so leichter ummagnetisieren.
Abb. 1.8 (a) Anisotropie der meisten kubischen Einkristalle, dargestellt anhand